Für mich mit das Schönste am Sommer? Das Licht. Ganz generell und im Besonderen. Vor allem abends, wenn es so lange hell ist, dass ich um neun auf der Terrasse noch mein Buch aufschlagen und im Licht des flammenden Abendrots lesen kann. Überhaupt bin ich in den vergangenen Jahren mehr und mehr zum Sommer-Leser geworden – im Winter ergebe ich mich mittlerweile gern den Streaming-Diensten. Vielleicht, weil ich in der dunklen Jahreszeit mit Lektüre auf der Couch eh immer einschlafe. Aber jetzt an lauen Sommerabenden lass ich mich am allerliebsten von Büchern unterhalten – und werfe fix mein Kopfkino an. Hier kommen acht Tipps für euch (die auch garantiert auf dem Balkon, im Park, am Strand oder im Bett funktionieren…)

Ja, ich bin lange drum herumgeschlichen. Aber nur, weil ich solchen Respekt vor den 800 Seiten hatte. Auf den Roman und seine Geschichte hatte ich bereits seit Erscheinen unbändige Leselust. Zurecht: Der neue Pageturner von Jonathan Franzen, ist einfach eine Wucht! Und es lohnt sich jede einzelne Seite.

“Crossroads” ist eine famos komponierte Familiengeschichte im Zeitspiegel der frühen 70er-Jahre.

Da kommt für mich jede Menge Gutes zusammen: Ich liebe die US-amerikanischen Geschichtenerzähler, Romane über komplexe Familiengeflechte und die Hippie-Ära sowieso. Das Buch erzählt von den Hildebrandts, einer Pastorenfamilie in Chicago – und zwar aus den Perspektiven der unterschiedlichen Familien-Mitglieder an einem einzigen Tag. Da ist Russ, der Pastorenvater, der sich in eine Affäre stürzt, seine Frau Marion, die ein geheimes Leben offenbart und Perry, ihr hochbegabter und labiler Sohn, der Drogen an Siebtklässler vertickt und selbst in die Sucht abdriftet.

Lange hat mich kein Buch mehr so gepackt hat, jeden Abend habe ich mir selbst noch ein Kapitel abgerungen und dann noch eines. Weil ich Sprache und Stimmung so mochte. Weil es eigentlich eine Geschichte über eine ganz alltägliche Familie ist – mit ihren Geheimnissen und Bündnissen, mit ihren Abgründen, Wünschen und ihrem Scheitern. Und weil ich jeden einzelnen von ihnen auf ihre verschrobene Art mochte – auch wenn sie bei weitem nicht alle Sympathieträger sind. Außerdem hatte ich dabei die ganze Zeit den Impuls, meiner 70er-Jahre-Singer-Songwriter-Vinylsammlung wieder vom Dachboden zu holen. Ganz große Leseempfehlung! Der Roman ist übrigens Auftakt zu einer Trilogie – der Lesespaß hat also gerade erst begonnen…

Wo ist man eigentlich “Daheim”?

Die namenlose Frau in Judith Hermanns schmalem Roman befindet sich in einer Art Dazwischen-Zustand – inmitten eines Vor- und eines Nachhers. Im Davor ist ihre einzige Tochter ausgezogen und sie hat ihren Mann verlassen, einem versponnenen Sammler. Und jetzt ist sie allein, irgendwo am ostfriesischen Meer in einem karg möblierten Haus und sucht. Nach sich, nach Freiheit, nach Aufbruch in ein Danach. Doch in dem kleinen Dorf bleibt sie nicht lang für sich – sie beginnt eine vorsichtige Affäre, findet eine neue Freundin – und vielleicht ein neues Daheim. Habe ich an einem sonnigen Nachmittag weggelesen – und hätte am liebsten wieder von vorn losgelegt, um mir jeden Satz noch mal so richtig auf der Zunge zergehen zu lassen.

Seitdem ich Judith Hermann von ihrem großartigen Erzählband “Sommerhaus, später” kenne, bin ich ihr und ihrem Schreiben rettungslos verfallen. In ihren spröden Geschichten entfaltet sich eine Schönheit, in der kein Wort zu viel, kein Wort zu wenig steht, es ist immer atmosphärisch, beinahe plastisch. Ich konnte mir bislang nie wirklich vorstellen, einen Roman zu schreiben. Aber wenn ich es tun würde, dann gern im Stil von Judith Hermann…

“Alles wird gut” – und natürlich ist das eine dicke, fette Lebenslüge.

