Wir haben keine Sommerferien. Nie. Für mich ist das gerade schwer mitanzusehen, wie sich die Freunde unserer Kinder und ihre Familien reihum in den Urlaub aufmachen. Und wir wie immer zuhause bleiben. Geld wäre da, das ist es nicht. Aber: Wie sind Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes – und k ö n n e n einfach nicht weg…
Mein Mann und ich führen den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Familie im nördlichen Schleswig-Holstein seit 14 Jahren. Unsere Betriebszweige sind Milchviehhaltung (350 Tiere), Ackerbau (350 ha), Ackerfutterbau (150 ha) und Lohnarbeiten. Daneben sind wir Inhaber einer 2 MW Biogasanlage und in der Summe führen wir dafür vier Unternehmungen. Neben uns als Betriebsleiter gibt es drei feste Angestellte und in der Ernte bis zu sechs Aushilfen. Wir haben vier Kinder zwischen siebzehn und sechs Jahren. Dazu engagieren wir uns auch beide noch ehrenamtlich.
Es macht mich traurig, dass unsere Schulkinder in ihren Ferien sich nicht die Welt anschauen können, sondern immer Zuhause sind. Im Sommer haben bei uns die Angestellten Urlaub – und wir stemmen den Betrieb allein.
Als Paar waren wir zuletzt 2002 eine Woche im Urlaub, seitdem nicht mehr.
Wir sind damit im Freundes- und Bekanntenkreis allein. Es fällt mir zunehmend schwer, ihre Wunsch-Reiseziele und ihr Klagen über zu hohe Kosten zu hören, statt ein bisschen dankbar zu sein. Sie haben im Angestelltenverhältnis einen Urlaubsanspruch, was für ein Glück. Wie auch immer sie den für sich nutzen (können).
Dabei merke ich, dass ich dringend eine Pause bräuchte. Genau wie viele Eltern.
Mir fehlt es an Leichtigkeit. Es mangelt an Ideen, den Betrieb weiterzuentwickeln, an Geduld (gerade im Umgang mit den Kindern), an wirklichen Gesprächen mit meinem Partner.
Stattdessen mache ich mir permanent Sorgen, ob wir unsere Produkte vermarktet bekommen. Beim Gedanken an die alten Eltern, die bald noch mehr Unterstützung brauchen werden, werde ich so müde.
Aus 2022 gibt es eine Studie der Universität Göttingen mit dem Thünen-Institut und dem Deutschen LandfrauenVerband. Darin werden die täglichen Herausforderungen auf landwirtschaftlichen Betrieben geschildert. Vieles ist berufsspezifisch, anderes regionenspezifisch, vieles aber auch genauso im Alltag anderer selbstständiger Familien denkbar.
Mir ist es wichtig, die andere Seite der „LandLust“-Postkarten-Idylle zu zeigen.
Klar, wir sind immer für unsere Kinder da, aber wann hören wir ihnen bei all der Arbeit wirklich mal zu? Wir fahren die großen, coolen Trecker, von denen andere Kinder träumen, aber werden meine Kinder mit unseren Trecker-Schulden noch schlafen können?
Wir verzichten auf so viel, aber kaum jemand ist bereit, für Lebensmittel in guter Qualität einen fairen Preis zu zahlen. Kein Landwirt, den ich kenne, berechnet für sich einen richtigen Lohnanspruch – und zahlt sich den auch aus.
Wir arbeiten also auch diesen Sommer dann, wenn andere Urlaub machen und dort, wo andere Urlaub machen. Aber ich frage mich immer öfter, wie hoch der Preis dafür ist.
Danke fürs Zuhören.
Liebe Susanne, vielen Dank für deine Schilderung und plötzlich fällt mir wieder auf wie gut ich es im Angestelltenverhältnis habe. Ein guter Freund einer meiner Söhne hat auch Eltern in der Landwirtschaft. Hier ist aber die Situation eine andere, da die Mutter noch zusätzlich im Angestelltenverhältnis ist und wenigstens alleine mit dem Sohn im Sommer wegfahren kann. Sicherlich gibt es da dann auch mehr Unterstützung auf einem sicherlich auch kleineren Hof. Ich wünsche dir vom ganzen Herzen, dass die Situation dich nicht zu sehr belastet und ihr vielleicht doch irgendwie und irgendwann mal einen Sommerurlaub zusammen genießen könnt!
Danke dir für dein Feedback! Susanne freut sich total.
Und ja, alles hat definitiv seine Vor- und Nachteile.
Tut so gut, sich auszutauschen.
Alles Liebe,
Claudi
Liebe Susanne,
danke fürs Wachrütteln und Augen öffnen. Mein Großonkel hat bereits seit langer Zeit die Viehhaltung aufgegeben und sich tatsächlich nur noch auf das Notwendige beschränkt, um den Hof am Leben zu halten. Jahrelang hat er nie Urlaub gemacht, Wochenenden gab es für die Familie nicht und wer denkt, im Alter könne er ja alles nachholen könnte, benötigt erst einmal einen willigen Nachfolger, der diese Plackerei auf sich nehmen möchte. Mein Großonkel hat niemanden gefunden. Und so arbeitet er noch heute im hohen Alter, um die notwendigen Arbeiten selbst zu erledigen.
