Sie stichelt: “Deine Haut ist zu schlaff, dein Blick zu müde, deine Schenkel zu breit.” Sie flüstert: “Du könntest eine bessere Mutter sein.” Sie mahnt: “Dein Haus ist zu chaotisch, deine Möbel beliebig, dein Stil nicht erkennbar.” Sie höhnt: “Du kannst ja gar nicht richtig schreiben, erziehen, lieben.” Und ich zucke jedes Mal zusammen, denke, sie hat recht, die penetrante Perfektion: Ich bin mal zu viel, dann wieder viel zu wenig, durchschnittlich höchstens, auf jeden Fall nicht richtig, schon gar nicht perfekt. Aber seit einiger Zeit fange ich mich dann irgendwann – und sag ihr, warum sie mich mal kann…
Nein, ich bin nicht perfekt – nicht mein Körper, nicht mein Haus, mein Leben oder mein Lieben. Mein Handeln nicht und nicht einmal mein Denken. Ich bin Ich mit all meinen Schwächen, Fehlern, Defiziten. So wie wir alle ganz individuell fehlbar sind – weil wir echt sind. Echte Menschen mit echten Gesichtern, Körpern, Familien, Alltagen.
Ich bin es so leid, überall die vermeintlich perfekten Leben zu sehen. Oder deren Ausschnitte.
Die lächelnde Brotdosen-Mom. Die happily ever after Familie. Das perfekte Make-Up. Das stylishste Outfit. Die herzigsten Kinder und Knuddelviecher. Die dollsten Design-Wohnzimmer. Die aufregendsten Reisen, die kreativsten Menüs. Alles scheint ein einziger, makelloser Superlativ, darunter geht nichts.
Und ich bin es noch viel mehr leid, darauf wider besseres Wissens anzuspringen. Mit Neid. Mit Vergleichen, die meist zu meinen Ungunsten ausfallen. Klar, ich mache auch viel Yoga – aber den trainierten Body von Mady werde ich niemals haben. Ja, ich ernähre mich gern gesund – aber die Flasche Rosé mit Freundinnen schmeckt mir an lauen Sommerabenden ebenfalls. Auch meine Familie hat ihre Sternstunden – aber selten länger als die Dauer einer halben Stunde. Und obwohl ich weiß, dass wenig von all dem wirklich wahr ist, zu dem ich mich in Relation setze, fühle ich mich schnell hässlich, klein und unzulänglich.
Vielleicht muss man erst die 40 knacken, um endlich zu erkennen, dass Perfektion ein Trugschluss ist.
Dass es durchaus einen perfekten Moment geben kann – aber kein perfektes Dasein. Und dass das Gefühl eines perfekten Augenblicks nichts mit der zur Schau gestellten Makellosigkeit zu tun hat. Wer in der Mitte des Lebens angekommen ist, muss sowieso der Wahrheit ins Auge blicken: Alles ist vergänglich. Der Körper, die Träume, die Kleinkindjahre. Das Leben, verdammt! Und selbst wenn mir Gwyneth Paltrow und Co. weismachen wollen, dass man auch Ü50 noch aussieht wie Mitte 30, und zwar ausschließlich deswegen, weil man genügend Wasser trinkt und nicht in die Sonne geht – ich weiß, dass es eine dicke, fette Lüge ist.
Genau wie die Perfektion. Weswegen ich ihr jetzt entschlossen den Mittelfinger in den provokanten Porzellan-Teint recke. Wenn sie mir wieder sagt, wer ich nicht bin, was ich nicht kann, was ich nicht habe, um so perfekt zu sein wie scheinbar alle anderen – dann sage ich: Du kannst mich mal! Weil ich mich nicht mehr stressen lassen will, nicht dauernd den Kürzeren ziehen will. Weil ich nicht mehr will, dass ich mich schlecht fühle, obwohl der Vergleich mit der Perfektion immer hinkt, weil nichts davon wirklich und allumfänglich stimmt.
Und vor allem, weil das Streben nach vermeintlicher Perfektion mich von meinem Leben ablenkt.
Davon, dass ich mein Leben eigentlich mag, wie es ist: Mit allen Ecken und Kanten, mit Krümeln und Chaos, mit Dellen und Falten, mit Krach und Trubel, ein wenig abgenutzt, mit Kinken und Kratzern auf Alltag, Körpern und Beziehungen. Aber eben mein ganz eigenes Leben. Das nicht besser würde mit der schlankeren Taille, der skandinavischen Design-Küche, dem Bestseller to be.
Der Blick von außen streift immer nur die Oberfläche – und darunter ist so viel mehr. Bei denen mit der makellosen Fassade, aber eben auch bei mir. Ich und mein Leben, wir haben unsere Sternstunden – aber die bekommt außer mir meist keiner zu Gesicht. Und die meiste Lebenszeit verbringe ich mit dem Dazwischen. Mit dem gut genug. Wie sagte es Supermodel Tyra Banks einmal so schön: “Perfektion ist langweilig. Menschlichkeit ist schön.”
Wie haltet ihr es mit der Perfektion? Stresst sie euch auch manchmal? Und was tut ihr dagegen…?
Alles Liebe,
Liebe Katia, ich kenne das zu gut.
Täglich sehe ich eher das was nicht läuft, was ich nicht geschafft habe, was ich besser machen könnte!!
Und es stört mich, da man ja eigentlich weiß, worauf es im Leben ankommt und man eben auch nur dieses eine Leben hat.
