Nüchtern betrachtet war’s betrunken auch nicht so berauschend. Super Satz, oder? Leider nicht meiner. Stammt von Suse Kaloff und ist der Titel ihres Buches, das mich kürzlich zwei Nächte um meinen Schlaf brachte. Und danach um die Gläser Wein, die ich in Gesellschaft gern trinke. Oder besser: getrunken habe. Denn seit über zwei Monaten habe ich mir keinen Crémant, keinen Punsch auf dem Weihnachtsmarkt, keinen Rotwein mehr gegönnt. Und ich muss sagen: Nüchtern betrachtet fühlt sich mein Leben gerade irgendwie besser an…

Vielleicht muss ich vorweg erwähnen, dass ich nie das Gefühl hatte, ein Alkohol-Thema zu haben. Ich trinke wie die meisten Freunde in meinem Umfeld: In Gesellschaft. Wenn es einen Grund zum Anstoßen gibt. Zu einem schönen Essen. Wenn ich Entspannung suche und in mir nicht finde. Kein Thema damit zu haben ist vermutlich dennoch Ansichtssache, wenn man bedenkt, dass die gängige Empfehlung lautet: Nicht mehr als zwei Gläser Wein – pro Woche. Das schaff ich locker an einem gemütlichen Abend mit Freunden. Aber ich trinke nie allein, nicht täglich, aber doch regelmäßig – und vor allem gern (hier habe ich schon mal davon geschrieben).

Alkohol hat immer ganz selbstverständlich zu meinem Leben dazugehört:

Ob Party-Nacht oder Dinner mit Herzensmenschen – Alkohol war stetiger Begleiter. “Treffen wir uns auf ein Glas Wein…?” ist eine völlig übliche Frage vor Freundinnen-Dates. Und wenn ich ausgegangen bin, habe ich an der Bar selten Saftschorle bestellt, sondern lieber süffigen Rosé.

Aber ich mochte nicht nur den Geschmack von Alkohol – ich mochte auch seine Wirkung. Dass er den Alltag leichter, mich ein wenig lässiger, gesprächiger, fröhlicher machte. Ein wenig von der strikten Kontrolle meines Lebens aufweichte. Es war immer auch dieser leichte Glimmer, den ich suchte. Das Gefühl, dass selbst ein schnöder Alltags-Dienstag nach einem Glas ein wenig mehr Glamour bekommt. Und ich deswegen auch noch das zweite trank. Das ich meist am nächsten Morgen bereute.

Denn so sehr ich dieses Flirren am Abend genoss – am Morgen darauf hätte ich viel darum gegeben, keinen Watteschädel zu haben.

Und den hatte ich mit zunehmendem Alter leider immer häufiger – auch nach nur einem Glas. Und nicht nur das: Nach einem geselligen Abend war mein Schlaf oft so mies wie zu Stillbaby-Hochzeiten. Ich wurde mitten in der Nacht wach, konnte nicht mehr schlafen, wälzte mich mit hämmerndem Kopf und hämmerndem Gewissen hin und her. Und der nächste Tag war für die Katz – Laune mies, Lunte kurz.

Seltsam eigentlich, dass ich mich schon so lange mit einem gesunden Lebensstil befasse – und den Alkohol davon großzügig ausklammert habe. Ich meine: Ich starte meine Tage mit Zitronenwasser, esse Berge an Gemüse, wenig Zucker und mache jede Menge Sport. Ich bläue meinen Kindern ein, dass sie bloß nie mit dem Rauchen anfangen sollen und dass Weißmehl auf Dauer nicht das Nonplusultra in Sachen Ernährung ist. Aber dass es keinen gesunde Alkoholmenge gibt, dass lasse ich zugunsten des Moments gern unter den Tisch fallen. Um mich dann hinterher doppelt schlecht zu fühlen, weil: Alkohol ist schädlich. Punkt.

Es geht mir gar nicht um die Moral. Dafür wäre ich nach einem gelebten Leben mit unzähligen geleerten Gläsern wohl auch die Falsche.

Es geht mir um die Gesundheit. Um meine Gesundheit, um mein Wohlbefinden. Das ist letzter Zeit mit Alkohol mehr gelitten hat als früher. Kater und Karma passt einfach nicht wirklich zusammen. Warum ich nicht schon viel früher verzichtet habe? Weil es einfacher ist mitzutrinken, als wortreich zu erklären, warum man gerade nicht trinkt. Immer noch – trotz aller Sober-Bewegungen, die die kommenden Generationen hoffentlich mehr prägen als uns damals Berentzen Apfelkorn und brauner Tequila.

Als ich kürzlich zu einem Essen mit Freunden für mich alkoholfreien Sekt mitbrachte, wurde direkt gefrozzelt: “Naaa, hast du uns was zu erzählen, Katia…?” Als wäre es deutlich wahrscheinlicher, mit 46 eine vierte Schwangerschaft zu verkünden, als einfach nüchtern bleiben zu wollen. Seltsam irgendwie.

Ich hatte keinen Schlüsselmoment, als ich das mit dem Wein sein ließ.