Ich könnte hier noch so viel schreiben, möchte aber einen Punkt machen: es wird Zeit, dass wir Lebensmitteln und denjenigen, die sie produzieren, wieder die nötige Wertschätzung entgegenbringen, indem wir faire Preise bezahlen und fair bedeutet, fair für beide Seiten. Geiz ist eben nicht geil.
Ich wünsche dir viel Kraft und sage Danke!
Herzlichste Grüße
Sina
Liebe Sina, danke für deine Geschichte und ganz dickes JA zu deinen letzten Sätzen!
Alles Liebe,
Claudi
Vielen Dank für deine Schilderung, die man leider viel zu selten liest.Meine komplette Verwandtschaft war/sind Bauern nur meine Eltern hatten keinen Hof.Mir wurde das als Kind (und jetzt selber als Mutter) schon sehr bewusst,wie privilegiert wir in dieser Hinsicht waren/sind. Ich habe vor diesem wichtigen Beruf solchen Respekt und bin so dankbar für all die tüchtigen Landwirte!
Es sollte viel mehr darüber berichtet werden!
Danke,dass ihr hier eine Plattform bietet!
Danke dir für dein Feedback!
Liebe Susanne, DANKE für diesen Beitrag. Ihr Landwirte tut so viel für uns alle und für unsere Zukunft. Ich drücke dir so sehr die Daumen, dass du für dich eine Lösung findest .. mir war das gar nicht so klar, wie sehr man bei so einem Betrieb auch „angehängt“ ist und wie viel Freiheiten ich genieße!! Dabei stellt man sich das immer so idyllisch vor…
Danke dir sehr fürs teilen. Würde mich sehr freuen immer mal wieder was aus deiner Perspektive zu hören.
LG
Corinna
Liebe Corinna, danke dir für dein Feedback! Ich fürchte, ich kann Susanne nicht für eine Kolumne überreden.
Sie schafft es einfach nicht…
Und auch meine ehemalige Hof-Kolumnist Frau Freudig hatte ja keine Kapazitäten mehr für uns.
Aber ich höre mich mal um. Auf jeden Fall merke ich, wie spannend es ist, hier von anderen Lebensmodellen zu lesen.
Liebe Grüße!
Claudi
Hallo,
Ich kenne die Situation. Meine Eltern hatten Landwirtschaft und wir waren auch nie im Urlaub. Ich denke aber, vor fast 40 Jahren, als ich Kind war, war das nicht so schlimm. Da hat es viele Familien gegeben , die nicht im Urlaub waren. Und es war auch nach den Ferien nicht so ein Tamtam in der Klasse, wer verreist war und wer nicht. Das ist heute schon deutlich anders.
Meine Eltern können aber auch heute noch nicht verstehen, was wir an Urlaub so wichtig finden.
Als Kind habe ich es nicht vermisst. Kann deine Probleme damit aber sehr gut verstehen.
Ich wünsche dir alles gute.
LG Claudi
So spannend, wie viele Leser einen Bezug dazu haben. Ich danke dir sehr für deine Geschichte.
Es ist so spannend, über den Tellerrand zu blicken.
Alles LIebe,
Claudi
Total interessant, warum Urlaub und Ferien so wichtig und fast schon essenziell für uns sind. Andererseits hatten doch gerade Feld und Landarbeiter bestimmt schon immer wieder Phasen im Jahresverlauf, wo es naturgemäß weniger zu tun gab und Zeit zum runterkommen war. Ich persönlich möchte nicht aufs Reisen verzichten. Das Konzept von Urlaub könnte ich eintauschen gegen einen insgesamt entspannteren Alltag. Auf Reisen lassen wir das gewohnte hinter uns, weiten den Horizont und können uns neu erfinden. Ich liebe es einfach ab und an davon zu düsen, flexibel und offen für neues zu sein. Das würde mir fehlen. Wenn ihr um eine andere Zeit im Jahr verreisen könnt, wäre es Vlt. eine Möglichkeit, dass eure Kinder im Sommer mit jemand anderen vereisen oder an einer Freizeit teilnehmen, Respekt für eure tolle Arbeit!
Lg, Susi
Liebe Susi, danke für deine Worte! So spannend das Thema.
Ich bin auch reiseverrückt. Also gar nicht so Urlaubs-Pool-Abhängverrückt, sondern viel mehr unglaublich neugierig auf die Welt.
Von daher wäre Landwirtschaft überhaupt nicht meins (auch wenn ich mir das als Kind immer ausgemalt habe.)
Alles Liebe,
Claudi
Naja, Susannes Familie hat ja neben der Ackerwirtschaft auch noch Viehhaltung und damit hat man ja nie wirklich Pause. Denn die Tiere haben eben täglich Hunger, müssen gemolken bzw. versorgt werden. Da hat man einfach keine Pause.