Ich bin extra nicht bei instagram angemeldet, da es mich fertig machen würde, überall die vermeintlich perfekten Ausschnitte aus dem Alltag zu sehen!!
Obwohl ich es ja eigentlich besser weiß!!
Ich versuche milde mit mir zu sein, mal klappt es mal nicht zu gut – aber ich arbeite daran!!!
Vielen Dank für eure so guten Texte!!
Ich lese täglich hier!!
Eure Themen holen mich ab, regen zum Nachdenken an, schenken mir eine Auszeit!!
Es tut so gut auch anhand der Kommentare, zu merken, dass man nicht alleine ist!
Liebe Grüße
Linda
Hej liebe Linda, ach wie schön, dass du ein Teil von WASFÜRMICH bist! Wir versuchen hier ja immer möglichst das ganze Leben abzubilden – auch in den Ecken, wo es gerade chaotisch und knittrig ist 😉 Und Insta ist so eine Sache. Inspirierend auf der einen Seite – und eine Plattform für Blender auf der anderen Seite. Es braucht eine Balance. Alles Liebe, auf bald, Katia
Liebe Katia, so wahr… toll geschrieben! Bei uns auf der Arbeit hängt ein großes Schild: „Ein Mensch ohne Macke ist kacke“
Es lohnt sich sehr, immer mal wieder daran zu denken 😉
Hej liebe Katharina, was für ein großartiger Spruch! Den klau ich mir direkt für den nächsten Newsletter! Und vielen lieben Dank für dein schönes Feedback 🙂 Alles Liebe, Katia
Wieder so ein toller Text, in dem ich mich wiederfinde und der einfach wunderbar zu lesen ist. So nah am echten, wirklichen Leben – wie im Übrigen alle eure Texte hier.
Hier bei uns gibt es auch viel Unperfektes – kein perfekter Haushalt, Garten etc., aber dafür auch viel gemeinsam verbrachte und gelebte Zeit.
Liebe Grüße!
Hej liebe Vanessa, o danke, das freut uns soso sehr! Weil wir uns gern darum bemühen, möglichst authentisch zu sein (auch auf die Gefahr hin, dass wir anderen unsere Schwachstellen zum Fraß vorwerfen…;-) Umso schöner, wenn ihr das mit eurem tollen Feedback honoriert! Alles Liebe, Katia
Liebe Katia,
Ich könnte mir gerade mindestens drei Sätze aus deinem Artikel groß ausdrucken und an die Wand hängen.
Inspiration des Tages!! Ich liebe deine Echtheit. 😃 Danke für den tollen Text!!
Lg Leonie
Hej liebe Leonie, ziemlich gute Idee, vielleicht sollte ich das auch tun – und der Perfektion beim nächsten Anschleichen damit einen soliden Arschtritt verpassen… Alles Liebe, lass dich nicht stressen und genieß den Sommer, Katia
Liebe Katja, ich folge da einem alten Werbespruch einer großen Frauenzeitschrift „lebe lieber unperfekt!“ Gleichzeitig habe ich oft schwache Momente in denen mir nur das unperfekte in die Augen springt und mich sehr stört – aber mittlerweile weiß ich, dass die perfekten Wohnungen, gestylten Menschen etc. nur Momentaufnahme sind und dass es ein enormer Kraftakt ist, das aufrechtzuerhalten! Nach 2 „Burnout-Jahren“ schaffe ich es immer mehr zu akzeptieren, dass gut auch wirklich gut genug ist!
Hej liebe Julia, haha – mit dem Spruch wollte ich eigentlich enden, bin dann aber über das Zitat von Tyra Banks gestolpert 😉 Und ja: ich scheue diesen Kraftakt mittlerweile auch viel mehr als früher, weil ich meine Energien sinnvoller einsetzen mag. 🙂 Vielen lieben Dank für dein Feedback, alles Liebe, Katia
Einfach voll der gute Text. Danke 🙂
Hej liebe Corinna, ich danke dir von Herzen! Alles Liebe, Katia
Love you, Katia❤️ Mehr muss ich wohl nicht sagen😉 Danke für den Text…er ist perfekt für mich😎😂
Liebe Grüße aus dem Süden
Rabea
Hej liebe Rabea, jetzt werde ich ganz rot… 😉 Wie schön, das freut mich wirklich sehr! Alles Liebe, hab einen schönen Sommer und auf bald, Katia
Was für ein schöner Text. Danke!
Hej liebe Eva, oh wie schön, freut mich so, dass er dir gefällt! Alles Liebe, Katia
Hallo liebe Katja,
bei meiner Schwester hängt auf einer Postkarte der Spruch: “Bevor ich mich aufrege, ist es mir lieber egal.” Das finde ich sehr entspannend. Klar gibt es Situationen, in denen man sich durchaus aufregen und etwas verändern sollte, aber sehr oft ist das eben gar nicht nötig oder möglich.
Das können andere Menschen sein, über die wir uns ärgern, ein blöder Spruch, etwas, was uns misslungen ist oder eben das Wissen, nicht perfekt zu sein.
Aber ich glaube auch, dass man da einfach mit zunehmendem Alter entspannter wird.
Liebe Grüße, Anja
Hej liebe Anja, super Spruch, danke dir! 🙂 Den nehm ich gedanklich direkt mal mit auf… 😉 Und ich glaube (und fühle) auch: Mit der Zeit wird es entspannter. Alles Liebe, danke für dein Feedback, Katia