Kürzlich war ich mit einer Freundin und unseren beiden Vierjährigen auf dem Spielplatz. Beide Jungs sind die dritten von drei Geschwistern – und definitiv die letzten, wie wir uns an diesem Nachmittag wieder einmal versicherten. Denn Hände hoch, wer’s nicht kennt: Beim letzten Kind geht einem im Alltag manchmal die Puste aus…
Und so saßen wir zwei Mamas in der Sonne, quatschten, lachten – und waren heilfroh, dass sich unsere Söhne selbst beschäftigten. Kam doch einer von ihnen an, um wahlweise geschaukelt, geseilbahnt oder karuselliert zu werden, verwiesen wir immer freundlich an das jeweils andere Kind: “J. macht das schon – der kann das viel besser als wir!” Irgendwann hatten die Jungs jemand Willigeren ins Auge gefasst als uns: Eine Mutter, die ebenfalls mit ihrem Kind auf dem Spieli war – und deutlich engagierter als wir mitmachte…
“Was denkt die Mama jetzt wohl von uns…?”, fragte meine Freundin, nachdem wir mitverfolgen konnten, wie die andere unsere Jungs ohne Ermüdungserscheinungen auf dem Karussell und der Seilbahn anschob, sogar mit ihnen ticken spielte – und zwischendurch immer wieder zu uns rüberlinste.
“Nichts Gutes”, meinte ich und musste wieder lachen. Ich versuchte, uns durch ihre Augen zu sehen: Zwei Mütter, die offenbar zu bequem waren, Zeit mit ihrem eigenen Nachwuchs zu verbringen. Die sich lieber miteinander um Kopf und Kragen redeten, kaum ein Auge für die Kinder hatten und offenbar kein gesteigertes Interesse daran, an deren Spiel teilzuhaben. “Und dann zeigen wir uns auch noch dauernd gegenseitig Sachen auf unseren Handys”, kicherte meine Freundin. Uns war klar: Wir waren echte Flodder-Muttis! Zumindest von außen betrachtet.
Nur: Die anderen kennen den Kontext ja nicht. Wissen nicht, dass wir eben schon seit über zehn Jahren wiederholt auf Spielplätzen rumhängen, empathisch Sandkuchen probiert, stundenlang Schaukelanschwung und unter dem Klettergerüst Trittanleitungen gegeben haben. Um am Ende zu merken: Das meiste können die Kinder ganz gut allein – und noch viel besser mit Spielkumpanen. Die Lässigkeit der letzten Kinder. Und die der erfahrenen Mamas.
Und doch maßen sich gerade Mütter häufig an, andere Mütter zu beurteilen, zu verurteilen, ohne den Zusammenhang zu kennen. Mal leise – und oft ungefragt laut.
“Also bei MIR kommen Kinder immer an erster Stelle…!” “Was, ihr habt noch nicht geimpft…?!” “Du weißt schon, dass da total viel Zucker drin ist, oder…? Mom-Shaming hat viele Facetten – und immer kann ich die drei vielsagenden Pünktchen am Ende von Fragen, Feststellungen und Meinungen hören. Den Vowurf es verkackt zu haben. Mindestens. Im Gegensatz zu der Klägerin, die über alle Zweifel erhaben scheint.
“Boah, was für eine Helikopter-Mom, die soll sich mal entspannen…!” Yap, natürlich habe ich so etwas auch schon mal gedacht (gern als gedankliche Replik auf einen ungebetenen Hinweis einer Besserwisser-Mutti). Oder dass ich dem Quengel-Kind an der Supermarktkasse sicherlich NICHT den herbeigeschrienen Schokoriegel gekauft hätte – “So viel Erziehungsprinzipien sollten schon sein…”
Aber was weiß denn ich? Vielleicht hat die andere Mutter seit Wochen nicht durchgeschlafen, ist im kritischen Zustand eines Mombies angelangt – und will nur noch ihre Ruhe?
Und dass die Kinder im Restaurant neben mir ohne Unterlass auf dem Tablet daddeln? Vielleicht wollen die Eltern mal mehr als zwei Sätze am Stück miteinander wechseln. Oder einfach ohne Unterbrechung ihr Essen genießen. Ist völlig legitim – und geht mich vor allem auch nichts an.
