„Warum haben sie grad mein Haus fotografiert?“, rief der Mann und beugte sich auf seinen Gehstock gestützt angriffslustig vor. „Äääh, Verzeihung“, zögerte ich, „weil es so schön ist.“ Einer seiner Mundwinkel zuckte. „Wollen sie es kaufen?“ Ich zögerte. „Am liebsten ja.“ Da brach sein Blick und das Eis. Und wir unterhielten uns auf der Dorfstraße eine Viertelstunde über alte Häuser…

Ich war für drei Tage in einem Tiny House zum Schreiben – und das hat nicht nur meinem Manuskript für Roman drei gut getan, sondern auch mir. Stimmt, ja, so sind die Leute, fiel mir wieder ein, als ich zurück auf meinen Hof schlenderte. Das kleine Dorf, die sandige Erde, die große Tenne, all das erinnerte mich an das winzige Dorf meiner Oma im Wendland, in dem ich als Kind jede Sommerferien verbracht hatte. Schönste Sommerferien.

Einer meiner Happy Places und absoluten Sehnsuchtsorte. Auch da konnte man nichts tun, ohne das hinter einem Fenster eine Gardine wackelte. Fotos machen schon gar nicht. Ich hab alles dort geliebt.

Die Luft war mein erstes Deja vu.

Grasig mit einem Hauch von Rauch riecht es nur in den Dörfern in der näheren und ferneren Umgebung von Lüneburg. Einmal einatmen und ich war wieder sieben und pflückte Erdbeeren in Omas Garten. War elf und sprang in einen der vielen Seen. War fünfzehn und wartete an einem der typischen Bushaltestellen-Häuschen auf meine Mitfahrgelegenheit in die acht Dörfer entfernte Dorfdisco (beste Indiemusik!).  Das hier war nicht das Wendland, roch aber genauso…

Mein kleines Schreib-Tiny-House liegt in Amt Neuhaus, beziehungsweise im noch kleineren Dorf Kaarßen. Hier gibt’s nicht mal Bürgersteige, dafür viele alte Herren, die mit blauen Schirmmützen gemächlich über die schmale Dorfstraße radeln (einer sogar mit Blumenstrauß auf dem Gepäck-Träger).

Mein Tiny House auf dem Rüdehof ist jetzt mein Urlaubsflirt. Ihr wisst schon, ich grinse, wenn ich daran denke, muss überhaupt die ganze Zeit dran denken und überlege bereits, wann wir uns wiedersehen können.

Der Besitzer Jan und seine Frau hatten eigentlich nur nach einer kleinen Wochenend-Unterkunft gesucht.

Sie gingen in der Gegend seit Jahren jagen – dank Corona sind die jetzt Inhaber eines großen kleinen Paradieses. Vor dem Tiny House ist eine Sonnen-Terrasse, davor eine riesige Wiese, ein großer Schwimmteich, eine Sauna, ein Hotpot und dahinter unendlich viel Natur. Und falls man da ist und einen Freunde besuchen wollen, dann könnten sie in dem Hochsitz mit durchsichtigem Dach übernachten, und nachts Sterne bestaunen.

Ich habe dort beinahe ununterbrochen geschrieben, den Flow wie einen Joint eingesogen, mich high gefühlt  und zwischendurch gestaunt, wie lebensnotwendig es für die Kreativität ist, ihr Zeit und Raum und Ruhe zu geben. Etliche Orte von dort werden in Roman 3 einfließen.

Ich habe die Szenen vor Ort geschrieben, am sonnigen Tisch in dem weiß vertäfelten Häuschen, auf der Terrasse, im Wald oder auf dem Steg – und das war einfach wunderschön, sehr besonders und so inspirierend.

Ich hatte nach den drei Tagen Hochgefühle.

Nicht nur, weil ich so viel geschafft habe, sondern auch, weil es so schön war, die Zeit nur mit mir (und meinen Protagonisten) verbracht zu haben. Ich hab mich getraut ganz allein im eiskalten See zu baden und ich hab das erste Mal ein Lagerfeuer anbekommen. Das Häuschen ist super gemütlich und hat alles was man braucht.

Ich komme ganz sicher wieder. Dann läute ich auch zum Hallo sagen bei dem Mann mit dem Gehstock. Obwohl der vermutlich weiß, dass ich da bin, bevor es klingelt. Dieses Mal bringe ich Kuchen mit.

Warst du schon mal ganz allein mit dir verreist?

Claudi