Kürzlich trafen mein Mann und ich uns morgens verstohlen mit einem dampfenden Kaffeebecher im Schlafzimmer. “Hast du die Tür abgeschlossen…?”, fragte ich leise. Er nickte stumm. Wir nahmen gerade den ersten Schluck, als sich vom Flur her lautstarkes Tobe-Tohuwabohu näherte, dann wurde heftig an der Klinke gerüttelt. Eine durchdringende Kinderstimme brüllte: “Maamaa, Papaaa – seid ihr da drinnen…?!” Wir hielten den Atem an. Um keinen Preis wollten wir die Tür öffnen – schließlich war dies der allerletzte Raum im Haus, den unser Kinder-Trio an diesem Morgen noch nicht mit Beschlag belegt hatte…

Ja, Kinder nehmen sich ihren Raum – und das bei uns zu Hause ganz buchstäblich. Theoretisch haben bei uns zwar alle drei Kinder ein eigenes Zimmer und die restlichen Räume ihre ganz eigenen Bestimmungen.

Praktisch besetzen unsere Kinder aber jeden einzelnen Raum für ihre eigenen Zwecke. Arbeitszimmer, Flur, Klo? Von wegen! Alles Kinderzimmer!

Irgendwann, als wir unser neu gebautes Haus bezogen, hing ich mal der irrigen Vorstellung an, dass in der Küche gekocht, im Wohnzimmer gechillt und in der Speisekammer, nun ja, Nahrungsmittel aufbewahrt werden. Ich werde seither jeden einzelnen Tag eines Besseren belehrt: Unsere Wohnküche ist gerade in der dunklen Jahreszeit so was wie der naheliegende Ersatz eines Indoor-Spielplatzes.

Das Sofa ist zum Trampolin umfunktioniert, mein kuscheliger Lesesessel Teil einer ausgeklügelten Höhle für die Schleich-Dinos und dazwischen probt meine Tochter mit ihrer Freundin eine komplizierte Tanz-Choreographie in wechselnden Verkleidungen, die den Fußboden flächendeckend übersäen. Nicht, dass es in den Kinderzimmern besser aussehen würde – die wurden vorher schon nach Strich und Faden verwüstet. Und sind deswegen irgendwann nicht mehr bespielbar. Wie praktisch, dass just das Wohnzimmer so einladend mit aufgeräumten Freiflächen lockt…

Meine Kinder sind so was wie kleine Mietnomaden.

Ziehen von Zimmer zu Zimmer, immer eine Schneise der Verwüstung hinter sich herschleppend. Und los wird man sie auch nicht mehr. Ich habe schon alles versucht: Die aufgetürmten Spielzeugkörbe aus Speisekammer und Arbeitszimmer zurück in die Spielzimmer geschleppt. Ausdauernd und wiederkehrend die chaotischen Kinderzimmer aufgeräumt, um dort neuen Spielanreiz zu schaffen. Spielverbotszonen ausgerufen. Vergeblich. Das Einzige, was wirklich hilft, ist Räume abzuschließen. Und den Schlüssel gut zu verstecken.

Vielleicht nehmen Kinder nicht nur gern Raum ein. Sie sind auch immer am liebsten dort, wo man sie gerade nicht gut gebrauchen kann. Zu den eigenen Füßen mit einer Kiste Bauklötzen, während man gerade kocht, zum Beispiel. Im besten geschwisterlichen Einvernehmen lautstark streitend (“Du Pimmelzwerg!”/”Du Pissnelke!”), während man gerade auf der Couch den langersehnten Kaffee am Nachmittag trinkt. Und eigentlich auf einen ruhigen, sprich: kinderfreien, Moment gebaut hatte.

Manchmal denke ich, für die Kinder hätten wir kein geräumiges Haus bauen müssen. Sie sind eh am liebsten in einem Fünf-Meter-Radius um uns Eltern herum.

Dort horten und haben sie annähernd alles, was sie brauchen, um glücklich zu sein: Kleinstteiliges LEGO, Geschwister wahlweise zum Streiten oder Spielen und Gesellschaft von Mama und Papa, ganz gleich, ob wir die ihre gerade genießen oder nicht.

Uns bleibt oft nicht mal mehr das Klo als garantierter Rückzugsraum für genervte Eltern: Das wurde in letzter Zeit häufig zur Schwimmbadumkleide erklärt. Und der Weg zum Vorratskühlschrank in der Speisekammer führte kürzlich durch die Disco, die die Kinder dort spektakulär illuminiert veranstalteten.

Immerhin haben wir noch unser Schlafzimmer.

Das, wenn wir nicht aufpassen, zwar auch flugs zur Tierklinik, zum Beautysalon oder zum Schloss erklärt wird, aber meist drehe ich den Schlüssel schneller als die Kinder es besetzen können. “Wann haben wir das Haus eigentlich wieder für uns…?”, sinnierte mein Mann, während wir in temporärer Ruhe des Morgens unseren Kaffee schlürften. “In bummelig 16 Jahren”, antwortete ich trocken. “Können wir es dann überhaupt noch genießen…?”

Die Antwort darauf lieferte kürzlich mein Papa. “Du wirst dich noch wundern, wie seltsam ein stilles, aufgeräumtes Haus irgendwann sein wird”, meinte er vor ein paar Tagen. Er verkniff es sich, “Genieß es, so lange es so ist.” zu sagen. Aber die Botschaft schwang mit. Seitdem übersetze ich “Hausbesetzer-Chaos” im Kopf mit “sehr lebendiges Familienleben”. Schon besser, oder?

Wie ist es bei euch: Spielen die Kids in ihren Zimmern – oder nehmen sie auch alles in Beschlag?

Foto: Shutterstock

Alles Liebe,

Katia