Denn eigentlich sind wir Mütter alle doch ein Team. Team Müde. Team Liebe. Team (Für-)Sorge. Wir sollten uns gegenseitig stärken, nicht schwächen, nur weil die eine andere Prioritäten als die andere hat. Andere Prinzipien. Andere Umstände, von denen wir nichts wissen. Der Spiegel hat das Phänomen vor einiger Zeit sogar mal “Der Krieg der Mütter” getauft. Muss das denn sein? Und vor allem: Warum?
Vermutlich funktioniert es aus den gleichen Beweggründen wie Lästern zu Teenie-Zeiten: Man fühlt sich überlegen, für den einen Moment smarter, lässiger, liebevoller, BESSER.
Und manchmal brauchen wir in diesem irrsinnigen Familientheater vielleicht genau die eigene Bestätigung, alles richtig, gut, von ganzem Herzen zu tun – um Oberhand über die Zweifel zu gewinnen, die man als Mutter naturgemäß immer hat. Ob man den Kindern all das gibt, was sie brauchen – Liebe, Zuwendung, das gesündeste Essen, die richtige Förderung. Oder ob wir das alles nicht noch viel besser und engagierter machen könnten, die ewige Optimierungsfrage.
Beim Mom-Bashing klopfen wir uns also selbst auf die Schulter – “Alles richtig gemacht…!” Aber natürlich ist das viel zu kurz gedacht. Denn durch Lästern wurde schon zu Schulzeiten nichts besser. Insofern: Lasst uns doch lieber sehen, was wir Mütter alle tagtäglich rocken, ganz gleich wie. Lasst uns anerkennen, dass wir alle gute und schlechte Tage haben, unterschiedliche Erziehungsstile – und dass wir unsere Kinder am besten kennen und nicht ungebetene Ratschläge von anderen brauchen.
Übrigens habe ich nach der Spielplatzchose später gedacht: Vielleicht fand uns die andere Mama auch gar nicht so flodderig.
Sie hat nämlich keinen Ton gesagt. Wir haben einfach angenommen, dass sie so (schlecht) über uns denkt. Vielleicht hatte sie aber auch einfach großen Spaß daran, mit drei kleinen Kindern über den Spielplatz zu flitzen, ganz ohne Hintergedanken. Was wissen denn wir…? Nein, ich bin auch nicht frei von voreiligen Annahmen, Urteilen und Meinungen. Aber ich habe mir ganz fest vorgenommen, darauf in Zukunft noch mehr zu achten.
Ich bin so neugierig: Was waren die schlimmschönsten Mom-Bashing-Kommentare, die ihr euch schon anhören musstet…?
Foto: Shutterstock
PS: Es gibt sogar ein ganzes Buch zu dem Phänomen – “Stop MomShaming”.
Alles Liebe,
Hallo Katia, mein schlimmster war…Du bist eine Rabenmutter…weil ich bis 15.00 Uhr gearbeitet habe. Ich frag heute noch manchmal die Tocher,ob es ihr geschadet hat. Es ist eigentlich seltsam was unbedachte Worte anrichten können. Das ist manchmal schlimmer als Ohrfeigen. Liebe Grüße von Elke
Hej liee Elke, manchmal reichen ein paar Worte, um uns bis ins Mark zu treffen. Rabenmuter ist so ein No-Go-Wort, das man niemals von anderen hören sollte! Kann ich total nachfühlen, dass das schlimm war! Alles Liebe, Katia
Hallo Katia, ehrlich gesagt habe ich im ersten Moment gedacht vielleicht ist die andere Mutter auch ein bisschen neidisch auf euch beide. Ich bin in meiner ersten Elternzeit mit meinem Mann in ein anderes Bundesland gezogen und war anfangs auch immer alleine auf dem Spielplatz bis sich Freundschaften entwickelt haben. Ich habe eher sehnsüchtig auf Muttis geschaut die zu zweit auf dem Spielplatz waren und jemand erwachsenes hatten mit dem sie sich unterhalten konnten 😊 LG Dani
Hej liebe Danica, das ist auch ein spannender Gedanke – das mag sein. Was ich damit in jedem Fall illustrieren wollte: Wir können nicht wissen, was fremde Mütter umtreibt. Was sie in letzter Zeit erlebt oder durchgemacht haben, was ihre Prioritäten sind. Ja, vielleicht hättenm wir die andere Muter einladen sollen, sich zu uns zu setzen. Allerdings hatten wir Freundinnen uns schon so lange nicht mehr gesehen und gesprochen, dass wir die Zeit ganz egoistisch für uns haben wollten. Danke für deinen Impuls! Alles Liebe, Katia
Hallo, ich war hochschwanger mit meinem damals 2 jährigen Sohn auf dem Spielplatz. Dabei seine heiß geliebte rote Schaufel, die ihn sogar ins Bett begleitet hat. Da kam eine Mutter mit ihrem Kind und fragte mich, ob es die Schaufel haben kann. Unsicher, wie mein Sohn heute zur Schaufel stand, meinte ich, das soll sie am besten meinen Sohn fragen. Der sagte prompt nein und schnappte sich seine Schaufel, da guckte mich die Mutter an und meinte: Na sowas, das muss er wohl noch lernen zu teilen, das sollten sie ihm aber schnell bei bringen, sonst wird das nichts bei Ihnen mit der Geschwisterliebe! Ich war sprachlos über so viel Einmischung! Konnte sie doch gar nicht abschätzen, was die Schaufel für ihn bedeutete. Übrigens ist er jetzt elf und die kleine Schwester neun und es wurde doch etwas mit der Geschwisterliebe!
