Wir reden in diesem Land nicht oft darüber, nicht schwanger zu sein, über die Fehlgeburten, die ungewollten Perioden, das kurze Ovulationsfenster, die Jahre und das Geld und die Hormone, die man verlieren kann in dem Versuch, ein Baby zu bekommen…

Fehlgeburt, Nell Frizzell

Für jene Menschen, die sich für diesen Versuch entscheiden, können diese Dinge genauso Merkmale der Panikjahre werden wie Trennungen, Hochzeiten, Vorstellungsgespräche oder ein Kater nach einer Feier. Und auch wenn man nicht selbst versucht, ein Baby zu bekommen, tun es während der Reise durch den Fluss höchstwahrscheinlich viele im eigenen Umfeld. Die beste Freundin, Schwester, Kollegin, Chefin, Brautjungfer, Freundin, Mitbewohnerin, Busfahrerin, neue Bekanntschaft und Abgeordnete durchleben womöglich direkt neben einem die Trauer, die Enttäuschung, den Stress und die Unsicherheit des Nicht-Schwangerseins.

Sie brauchen Unterstützung. Sie wissen Verständnis zu schätzen.

Natürlich erzählen sie einem vielleicht nicht viel, aber sie öffnen sich mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit, wenn man sich als Verbündete zu erkennen gibt: ihnen Essen vorbeibringt, sie reden lässt, liebevoll ist und sich nicht genötigt sieht, sie aufzuheitern, es sei denn, sie bitten darum. Diese Dinge sind auf ihre eigene Weise allesamt kleine Trauersplitter und können dementsprechend behandelt werden.

Heute denke ich beschämt daran zurück, wie ich es vergessen, mich ferngehalten oder das Thema gewechselt habe, wenn Freundinnen und Freunde mir erzählten, sie hätten ein Baby verloren. Sie verdienen eine Entschuldigung. Bei der Recherche zu diesem Buch war ich erneut überrascht, wie häufig es tatsächlich vorkommt, dass jemand nicht schwanger wird oder eine Schwangerschaft nicht voll ausgetragen wird. Diese Menschen verdienen Beachtung.

Während meiner Teenagerjahre und meiner Zwanziger wurde mir andauernd mit der Aussicht auf eine ungewollte Schwangerschaft gedroht.

Von der Schule, von Ärztinnen, von Home and Away. Besonders gut erinnere ich mich noch an eine hasserfüllte Krankenschwester, die sich mitten während eines Termins, bei dem ich unterwürfig um die Pille danach bat, zu mir umdrehte und sagte: »Es braucht nur ein einziges Spermium und, peng, Sie sind schwanger.« Peng. In Wirklichkeit, wie die Website des NHS mich aufklärt, »sind Sie am fruchtbarsten innerhalb von ein oder zwei Tagen, bevor und nachdem eine Eizelle aus Ihren Eierstöcken freigesetzt wird«.

Ein kleiner Trick, der auch bekannt ist als der »Eisprung«. Man kann schwanger werden, wenn man zu irgendeinem Zeitpunkt in der Woche vor dem Eisprung Sex hat, da manche besonders unermüdlichen Spermien bis zu sieben Tage im Körper eines Menschen überleben können. Aber das macht dann immer noch nur, was, eine Woche? Zehn Tage?

Weniger als vierzehn Tage Fruchtbarkeit pro Monat?

Als die ungenutzte Schleimhaut meiner Gebärmutter in die Toilette floss, wie schon so viele Male zuvor, weiß ich noch, wie ich dachte, dass die Vorstellung, mein Körper sei diese große pulsierende, kaum zu zügelnde, jederzeit bereite Babymaschine, eine Farce ist. Ich dachte an all die Pillen danach, die ich mit kaltem Kaffee und unbeantworteten Textnachrichten hinuntergespült hatte, vielleicht völlig grundlos. Ich dachte an all die Hormone, die ich in meinen aufgedunsenen, unglücklichen Körper gestopft hatte, obwohl ich vielleicht sowieso nie in der Lage gewesen wäre, schwanger zu werden.

