Als wir nicht mehr mit uns weiterwussten, war unsere Liebe schon ein wenig abgenutzt – durchgeliebt wie das allererste Kuscheltier. Vielleicht war die Liebe aber auch abgenutzt, weil wir nicht mehr weiterwussten. Weil wir uns schon wochen-, monatelang im Kreis drehten. Weil ich ein Kind wollte und mein Freund nicht. Wir hatten bereits eine Trennung auf Probe hinter uns – und konnten doch nicht ohneeinander. Aber miteinander eben auch nicht mehr. Manchmal reicht Liebe allein nicht aus, wenn ein Abgrund dazwischen klafft. Und dann schlug mir mein Freund eine Paar-Therapie vor…

Ich weiß noch, dass ich den Gedanken daran erst ziemlich seltsam fand. So Woody-Allen-Stadtneurotiker-mäßig. Überspanntes Geplauder auf der Couch für das man dann auch noch einen Batzen Geld latzen muss. Aber mir war auch klar: Allein kommen wir als Paar nicht weiter. Wir waren wund, müde, frustriert und hatten Mühe, überhaupt an guten Gefühlen füreinander festzuhalten. Ich wollte einfach nicht riskieren, dass wir uns völlig verloren. Und natürlich hoffte ich auch auf eine Einigung in der Kinderfrage. So stimmte ich schließlich zu.

Bevor man das erste Mal bei der Paar-Therapie auf der Couch sitzt, muss man erst einen Therapeuten finden, der passt. Und zwar beiden.

Da fangen die Schwierigkeiten mitunter schon an. Denn klar ist: Wenn man sein Innerstes nach außen kehrt, persönliche und sogar intime Details mit jemand völlig Fremden besprechen will, muss die Chemie stimmen. Sonst hat das alles keinen Sinn. Und wer welches Gegenüber braucht, kann leider sehr unterschiedlich sein.

Meine wichtigste Bedingung war: Ich will eine Frau. Ja, vermutlich, weil ich die Hoffnung hatte, sie damit auf meiner Seite zu haben. Als Frau, vielleicht gar als Mutter, die meinen Kinderwunsch nachvollziehen kann und in der Therapie darauf einwirkt. Was natürlich vollkommener Blödsinn ist.

Auch in der Paar-Therapie schlägt sich kein Therapeut auf die Seite von irgendwem.

Weil er ja genau diese neutrale Instanz zwischen den unterschiedlichen Paar-Positionen ist. Wie ein Mentor, der das Gespräch moderiert, wo es stockt, der Fragen stellt, die einem selbst nicht einfallen – oder die man sich nicht zu fragen traut. Und dennoch konnte ich mir einfach nicht vorstellen, mit einem Mann darüber zu sprechen. Das hätte sich für mich angefühlt wie zwei gegen eine.

Schließlich landeten wir auf Empfehlung in einer Praxis, die von einem Ehepaar geleitet wurde. Man hätte sogar die Möglichkeit gehabt, mit beiden zugleich zu sprechen, Was natürlich die beste Lösung von allen gewesen wäre – aber die Kosten leider verdoppelt hätte.

Denn eine Paartherapie ist keine Kassenleistung. Man muss sich die Arbeit an seiner brüchigen Liebe also auch leisten können.

Ich weiß nicht mehr, was der damalige Kurs war – heute liegt die Stunde mit einem Therapeuten bei rund 140 Euro. Das Doppelte hätten wir auf Dauer einfach nicht bezahlen können. Schließlich ist ja nicht nach einer Stunde alles wieder im Lot und man hüpft Hand in Hand Richtung Sonnenuntergang. Insofern entschieden wir uns für die Sitzung mit nur einem Therapeuten. Mit der Therapeutin.

Dennoch gefiel uns das Konzept: Dass unser Gegenüber jemand ist, der auch ganz persönlich weiß, was es heißt, ein Paar zu sein. Der weiß, wie schwer es auszuhalten ist, in grundlegenden Dingen anderer Meinung zu sein. Ich glaube, ich hätte es seltsam gefunden, mit einem Paartherapeuten zu sprechen, der notorischer Single ist.