Hej liebe Kathrin, wahhhh! O, andere Mütter können echt die Pest sein!! Du hast mein vollstes Mitgefühl, wäre ich hochschwanger (und vollgepumpt mit entsprechenden Hormonen gewesen) – ich hätte vermutlich direkt losgeheult! So was von distanz- und respektlos! Wie schön, dass sie nicht recht bekommen hat – Geschwisterliebe ist was Feines (hier nämlich gerade eher Geschwisterhiebe… 😉 Alles Liebe, Katia
Liebe Katia,
Ich habe von anderen Müttern zum Glück noch nie irgendwelche blöden Kommentare erhalten, die mir in Erinnerung geblieben sind.
Meine Schwiegermutter schaffte es aber immer wieder mir das Gefühl zu gehen, dass es den Kindern an so einigen fehlt: Warme Kleidung, genug Creme auf dem Hintern, Schüssler Salzen, einem Laufstall und genügend Fürsorge bei Verletzungen aller Art. Jedes Mal, wenn sie dort einen Nachmittag verbrachten wurde ich hinterher belehrt. „X/Y hat so eine rote Stelle am Fuß. Ich hab das mal eingecremt, verbunden…. Ist dir das aufgefallen???“. Irgendwann bin ich dazu übergegangen meinen Mann zum Abholen der Kinder zu schicken.
Ich vermeide es generell andere zu belehren oder zu verurteilen. Das Leben und die Lebensumstände sind zu bunt, um zu beurteilen, was woanders schiefläuft. Wenn die Kinder aus dem Kleinkind Alter raus sind, geht es meistens munter über vom mum
bashing zum Kids bashing. Da muss man auch sehr vorsichtig sein, wie man über Klassenkameraden der Kinder urteilt. Habe mir vorgenommen, zumindestens mit anderen Müttern nicht über andere Kinder zu lästern/zu urteilen. Ich bin diesbezüglich leider auch nicht unanfällig.
Danke für deine Impulse und lieben Gruß, Mathilda
Hej liebe Mathilda, oha, Schwiegermütter können definitiv ähnlich penetrant kommentieren und sich einmischen – mit dem Unterschied, dass sie als Familienvertraute natürlich wissen, wo man den Stachel anzusetzen hat. Ich würde ausrasten! (Halleluja, ich liebe ich Schwiegermutter sehr – unter anderem deshalb, weil sie sich aus unseren Angelegenheiten dezent raushält 😉 “Ist dir das aufgefallen…?” Herrlich passiv-aggerssiv! Da würde ich ähnlich wie du einen großen Bogen drumherum machen… Und spannend, dass du das Kids Bashing mit einbringst, das ist mir in letzter Zeit auch häufiger aufgefallen. Ich denke, es ist in jedem Kontext wichtig, immer schön bei sich und seinen eigenen Angelegenheiten zu bleiben. Fällt mir selbst auch nicht jeden Tag leicht. Alles Liebe, danke für deine guten Gedanken, Katia
Hallo liebe Katja,
Zum Glück habe ich nie von anderen Müttern solche Komentare bekommen…..aber einmal, als die Kinder noch ziemlich klein waren (4u. 1 Jahre ) ging ich mit ihnen spazieren., da kam ein älterer Herr auf mich zu und meinte; Was ! Sie sind sooo jung und haben schon zwei Kinder, dass darf doch wohl nicht wahr sein…..!!!Dann hat er meine Kinder genau betrachtet und angefügt ; es scheint so, als seien die Kinder wenigstens vom gleichen Vater……
Ich war so perplext über diese absolut frechen Ausagen des Herrn , dass ich in diesem Moment rein gar nichts sagen konnte. Hatte aber auch nicht das Gefühl, dass ich mich gegenüber einer fremden Person rechtfertigen muss….