Ich dachte an das Unbehagen, mit dem ich zugesehen hatte, wie meine ersten Freunde Kondomverpackungen aufrissen, während ich mich fragte, ob sie dabei wohl Löcher in den Gummi machten und mir meine Abschlussprüfungen versauen würden. Ich dachte aber auch an eine meiner besten Freundinnen, die von ihrem endlosen Strom an negativen Schwangerschaftstests in eine bittere Wut geraten war, bis sie anfing, sie an Orten zu machen, von denen sie wusste, dass sie nie mehr dorthin zurückkehren würde. An ihre erstickt vorgetragene, zum Brüllen komische und zugleich schreckliche Geschichte, wie sie in der Damentoilette der Walthamstow Mall auf ein Stäbchen pinkelte und inmitten des Geruchs von Scheiße und Ambi Pur wartete…

Bis die Worte »NICHT SCHWANGER« gemeinsam mit einem traurigen Emoji langsam auf dem Display erschienen.

In einem Artikel, der bemerkenswert für seine persönliche Offenheit wie für seine Beschreibung des Lebens einer Politikerin ist, schrieb die Abgeordnete Stella Creasy kürzlich im Guardian: »Während meiner ersten Fehlgeburt schloss ich mich unter Schmerzen und blutend einer Demonstration für die Abschiebung eines Mannes an, der eine meiner Wählerinnen vergewaltigt und ermordet hatte. Am Tag, nachdem ich herausgefunden hatte, dass das Herz eines anderen Babys aufgehört hatte zu schlagen, leitete ich eine öffentliche Versammlung zu Gangkriminalität. Ich plante den Eingriff zur Entfernung des Körpers für einen Tag, an dem ich keine Sprechstunde in meinem Wahlkreis hatte. Mit gebrochenem Herzen von all den Jahren, in denen ich mit meiner Fruchtbarkeit rang, habe ich all diese Ereignisse für mich behalten und dafür gesorgt, dass meine Wählerschaft nie in Mitleidenschaft gezogen wurde.«

Nicht viele von uns haben die Arbeitsbelastung und die öffentlichen Verpflichtungen einer Wahlkreisabgeordneten, aber Millionen von Frauen werden sich wiedererkennen in diesem »Kann nicht aufhören, muss mich fertig machen, eine elastische Hose anziehen, pünktlich auf der Arbeit erscheinen, zeig niemandem, wie du dich fühlst, wein einfach in der Mittagspause ein bisschen auf der Toilette, darf nicht zusammenbrechen, du bist ein Profi, kriege kein Essen runter, hör keine Musik, sonst fängst du noch an zu weinen, denk an dein Schlüsselband, mein Herz tut weh, mein Posteingang ist voll«-Konflikt zwischen Arbeit und Schmerz.

Laut der Wohltätigkeitsorganisation Tommy’s endet eine von vier festgestellten Schwangerschaften in einer Fehlgeburt, was es höchst wahrscheinlich macht, dass wir alle eine Person kennen, die am Tag nach einer unerwarteten Blutung oder einem traumatischen Zwölf-Wochen-Ultraschall bei der Arbeit erschienen ist. Vielleicht haben wir sogar neben ihr gesessen…

Dieser Text ist ein Ausschnitt aus Nell Frizzells Buch „Panic Years“ erschienen bei Atlantik und übersetzt von Yasemin Dinçer. Es ist ein herzzerreißend ehrliches Buch über die einzigartige Zeit, in der sich eine Frau entscheiden muss, ob sie Kinder möchte oder nicht. Es ist ihre eigene Geschichte: Nell Frizzell ist Ende zwanzig, als sie sich von ihrem langjährigen Freund trennt.

Die gemeinsame Lebens- und Familienplanung ist damit auf Null gesetzt. Nur das Schlafzimmer ihrer Oma bietet Nell Raum, ihre Trennungstrauer zu verarbeiten, denn: Fragen rund um Fruchtbarkeit und Kinderwunsch, Familienplanung und Zukunftsvisionen sind für die Oma und ihre Freundinnen Vergangenheit. Sie sind frei, ihre Panic Years sind vorüber. Doch Nell steckt mittendrin…

Unter allen Kommentaren zu diesem Artikel bis zum 6.9.22 verlosen wir drei Mal das Buch. Viel Glück!

Fotos: Shutterstock, Verlag Hoffmann und Crampe, Foto Nell: Philippa James

Nell