Es macht zumindest nicht den Anschein, als würde bei Elin, Mitte 50 und Allgemeinärztin, demnächst alles wieder gut werden. Sie wohnt heimlich in ihrer eigenen Praxis, hat eine zunehmend komplizierte Affäre mit ihrem Jugendfreund und dafür ihren Mann sowie ihre gemütliche urbane Wohlstandsehe hinter sich gelassen. Immerhin betrinkt sie sich seitdem nicht mehr Abend für Abend mit Wein aus Gläsern von der Größe eines Goldfischglases. Dafür unterhält sie sich angeregt mit dem Skelett, das in ihrer Praxisecke steht oder geigt ihren nervigen Patienten endlich mal gepflegt die Meinung…

Ich hab Nina Lykke über ihren Vorgänger-Roman “Aufruhr in mittleren Jahren entdeckt” entdeckt – und auch “Alles wird gut” dreht sich wieder genau um die Midlife-Crisis einer wohlsituierten Großstädterin, die ihr Leben in Scherben schlagen muss, um sich noch einmal ganz neu zu sortieren. Ich musste beim Lesen dauernd laut lachen, weil ihre Beobachtungen so präzise sind, ihre Dialoge derart witzig und auf den Punkt. Auch bestimmt perfekte Strandlektüre!

“Wenn du noch ein Sommerbuch suchst”, schrieb mir mein Freund F. kürzlich per SMS “lies Der Papierpalast“.

Und weil F. und ich meist den gleichen Buchgeschmack haben, bin ich seiner knappen Empfehlung gern gefolgt. Was soll ich sagen? Der Debüt-Roman von Miranda Cowley Heller hat mich absolut umgehauen! Weil “Der Papierpalast” wie eine dieser irre guten Serien ist, die man in einer Nacht wegbingt, weil man nicht schlafen kann, bevor man nicht weiß, wie die Geschichte ausgeht. Das mit der Serie kommt vermutlich nicht von ungefähr: Die Autorin hat in ihrem ersten Leben bei HBO Serien wie “Die Sopranos” oder “Six Feet Under” verantwortet…

Erzählt wird die Geschichte von Elle, ebenfalls um die 50 – die heftigen Sex mit ihrem Jugendfreund Jonas hat, während ein paar Meter weiter ihre Familie im Sommerhaus auf Cape Cod ahnungslos den Sommerabend genießt. Die Geschichte springt mitreißend zwischen Vergangenheit und Gegenwart und lotet ebenfalls die drängenden Fragen in der Lebensmitte aus: Bleibe ich mir und meinem Leben treu – oder wage ich ein anderes, nach dem ich mich schon lange sehne? Der Auftakt des Romans ist bereits ein Kracher – aber das Ende toppt alles. Und dazwischen liegen 440 Seiten, auf denen man komplett in die Geschichte versunken mitfiebert, lacht, leidet. Könnte in meinem Leseherzen den Platz nach “Der Gesang der Flusskrebse” einnehmen.

Im Sommer, wenn es warm ist, stehe ich gern “Barfuß in der Küche”.

Aber bevor ich mit nackten Füßen am Herd wirbele, muss ich erstmal eine Idee haben, was ich überhaupt kochen will. Und weil mich Kochbuch-Lektüre immer wahnsinnig entspannt, habe ich unsere familiäre Meal-Prep-Planung auf den Feierabend geschoben. Wenn ich durch Claudis tolles Familien-Kochbuch blättere – Teil zwei erscheint übrigens im Herbst – stöbere ich nicht nur gern durch die 99 herrlich alltagstauglichen Rezepte, sondern auch durch die vielen Geschichten, die sie dazu aufgeschrieben hat: Über Rituale als Stärke in der Familiensoße, über das Restaurant in der eigenen Küche und das Geheimnis lässiger Gastgeber.

Obwohl das Buch jetzt schon so lange in meinem Kochbuchregal wohnt, finde ich immer neue Ideen, Tipps, Tricks – und Rezepte. Warum beispielsweise das Pannacotta mit Fruchtsoße und Meeresmandeln an mir vorbeigegangen ist, kann ich mir einfach nicht erklären. Und die mexikanische Fiesta haben wir auch immer noch nicht gefeiert. Insofern: Es lohnt, das Buch immer und immer wieder aufzuschlagen. Hier geht’s direkt zum Shop.

Was liegt noch auf eurem Sommerlese-Stapel? Ich brauche bald Nachschub…

PS: Ich muss diesen Post wegen der Verlinkungen als Werbung kennzeichnen. Dennoch sind all diese Empfehlungen meine persönlichen und entspringen keiner Kooperation – einen Teil der Bücher habe ich einfach in meiner örtlichen Bücherhalle geliehen…

Alles Liebe,

Katia