“Lass mich, Mama!”, brüllst du. Du willst deine Ruhe vor mir, willst dein Leben leben. Du willst groß sein und frei sein von all den unzumutbaren Dingen, die ich von dir verlange – Schulaufgaben, Mithilfe im Haushalt, nett zu deinen Geschwistern zu sein. “Lasst mich doch alle”, zische ich fünf Minuten später. Ich will Ruhe vor meinen Kindern, will endlich wieder mein Leben leben und frei sein von all den unzumutbaren Dingen, die sie mir abverlangen: Mithilfe bei den Hausaufgaben, der nie enden wollende Haushalt, ich kann nicht mehr nett sein, wenn sich die Geschwister streiten. Obwohl zwischen uns mehr als drei Jahrzehnte liegen – gefühlsmäßig sind wir gerade ziemlich auf einer Wellenlänge, mein Teenie-Sohn und ich: Pubertät und Wechseljahre sind jedenfalls eine sehr emotionale Kombi…


Wir sind gerade beide in einer Achterbahn der Gefühle unterwegs: Mein Großer, weil er auf dem Absprung von der Kindheit ist, ich, weil ich auf dem Absprung des (Kleinkind-)Mutterdaseins bin. Beide wollen wir gerade mehr vom Leben, das uns aus ähnlichen Gründen fesselt: Ihn, weil er noch nicht alt genug ist, allein zu laufen, mich, weil mein Pubertier plus seine kleinen Geschwister eben noch nicht allein laufen können und zumindest noch fünf Jahre plus eine sorgende Mutter brauchen.

Bis vor kurzem kannte ich das Wort Perimenopause noch nicht einmal – jetzt weiß ich, dass sie verdammt viel mit der Pubertät gemeinsam hat.

Gefühle, die quasi aus dem Nichts über einen kommen, die einen von Jetzt auf Gleich zum Brodeln, zum Heulen, zum alles-hinscheißen-wollen bringen. Körper, die sich verändern – die einen blühen, die anderen welken, wie Beatrix Gerstenberger kürzlich so treffend in der Wechseljahrs-Kolumne bei Nobodytoldme schrieb. Und auch, wenn unsere körperliche Entwicklung gerade diametral auseinanderdriftet, so sehr treibt uns beide die Veränderung an sich um: Unbekanntes, angsteinflößendes Neuland! Neue Formen, neue Frustrationen, die damit einhergehen.

Vielleicht hätte ich früher Kinder kriegen sollen, denke ich manchmal – aber es ist halt anders gekommen und jetzt bin ich bald 46 und mein jüngstes Kind ist fünf: Herzlichen Glückwunsch! Heißt, dass ich jetzt mein ERSTES Kind in die Pubertät begleite – und später noch zwei weitere. Vielleicht bin ich dann total gefestigt durch die Wechseljahre durch, wie mir ältere Freundinnen versichern. Ich würd mich gern darauf verlassen.

Für ein Pubertier und seine Midlife-Crisis-Mum ist gerade alles ziemlich neu und verwirrend: Beziehungen, Vorstellungen, Wünsche.

Kein Wunder, dass gerade wir derzeit oft am heftigsten aneinander geraten – und dann wieder die innigsten Momente miteinander teilen. Mit Mitte 40 befindet man sich in der U-Kurve des Glücks ganz unten – und ähnlich erinnere ich es auch aus meiner eigenen Teenie-Zeit: All diese Unsicherheiten – wer will, wer kann ich sein, welchen Weg schlage ich ein, wer und was tut mir gut? Ich war lange nicht so weit von dem entfernt, was man wohl die Mitte nennt wie jetzt. Und ich würde mal behaupten, meinem Kind geht es genauso.

Ein Mindfuck der Generationen, wenn man so will – gepaart mit einem Vulkan explosiver Gefühle. Manchmal braucht es nur einen Satz, bis einer von uns hochgeht. Oder wir beide. Aber zumindest auf meiner Seite wächst gerade das Verständnis für meinen Sohn enorm. Für die Lage, in der er sich unfreiwillig wiederfindet, genau wie ich. Vermutlich hätte es für ihn auch noch ein paar Jahre kindlich stressfrei weiterlaufen dürfen. Und für mich auch – ich war doch gerade ganz gut eingerichtet in meinem Ü-40-Mutterdasein.

Ich dachte, ich weiß, wie das Leben jetzt läuft. Weit gefehlt.

Wie auf einem Schleudersitz werden wir gerade aus unserer Komfortzone katapultiert, die wir als selbstverständlich genommen haben. Dabei weiß doch zumindest ich, dass im Leben nur eines beständig ist – die Unbeständigkeit! Aber dass es mich in der Mitte des Lebens noch mal so durchrüttelt, hätte ich ehrlicherweise nicht gedacht.

Ich will im schnellen Wechsel als Digitale Nomadin allein um die Welt ziehen, unser Haus auf links krempeln, meine Kinder zur Adoption freigeben und falle dennoch plötzlich wieder in jeden Kinderwagen mit Tränen in den Augen, weil ich Babys urplötzlich wieder zu bezaubernd finde. Überhaupt steht mir dauernd das Wasser in den Augen – vor Rührung, Wut, warum-auch-immer, ich bin müde wie zuletzt zu Säuglings-Zeiten und möchte doch am liebsten jeden Tag ausgehen ohne Rücksicht auf Verluste.

Ich bin ein hormonell gepushte Pulverfass – mal zwei macht das unseren Familienalltag gelinde gesagt strapaziös.

Und doch bin ich Momenten der Klarheit gerade froh darum, noch mal so unsanft auf links gedreht zu werden: Nicht nur, weil ich meinem Sohn glaubhaft versichern kann, mit ihm auf einer Wellenlänge zu sein – und ihn damit vielleicht durch die ein oder andere Unwucht seinerseits zu manövrieren. Nein, auch weil ich gerade noch einmal alles selbst auf den Prüfstand stelle – was will ich in meinem Leben, was nicht, was fehlt mir, wer tut mir gut, wer nicht.

Das ist unglaublich anstrengend, keine Frage, zumal unser Fünfer-Alltag eigentlich schon stressig genug ist – und doch glaube ich, dass es nach dieser Metamorphose wieder besser wird. Denn nach dem U-Tief geht es schließlich auch irgendwann zwingend nach oben. Ich hoffe sehr, dass wir beide – mein Großer und ich – daraus gestärkt hervorgehen. Und unsere Familie uns bis dahin aushält…

Kennt ihr dieses Generationen-Hormon-Wirrwarr-Thema auch…?

Alles Liebe,

Katia