Liebe Susanne, vielen Dank für deinen wichtigen Artikel. Auch wir haben Landwirtschaft (wenn auch nur noch im Nebenerwerb) und die Woche Urlaub pro Jahr mit meinen Mann und den Kindern ist „teuer erkauft“. Gerade bei meinen Schwiegereltern stoßen wir auf viel Unverständnis. Im Vorfeld ist vieles zu organisieren….nach dem Urlaub ist viel nachzuarbeiten …herzliche Grüße
So spannend, mehr darüber zu erfahren. Danke für diese Gedankenanstöße!
Alles Liebe,
Claudi
Liebe Susanne, vielen Dank für deinen Beitrag. Und vielen Dank an dich und an all die vielen Landwirte und Landwirtinnen, die so viel Mühen und finanzielle Unsicherheiten in Kauf nehmen und unsere Ernährung sichern. Ich versuche mich immer daran zu erinnern beim Einkauf, bei uns gibt es z.B. nur die Milch einer großen bayrischen Genossenschaft, von der ich weiß bzw hoffe, dass die Bauern davon leben und auch planen können. Was wäre denn neben den fairen Preisen noch eine Hilfe für euch? Ich wünsche dir und deiner Familie so sehr, dass ihr eine Lösung finden könnt wie ihr Familie und Beruf hinbekommt. Liebe Grüße aus Bayern, Susanne
Oh, so liebe Worte! Ganz liebe Grüße von Susanne, sie freut sich über so viel Rückmeldung und Anerkennung!
Vielen Dank für deinen Beitrag! All zu oft wird bei Landleben nur an das „Landlust“-Bild gedacht.
Ich bin selber auf einem landwirtschaftlichen Betrieb mit Ackerbau und Tierhaltung aufgewachsen. Gemeinsame Sommerurlaube gab es nicht, aber unsere Eltern haben uns immer Ferienfreizeiten ermöglicht, oder wir sind bei Freunden mitgefahren, und unsere Mutter (selber sehr reisefreudig) ist mit uns öfter außerhalb der Kernzeiten weggefahren, wo mein Vater sich allein um die Tiere kümmern konnte. (inzw. wurde die Tierhaltung aufgegeben)
Als Kind habe ich das nicht vermisst, da es vielen in meinem Freundeskreis so ging.
Aber auch ich sehe jetzt bei meinen Kindern wie wichtig es ist Erlebnisse vorweisen zu können.
Wie bei allen Arbeiten ist aber auch die landwirtschaftliche wesentlich komplexer und umfangreicher geworden und „mal eben“ für eine Woche Sommerurlaub an Betriebsfremde Personen zu übergeben, gerade bei Tierhaltung, ist kaum machbar.
Ich wünsche euch, dass ihr einen Weg findet euch Auszeiten zu schaffen und diesen in meinen Augen so wichtigen und immer noch reizvollen Job und Lebensaufgabe weiter zu machen!
Ich danke dir sehr für deine Geschichte! So spannend.
Susanne bedankt sich ebenfalls ganz herzlich.
Alles Liebe,
Claudi
Vielen Dank für deinen Bericht, liebe Susanne! Und auch danke an Claudi und das wasfuermich-team, dass er hier Platz hat.
Ich wünsche dir viel Kraft , Zuversicht und alles Gute und ja, umbedingt auch die Möglichkeit für Auszeiten!
Danke! Habe gerade mit Susanne geschrieben und sie freut sich so sehr über eure Anerkennung und lieben Worte!
Ich komme indirekt aus der Landwirtschaft. Zu DDR-Zeiten haben meine Eltern und Großeltern in der LPG (landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) gearbeitet, nach der Wende lohnte unser eigener Landbesitz nicht für einen eigenen Betrieb und so war mein Vater bis heute Landmaschinenverkäufer. Aufgrund der Kulanz des Chefs bekam mein Vater in den Sommerferien zwei Wochen Urlaub, weil er mit uns Töchtern schulpflichtige Kinder hatte und weil die Mechaniker wichtiger waren als der Verkäufer. Das bedeutet aber auch für die Mechaniker, dass diese im Sommer Urlaubssperre haben, weil die Landmaschinen während der Ernte einfach schnell kaputt gehen und dann eben repariert werden müssen. Von daher wundere ich mich über den Absatz, dass die Angestellten während der Ernte, die ja in die Sommerferien fällt, Urlaub machen dürfen. Wenn die Angestellten während der Ernte keinen Urlaub nehmen dürften, wäre ja etwas mehr Luft für die Familie da.
Auf jeden Fall ist arbeiten in der Landwirtschaft ein Knochenjob, d er nie zu Ende geht. Und in den letzten Jahren leider immer weniger wertgeschätzt wird. Oder verromantisiert wird. Beides ist nicht hilfreich.
Liebe Grüße und alles Gute für Susanne und ihre Familie