Unsere erste gemeinsame Sitzung in der Paartherapie war dennoch seltsam.

Vor jemand Drittem laut auszusprechen, was bislang nur zwischen mir und meinem Freund stattgefunden hatte, fühlte sich an, wie nackt auf einer Bühne zu stehen. Wir hatten den Konflikt schon eine Weile nicht mehr thematisiert – und waren erstmal vorsichtig. Immerhin. Man brüllt sich nicht an, wenn man dabei Zuschauer hat.

Ich weiß noch, dass jeder von uns beiden seine Redezeit bekam – und versuchen sollte, ohne Anschuldigen in Ich-Botschaften zu sprechen. Sehr konzeptionell, klar. Kein Mensch, den ich kenne, würde spontan so sprechen. Aber allein die Tatsache, dass wir uns nicht dauernd gegenseitig ins Wort fielen, dass keiner “du bist immer so und so” nörgelte oder entnervt den Raum verließ, machte schon einen Unterschied. Machte deutlich, dass zu unserem Konflikt eben doch noch nicht alles gesagt, noch nicht alles bedacht war.

Was genau wir damals alles in der Therapie besprochen haben, will und kann ich hier nicht wiedergeben. Das ist zu privat.

Vielleicht noch so viel: Es war verdammt anstrengend. Wir haben viel geheult – während der Sitzungen und auch danach. Manchmal fühlte es sich an, als wäre alles umsonst. Als würden wir uns nie auch nur einen Millimeter aufeinander zubewegen. Denn es ist das eine, in der Therapie moderiert und begleitet zu sprechen – und das andere, im Alltag daran anzuknüpfen.

Zu Hause nicht wieder sofort mit den Fingern aufeinander zu zeigen. Es auszuhalten, dass sich trotz der Therapie nicht alles sofort zum Besseren wendet. Zu akzeptieren, dass manche Konflikte vielleicht nie wirklich aufgelöst werden können. Zu erkennen, dass wir trotz aller Liebe zueinander zwei sehr unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Tempi und Träumen sind. Das war schmerzhaft. Und doch: Wir haben es geschafft.

Wir haben uns nicht getrennt. Und wir haben ein Kind bekommen. Heute sind es sogar drei.

Vielleicht war die wichtigste Erkenntnis aus dieser Episode damals: Liebe ist eben nicht immer nur rosarot und leicht, sondern manchmal genau das Gegenteil. Aber auch das gehört dazu. Ich bin heilfroh, dass wir noch vor den Kindern gelernt haben, mit solchen Krisen umzugehen. Konflikte aufzulösen. Denn Liebe, gerade die Langzeitliebe, ist meist einfach viel mehr Arbeit als Romantik. Mehr Konflikt als Candlelight-Dinner. Liebe verändert sich.

Das auszuhalten und zu begleiten haben wir damals in der Paartherapie gelernt. Auch wenn ich es bis heute nicht schaffe, in Ich-Botschaften und ohne meinem Mann ins Wort zu fallen zu streiten: Wir finden immer wieder zusammen. Und meistens zu einem Kompromiss.

Der schönste Abschluss der Therapie war für mich übrigens der Moment, als ich unserer Therapeutin die Geburtsanzeige unseres ersten Sohnes in den Briefkasten warf. Und sie zurückschrieb: “Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem Sie sich nicht mehr gegenseitig anschauen, sondern Seite an Seite gemeinsam auf ihr Kind.”

Die Praxis, in der wir damals waren, gibt es übrigens immer noch: “Wilder Frieden” – mittlerweile mit zwei Praxen in Hamburg und Zweigstellen auch in Lübeck und Grabow.

Habt ihr schon mal eine Paartherapie gemacht – oder darüber nachgedacht?

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Alles Liebe,

Katia