Man sollte nie über andere urteilen und annehmen, dass man mit seinen Annahmen richtig liegt. Den dieser Mann hatte sich so getäuscht , falscher hätte er nicht liegen können….denn zu diesem Zeitpunkt war ich schon 36 j.alt ( habe schon immer jünger ausgesehen, als dass ich bin) und schon 16. j. mit meinem Mann ( Vater der Kinder ) zusammen….
Alles Liebe
Christina
Hej liebe Christina, wow – da bleibt einem echt die Spucke weg, oder? Ich glaube, die Übergriffigkeit kennen Mütter ab dem Moment, ab dem sie sichtlich schwanger sind und jede/r meint, sich sofort ungefragt in Familienorganisation/Erziehung/Lebensstil einmischen zu dürfen.Ich bin mir sicher, dass Männer das in dem Maße nicht erleben. Weil es hgenau so ist, wie du beschreibst: Niemand kennt die Lebensumstände von Fremden – und sollte sich von daher tunlichst raushalten… Alles Liebe in die Schweiz, Katia
Hallo Katia, manchmal denke ich, sollten wir wieder offener gegenüber der Meinung anderer werden. Oftmals sprechen Menschen Dinge an, die ohnehin schon in uns wohnen, über die wir selbst nachgedacht haben. Durch die Worte anderer bekommen sie einfach ein Gesicht und stoßen evtl zur Veränderung und der persönlichen Entwicklung an. Und hin und wieder bin ich auch froh über die Meinung anderer, weil ich nicht weiter weis, mich aber nicht traue es auszusprechen.
Herzliche Grüße
Anna
Hej liebe Anna, das ist ein spannender Aspekt. Es kommt sicherlich darauf an, wie die Meinung anderer vorgetragen wird. Wenn sie als Angebot und nicht übergriffig formuliert wird ist man bestimmt eher eher bereit, sich das zu Herzen zu nehmen als einmischend von oben herab… Alles Liebe, Katia
Liebe Katia, wieder einmal ein toller Artikel! Danke dafür!! Wir waren diesen Sommer mit meinen Eltern und Freunden im Urlaub. Einmal beim Essen wollten unsere Kinder einfach nicht mehr sitzen und haben herumgequengelt und sind aufgestanden usw. Da haben meine Eltern die beiden großen genommen und unsere Freunde den jüngsten und sind mit ihnen raus aus dem Restaurant, mit dem Gedanken, dass mein Mann und ich auch einmal in Ruhe essen können und uns unterhalten. Unter bösen Blicken durften wir dann weiter essen und mussten uns anhören “typisch junge Leute, da braucht man 3 Kinder und um keines kümmert man sich selbst” Zuerst hat es mich gekränkt, aber wie du so schön schreibst, was wissen denn die anderen? Der Alltag mit 3 ist turbolent und anstrengend. Manchmal schafft er mich mehr als damals mein 40 Stunden Job. Mein Mann und ich können selten 2 ganze Sätze am Stück reden wenn die Kinder zu Hause sind, aber dass können außenstehende ja nicht wissen… Wir sollten uns nicht immer vorschnell ein Urteil über andere bilden oder gar maßregeln. Wir Mütter bzw Eltern sitzen doch alle im selben Boot!! Bei manchen ist es eben herrlich chaotisch, wie zB bei uns und bei anderen gehts auch ohne Chaos, aber deshalb macht die eine Mutter keinen schlechteren Job als die andere! Liebe Grüße Katharina
Hej liebe Katharina, dane für dein liebes Feedback. Nein, wir können nie wissen, was völlig Fremde umtreibt, was sie durchgemacht haben, in welchen Umständen sie gerade ihren Alltag mit Kindern bewältigen. Man kann seine Hilfe anbieten, das ja – aber ungefragt den anderen verkünden, wie man es besser machen könnte oder sollte – das ist nur grenzüberschreitend und verletztend! Alles Liebe, Katia