Als ich vor einer Weile von meinem seltsamen Scheitermoment auf der Buchmesse erzählte und nach euren Scheitergeschichten fragte, bekam ich super viele Nachrichten. Viele von euch bedankten sich dafür, dass endlich mal einer mit den “Essiggurkensituationen” rausrückte, statt immer nur von den Marmeladenglasmomenten zu erzählen und zu schreiben. Weil das einem immer das Gefühl gibt, nur bei mir läuft’s nicht. Hier kommen ein paar eurer Geschichten…

Wenn ich die lese, klingen sie übrigens nicht wie Scheitern, sondern höchstens nach “ein paar Steinen auf dem Weg”. Ist doch verrückt, dass wir mit uns selbst immer am kritischsten sind. Oder?

Luisa wollte jobmäßig voll durchstarten. Aber dann…

Meine Geschichte vom Scheitern begann nach dem Referendariat. Jeder sagte mir: “Volljuristin, die werden gesucht ohne Ende, mach dir keine Sorgen.” Aber dann war ich fertig und es kam Corona. Ich schreib Bewerbung und Bewerbung um Bewerbung. Über 100, plus zwei Antworten in sechs Monaten. Ich habe dann einen lahmen Job bei der Arbeitsagentur angefangen, völlig unter Qualifikation und dachte: “Das war’s, dafür haste studiert.”

Nach drei Jahren ist es doch noch was mit der Jura-Stelle geworden.  Aber der Weg war hart.

Annika ist ebenfalls Bestseller-Autorin. Und kämpft dennoch…

Von außen sieht immer alles so glatt, wunderbar und nach Konfettiregen aus. Aber auf meiner allerersten Buchmesse habe ich auf der Leseinsel der unabhängigen Verlage gelesen. Super nervös, aber glücklich, dass ich mit meinem Roman dabei sein durfte. Ein echtes Buch! Mein echtes, richtiges Buch! Und es waren sogar Leute da.

Allerdings saßen die meisten mit dem Rücken zu mir, waren in lebhafte Gespräche vertieft oder standen mittendrin auf und gingen weg. Warum es so voll war? Weil es bequeme Sitzgelegenheiten gab und die Leute im Messetrubel einfach mal Ruhe haben wollten. Puh. Noch eine Scheitergeschichte: Auf der Doppellesung mit Tillmann Ramstedt (nicht auf der Messe), waren gefühlt eine Million Leute, die sein Buch signiert haben wollten. Bei mir stand die Mama eines Bekannten.

Dieses Jahr habe ich lange überlegt, ob ich zur Buchmesse fahre.

Weil ich lange nicht da war. Weil ich Angst davor hatte, wie es sein würde, wenn man “nicht so richtig dazu gehört”. Aber ich weiß, wie mich die vielen Bücher & Menschen einschüchtern. Und das seltsame Gefühl auf der Rückfahrt im Zug, das auch du beschreibst, kam wieder. Die Gewissheit, dass das alles so groß ist und die eigenen Bücher in einem riesigen, wackligen Stapel verschwinden.

Mein Vorschlag: nach der nächsten Messe treffen wir uns alle in den Bordbistros der Bahn, teilen uns lauwarme Currywurst mit Mikrowellenpommes und stoßen mit Gratis-Sorry-Verspätung-Wasser an: auf das Schreiben an sich. Und obwohl es schnulzig klingt und auch nicht immer stimmt: ich glaube, dass die besten Gefühle beim Schreiben selbst kommen und im Gespräch über Texte. Meine Meinung: die Messe ist irgendwie nicht (immer) der beste Ort für AutorInnenhochgefühle & Buchparty.

Annika Scheffel schreibt übrigens großartige Bücher, zum Beispiel die wunderschöne Solupp-Reihe.

Laura würde gern baden – aber niemand will mit.

Ich betreibe seit einiger Zeit das schöne Hobby Eisbaden. Wir haben hier in unserem Dorf ein sehr schönes Naturbad und da hatte ich die Idee einen Eisbadeclub zu gründen. Funktioniert ja in Dänemark, Schweden und Finnland auch hervorragend, dachte ich mir. Ich stellte es mir wirklich lustig vor, zusammen mit anderen Damen ins kalte Nass zu steigen, zu keuchen, zu prusten und zu lachen. Danach zusammen stolz zu sein, was man geschafft hat und heißen Tee zu trinken.

Ich klärte alles ab, machte bisschen Mundpropaganda, Stellte es in meinen Status und war sehr gespannt und vorfreudig. Keine Rückmeldungen. Da ich aber die Hoffnung nicht gleich aufgeben wollte, machte ich mich am, von mir vorgeschlagenen Termin, pünktlich auf zum Naturbad. Mit viel heißen Tee und zehn Tassen, für vielleicht doch noch spontane Kaltbader. Und als ich um die Ecke kam war der Parkplatz vor dem Bad rappelvoll! Was um diese Jahreszeit so gut wie nie vorkommt.

Einen Bruchteil einer Sekunde dachte ich, meine Güte, die wollen alle mit mir ins Wasser hüpfen. Aber es war genau an diesem Tag eine Beerdigung und der Parkplatz am Friedhof war voll gewesen. Ich fühlte mich in diesem Moment ganz seltsam. Enttäuscht und gekränkt, gleichzeitig erleichtert, mutterseelenallein und irgendwie musste ich über mich selbst schmunzeln. Also straffte ich die Schultern, stieg ins Wasser und hatte die Auswahl zwischen zehn Tassen.

Kerstin möchte als Autorin richtig durchstarten  – aber es geht nur langsam voran.

