Bevor ich eigene Kinder bekam, hatte ich schon ziemlich genaue Vorstellungen davon, wie ich sie irgendwann erziehen würde. Davon, wie unser Alltag als Familie wäre: Selbstverständlich rollenklischeefrei und geschlechterneutral. Keine Rosa-Blau-Falle, keine Mädchen-mögen-Ponys-und-Jungs-Fußball-Steilvorlagen. Tja, nun. Die Wand im Kinderzimmer meiner Tochter ist Altrosa gestrichen, die im Zimmer meines Ältesten Graublau. Und während wir unseren Sohn zweimal wöchentlich zum Fußballtraining gondeln, freut sich meine Mittlere immer die ganze Woche auf ihren Reitunterricht…

Familie ist das größte Learning, dass alles immer ganz anders kommt als gedacht. Anders als gewünscht. Denn man kann sich vorab noch so viele Gedanken machen – die Kinder haben eben ihren eigenen Kopf. Ihre eigene Persönlichkeit, die oft weit entfernt von jeglichem Idealbild ist, das man sich vorab zusammenfantasiert.

Familie ist kein Bildungsbürgertum-Ideal, Familie ist nicht so woke wie Insta-Accounts beige sind.

Familie und ihre Dynamiken sind eher wie das Paw-Pawtrol-Plüschtier neben dem handgefilzten Teddybären. Durchschnittlich genderkonform, klischeehaft, stereotyp. Dabei hatte ich mir wirklich viel Mühe gegeben: Hatte meinem Erstgeborenen auch Puppen ins Kinderzimmer gelegt, ihn zum Ponyreiten gebracht, ihm Bastelutensilien unter die Nase gehalten. Vergeblich. Sein liebstes Spielzeug waren Autos und bald darauf ein Ball, dem er hinterherrennen konnte. Heute besteht sein größter Schatz aus diversen Match-Attaxx-Sammelalben, in denen er stundenlang Fußballer nach mir verborgenen Kriterien sortiert. Und, nein: Mein Mann ist auch kein glühender Fußball-Fan, also nix mit familiärer Prägung.

Aber nach drei Kindern und zehn Jahren Elternschaft bin ich klug genug zu wissen, dass es Wichtigeres gibt, als Kinder idealisieren zu wollen. Sie zu Menschen erziehen zu wollen, die sie in Wahrheit nicht sind. Denn geht es bei diesen ganzen Stereotyp-Debatten wirklich um die Kinder? Oder eher um die Eltern, die sich damit profilieren können, dass ihr Sohn auch im Röckchen in die Kita geht? Die sich damit vor anderen Eltern brüsten können, in der Erziehung alles richtig gemacht zu haben? Denn Durchschnitt ist doof, es soll lieber das Besondere sein. Und sei es, dass Kinder schon in der Kita gendersensibel sprechen lernen.

Kürzlich war ich mit meiner Tochter shoppen. Und auch noch bei H&M.

Denn meine Mittlere steht nicht auf biozertifizierte Fairtrade-Kleider dänischer Design-Labels, sondern auf Glitzer. Auf sehr viel Glitzer, weswegen sie in der Kinderabteilung fast Schnappatmung bekam, weil all die Plastikpullover und Shirts um die Wette funkelten. Und wisst ihr was? Es hat mir verdammt viel Spaß gemacht – so ein typisches Mädchen-Ding, das ich früher eher verächtlich abgetan hätte. Sachen anprobieren und meine Tochter sagen hören: “Mama, das sieht aber hübsch aus.” Oder zusammen schmachtend vor schönen Schmuck-Auslagen zu stehen.

Dabei bin ich eigentlich gar keine passionierte Shopping-Mom, im Gegenteil. Aber ich merke eben: Das ist so eine Sache, die ich von meinen Kindern nur mit meiner Tochter teile. Die nur uns beiden Freude macht. Und ist es dann nicht eigentlich völlig egal, ob es klischeebehaftet ist? Ist etwas, nur weil es gendertypisch ist, automatisch schlecht? Ich war einfach froh, dass wir es mal wieder geschafft haben, uns ein paar Momente zu zweit zu gönnen. Der Rest war für mich irgendwie zweitrangig.

Natürlich kann ich mir auch Schöneres vorstellen, als fast jedes Wochenende um die Fußballturniere meines Großen herum zu planen.

In meiner Fantasie würden wir die Sonntage eher gemeinsam mit einem Buch in der Hand auf der Gartenliege verbringen als zwischen fußballbesessenen Eltern, die den Schiri beschimpfen. Mein Sohn aber liebt genau diese Welt, lebt für genau diese Welt. Und wenn es eine typische Jungs-Sache ist – so what? Fußball ist eine universelle Sprache, die die meisten Jungs sprechen. Ein gemeinsamer Nenner, auf den sich die meisten einigen können, ein Thema, ein Türöffner. Es ist klischeehaft – aber es macht meinen Sohn so glücklich wie nichts anderes auf der Welt. Und ich finde, nur das zählt.

Klar erklären wir den Kindern dabei immer wieder, dass nicht alles normkonform zu sein braucht. Das man nicht etwas gut finden/haben/machen muss, weil es alle machen. Und dass es Stärke erfordert, gegen den Strom zu schwimmen. Oder die Unbeschwertheit eines Kleinkinds. Mein Jüngster trug tatsächlich eine Weile den abgelegten Glitzerrock seiner Schwester – sogar auf ihrer Einschulungsfeier (“Ich mach mich schick, Mama!”). Aber es war nur eine Phase. Und jetzt? Ist er das wandelnde Klischee eines vierjährigen Jungen: Liebt Dinos, Krach und Raufen. Und ich lieb ihn dafür wie verrückt. So richtig typisch muttermäßig doll.

Sagt doch mal: Entsprechen eure Kinder einem Klischee – und habt ihr auch viele Prinzipien über Bord geworfen?

Alles Liebe,

Katia