Vielleicht lag es an meinem nahenden Geburtstag, dass ich den Oktober sober verbrachte – und dann einfach weitermachte. Weil es fast wie eine Erleichterung war. Einfach für mich entscheiden zu haben: Ich mach da nicht mehr mit. Nicht bei dem gemütlichen Glas Primitivo, nicht beim Crémant mit der Mädels-Crew. Kein Gin Tonic an der Bar, keinen Absacker aufs Haus beim Italiener.

Leicht ist es mir dennoch nicht gefallen. Weil: Ein nicht unwesentlicher Teil von mir wünscht sich mitunter den Exzess. Oder zumindest dieses laisser-faire-Gefühl, das sich im nüchternen Zustand bei mir einfach nicht einstellen will. Dieser ach-komm-was-kostet-die-Welt-Zustand, der schon so manches Mal zu legendären Abenden, Aktionen, Abenteuern geführt hat. Wobei auch das mittlerweile einem anderen Leben angehört, wenn ich ehrlich zu mir selbst bin. Im Alter ist es wohl eher der kleine Schwips, der fehlt.

Am spürbarsten war es kürzlich, als ich mit einer meiner liebsten Freundinnen aus war – eine Art Bar-Karaoke-Abend. Singen ging prima mit Virgin Mojito. Bei der sich anbahnenden Party-Laune aller anderen war ich allerdings raus. Plötzlich wurde um mich herum fröhlich getanzt, gelacht, geflirtet – und ich saß da stocknüchtern und gefühlt auch mit einem Stock im Hintern. Alle waren entspannt, ich nicht. Ich wollte nach Hause und fand es das erste Mal richtig scheiße, mir diesen Glimmer nicht zu gönnen.

Aber generell ist es von Mal zu Mal besser geworden, nicht mitzutrinken.

Ich habe meinen Geburtstag überstanden und gleich noch zwei weitere im Freundeskreis, mehrere Dinner-Einladungen und Weihnachtsfeiern – immer als Einzige ohne einen Schluck Alkohol. Was mit Sicherheit auch an den Alternativen liegt, die mittlerweile deutlich gängiger (und schmackhafter!) sind als noch zu Zeiten meiner letzten Schwangerschaften. Suse Kaloff hat in ihrem Selbstexperiment konsequent Wasser getrunken. Ich kann immerhin mit nullprozentigem Sekt anstoßen – was deutlich weniger provokant ist als ein Glas Sprudel ohne Schnörkel.

Denn spannenderweise macht der eigene Verzicht auch immer etwas mit dem Gegenüber. “Oh ja, das wollte ich auch schon lange mal wieder machen”, sagte eine Freundin sichtlich zerknirscht, als ich ihr von meiner neuen Abstinenz berichtete. Das schlechte Gewissen in Großbuchstaben auf ihrer Stirn. Ein anderer Freund betonte reflexhaft, dass er deutlich weniger trinken würde als früher – aber so ganz ohne, das wäre dann doch nichts für ihn. Ich hatte viel Verständnis. Für beide.

Denn ich habe auch Abende, da würde ich verdammt viel für ein gutes Glas Rotwein geben.

Einfach Kopf aus, gute Gefühle an – und ein Hauch von Lässigkeit. Die sich spätestens zwischen zwei und drei Uhr morgens in Luft aufgelöst hätte. An diesem Gedanken halte ich mich fest, wenn ich wackelig werde. Wenn ich einfach wieder mitmachen statt außen vor sein will. Weil es so viel lustiger ist, weinselig mitzukichern als irgendwann mit leichtem Unbehagen danebenzusitzen, wenn alle albern drüber sind.

Glücklicherweise mache ich das nicht zum ersten Mal. Und ich nehme mir auch gar nicht vor, dass es das letzte Mal in meinem Leben ist. Ich habe kein konkretes Ziel, das “Nie wieder Alkohol” propagiert. Ich habe lediglich den Wunsch, besser auf mich zu hören. Auf das, was ich will, was mein Körper braucht, um sich gut zu fühlen. Und Alkohol – das habe ich in vielen Selbstversuchen herausgefunden – ist kein Garant dafür, im Gegenteil.

Seitdem ich auf Highballs verzichte, ist mein High ein anderes.

Ich schlafe besser, fühle mich fitter, ausgeglichener – und bilde mir sogar ein, besser auszusehen. Ich habe spürbar mehr Geduld mit den Launen der Kinder (und meiner eigenen) und bin vor allem verdammt stolz auf mich. Denn noch ist es mir immer sehr bewusst, dass ich mich fürs Nichttrinken entscheide. Dass es für mich eben nicht selbstverständlich ist, all diese Gelegenheiten ohne Alkohol im Glas zu genießen.

Ich hoffe, dass ich irgendwann gar nicht mehr darüber nachdenken muss. Dass ich irgendwann einfach keinen Wunsch mehr danach verspüre, einen kleinen Glimmer zu haben. Aber gerade fühle ich mich einfach wohl in meiner Haut. Wohler ohne Schwips, ohne Kater, ohne schlechtes Gewissen. Bin gespannt, wohin mich das noch bringt.

Das ist übrigens das tolle Buch von Suse Kaloff.

Denkt ihr auch manchmal über euren Alkohol-Konsum nach…?

Alles Liebe,

Katia