Scheitern ist immer auch eine Frage der Perspektive. Oder davon abhängt, mit wem man sich vergleicht. Ich habe vor 3,5 Jahren meine Festanstellung im öffentlichen Dienst gekündigt – und mich als Autorin selbstständig gemacht. Es war schon immer mein großer Traum Krimis zu schreiben. Nach der Elternzeit war es nicht möglich, auf meinen alten Posten zurückzukehren. Da dachte ich: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Ich habe den Sprung gewagt, ohne vorher veröffentlicht zu haben, aber mit einem gewissen finanziellen Polster im Rücken und dem Wissen, dass ich zur Not auch wieder einen anderen Job finden würde. Dennoch fiel die Entscheidung nicht leicht, mit drei Kindern und einem Haus, das noch nicht abbezahlt ist.
Verglichen mit Claudis bisherigen Erfolgen als Autorin bin ich definitiv gescheitert.

Ich bin Selfpublisherin und keine Verlagsautorin, war nie auf der Spiegel Bestsellerliste und kann noch lange nicht von meinen Einkünften leben.

Dennoch fühlt es sich für mich nicht nach Scheitern an. Ich habe mich auf den Weg gemacht und das ist für mich erst einmal ein Erfolg. Und ich hoffe, dass mein Weg mich so weit führt, dass ich als Autorin von meinen Einkünften leben kann und das mir vorher nicht die Puste ausgeht.

Seither kämpfe ich jeden Tag weiter für meinen Traum. Und manchmal ist das verdammt hart: wenn man keine Bücher verkauft, schlechte Rezensionen bekommt, eine Schreibblockade hat oder einen die Selbstzweifel plagen. Trotzdem bin ich an den meisten Tagen stolz auf mich, dass ich überhaupt den Mut hatte, diesen Schritt zu wagen. Ich lebe meinen Traum (den ich für mich lange Zeit im Rentenalter verortet hatte) und selbst wenn ich scheitere, habe ich es immerhin versucht. Das macht mich stolz.

Eine Mentorin sagte mal zu mir: Bücher schreiben ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Und noch bin ich im Rennen.

Kerstin Mohrs Krimis findest du hier.

Steffi scheitert regelmäßig daran, sich gut zu verkaufen.

Ich bin Humanbiologin und arbeite im Projektmanagement einer Diagnostikfirma. Neulich sollten wir uns unserem neuen Vorstand vorstellen und irgendwie hatte ich danach das Gefühl, vollkommenen Blödsinn geredet zu haben und mich nicht besonders gut verkauft zu haben. Aber auch die abgebrochene Doktorarbeit gehört nun mal zu mir und das auf dem Ersatzgleis landen, nachdem ich das zweite Kind bekommen habe. Weiß nicht, wie ich das hätte nett verpacken sollen…

Während der Vorstand sich vorstellte hat und erzählte, dass er fünf Kinder habe, fragte ich mich eigentlich bloß, was seine Frau beruflich machte, wie sie alles wuppe und wie das alles bei anderen geht, wenn es bei uns doch so wenig easy ist. Ich suche noch die Erfolgsspur, aber wer weiß, ob es die gibt. Neulich unterhielt ich mich allerdings mit einer anderen Mama und ihre Reaktion auf meine Arbeit war „Krass!“ Dabei fühle ich mich so gar nicht krass.

Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen.

Sonja kämpft regelmäßig gegen ihre Tante…

Ich scheitere gefühlte hundert mal am Tag: an vernünftigem Pausenbrot, an frischen Klamotten, an meiner Putz- und Einkaufsmotivation, an Fröbelsternen und Schulstoff, ich glaube, dass kennen wir alle. Mein persönlicher Endgegner ist meine “Aber-Tante” Ada. 

Heimlich habe ich das kritische Wesen in meinem Kopf Tante Ada genannt, die “Aber-Tante”, und die hält mich davon ab, Mut zu haben und was Neues auszuprobieren. Und auch etwas dranzubleiben, das nicht sofort funktioniert und erfolgversprechend ist. Die Tante sitzt gefühlt auf meiner Schulter und pflanzt klammheimlich lauter “Abers” in meinen Kopf. ABER:  was denken die anderen darüber? ABER: was, wenn sich jemand über dich lustig macht. ABER was, wenn sich jemand vor den Kopf gestoßen fühlt. ABER was, wenn ich irgendwelche Richtlinien verletze.

Ich habe zum Beispiel vor einiger Zeit einen Blog angefangen. Es hat Spaß gemacht zu schreiben, ein bisschen kreativ zu sein, Fotos posten. Ich habe einige Artikel geschrieben, habe auch einen Insta-Account angefangen und ein paar wenige Dinge gepostet. Aber Tante Ada macht ihren Job gut.

Letztes Jahr ging es uns allen, vor allem aber den Kindern nicht gut, wir waren ständig krank, der Alltag war durcheinander gewürfelt, nichts war mehr im Lot und ich habe, vor allem für meine kleine Tochter, angefangen eine Geschichte zu schreiben. Wir fanden sie alle toll und am Ende ist dann ein vollständiges Manuskript rausgekommen. Meine Familie hat vehement gegen Tante Ada angekämpft und ich habe das Manuskript an Agenturen geschickt. Aber – keine Überraschung – niemand hat sich gemeldet. Nicht mal Absagen. Mein Manuskript habe ich hinten in eine Schublade gestopft.

Die Protagonisten, der Blog, der Insta-Account, das alles schwebt immer noch in meinem Kopf. Aber immer wenn ich wieder loslegen will, kommt Tanta Ada zu Besuch.

Fotos: Foto von David Pupăză auf Unsplash/ AnnikaScheffel/ Rest privat

Claudi