Natürlich bin ich auch schon mal die nervigste, ätzendste, furchtbarste Mutter der Welt. Mit der man nicht reden, nicht leben kann. Aber dann bin ich eben auch wieder Mama. Mit der man lang und breit über Geschichten quatschen, Tridom spielen und eigentlich doch ganz gut unter einem Dach sein kann. “Zwischen Baum und Borke” hat eine Freundin diesen Zustand kürzlich genannt: Mein 11-Jähriger ist kein Kind mehr – aber auch noch nicht wirklich ein Teen. Ein Dazwischen-Alter. Ein ambivalente Phase, für ihn und für mich auch, und dennoch ziemlich schön…

Mein Kind ist auf dem Absprung in die Eigenständigkeit eines Lebens, in dem Eltern höchstens noch als Nervfaktoren eine Rolle spielen. Das ist der Gang der Dinge. Aber gerade sind wir da noch nicht. Mein Sohn ist zwar so selbständig, dass er sich problemlos mit Bergen von Rührei und gebratener Fleischwurst versorgen und solo mit dem Bus durch die Gegend gondeln kann. Aber eben noch nicht so unabhängig, dass er gar nicht mehr nach Hause kommen würde.

Wir führen gerade ein Familienleben auf der Schwelle: Mit dem Besten aus der Kindheit – und dem schlechten Vorgeschmack auf die Pubertät.

Gerade ist mir die Endlichkeit unserer engen Mutter-Kind-Beziehung sehr bewusst – umso mehr kann ich sie meist genießen. Vielleicht sogar mehr als jemals zuvor. Weil mein Sohn es mir gerade so leicht macht. Ein Kind zu haben, dass nicht mehr permanent von mir Aktion fordert, sondern nur punktuell meine Aufmerksamkeit braucht, ist mir gerade ein Fest.

Bis genau dieses Kind es mir plötzlich schwerer macht als jemals zuvor: Mich und meine Autorität in Frage stellt, mir sehr deutlich meine erzieherischen und menschlichen Grenzen aufzeigt. Puh – das ist wie Pogo zwischen zwei Polen!

Vielleicht sammle ich daher gerade ganz bewusst unsere gemeinsamen Momente – weil sie in Zukunft rar werden könnten.

Eine Runde SkipBo nach den nervigen Hausaufgaben. Abends ein Kapitel aus “Tintenherz” vorlesen – und dann noch zwei hinterher, weil wir es beide so spannend finden. Nur zu zweit ins Kino. Eine unerwartete Umarmung von einem ziemlich großen Kind, das mit seinem Scheitel schon meine Nasenwurzel kitzelt.

Obwohl ich gefühlt schon so lange darauf warte, dass mein Kind groß wird, will ich jetzt plötzlich lieber mit angezogener Handbremse in die nächste Phase steuern. Auskosten, was vielleicht unwiderruflich verloren geht. Wenn es nicht mehr cool ist, mit seiner Mutter zu sprechen. Überhaupt zu sprechen oder menschliche Regungen zu zeigen. Von Umarmungen ganz zu schweigen.

Für meinen Sohn ist dieses Dazwischen bestimmt noch deutlich herausfordernder.

Ich muss nur mein Mutter-Herz wappnen – er sich für ein ganz neues Leben, das noch nicht richtig greifbar ist und sich dabei ebenso aufregend wie furchteinflößend anfühlt. Daran zumindest kann ich mich noch gut erinnern. Auch wenn wir für unser Miteinander keine richtigen Worte haben – ich glaube wir fühlen beide diese Endlichkeit. Dieses jetzt-noch-schnell-auskosten-bevor-alle-anders-wird. Und das mündet gerade öfters als sonst in einer Innigkeit, die ich eigentlich schon verloren glaubte. Was nicht heißt, dass danach nicht direkt lautstark eine Tür geschmettert wird.

Manchmal ist es, als würden wir fester als nötig an alten Gewohnheiten festhalten. Und manchmal, als könnten wir nicht schnell genug auseinanderdriften. Dann wird ihm alles zu viel mit mir und mir mit ihm auch, dann schreien wir uns an und kehren uns unversöhnlich den Rücken zu. Dann sehe ich den Aufbruchsgeist in ihm und er in mir den Bremsklotz.

Nein, ich warte nicht unbedingt sehnsüchtig auf die echte Pubertät.

Auf Missverständnisse, Misstrauen und all den ganzen anderen Mist. Aber ich glaube, gerade festigen wir noch mal unser Band. Und damit die Hoffnung, nur mit Bagatelle-Blessuren da durchzuschlingern – und nicht auf einen Crash der Generationen zuzusteuern. Gerade suchen wir jedenfalls öfters als sonst aneinander Halt, als hofften wir beide insgeheim, dass er uns gut durch die kommenden wilden Jahre trägt.

Eigentlich ist ein Dazwischen oft anstrengend, weil so unentschieden. Zwischen den Stühlen. Zwischen zwei Männern. Zwischen den Welten. Aber diese Zwischenzeit mag ich gerade, WEIL sie so unentschieden ist. Und unserer Beziehung gerade ganz viel Spielraum lässt.

Wie ist es bei euch? Habt ihr auch ein Kind in diesem Dazwischen?

Alles Liebe,

Katia