Ich kannte Leo aus der Schule, aber da hatten wir nicht viel miteinander zu tun. Erst als sie mit meinem besten Freund zusammengekommen ist, waren wir schnell ziemlich unzertrennlich. Mein Mann, mein bester Freund, sie und ich. Wir wohnten zeitweise sogar alle vier in einer WG. Ich war immer für sie da und sie für mich. Niemandem sonst fühlte ich mich so nah…

Was ich so sehr geliebt habe an unserem Vierergespann? Gemeinsame Kinoabende mit Unmengen an Popcorn, Schokolade und Chips. Das gemeinsame Lachen bei den schlechtesten Komödien. Unsere gemeinsamen Brunches am Wochenende. Gemeinsame Kochabende mit Unmengen schlechter Witze, Tränen in den Augen vor Lachen.

Plötzlich aber war es mit ihr und mir vorbei.

Erst war da nur ein Gefühl. Doch je weniger sie sich meldete und Zeit für Treffen hatte, desto mehr Leere war da. Ich war enttäuscht. Ich habe geweint. War sauer. Es gab da nicht diesen einen Moment oder diese eine Nachricht, die mir gezeigt haben, dass sie keinen Kontakt mehr möchte. Es war eher ein zäher Prozess, bei dem ich erst nach zwei, drei Monaten gemerkt habe, dass meine Freundin alle Versuche, mich zu treffen, abgeblockt. Die Erkenntnis, wie unglaublich viel Zeit sie für ihre anderen Freunde hatte, traf mich besonders, als sie mit einer ganzen Truppe Mädels in den Urlaub flog. Mir davon weder vorher noch nachher  erzählte.

Es kam irgendwann zur Trennung zwischen ihr und ihrem Freund und da war endgültig klar: Auch ich hatte ich meine Freundin verloren. Es fühlte sich an, als hätte sie sich von mir getrennt. Dabei hatte ich doch keine Schuld, dass es zwischen den beiden nicht klappte.

Als dann noch ein neuer Partner in ihr Leben kam, war ich völlig außen vor.

Es tat weh. Sie ging jetzt regelmäßig feiern mit anderen. Ich habe ihr immer wieder gesagt, wie sehr sie mir fehle, kam aber nicht an sie ran. Als ich mein erstes Kind bekam, wurde es kurzzeitig etwas besser. Da war sie mit ihrem Partner  zumindest gelegentlich bei uns, oder wir bei ihnen.

In dieser Zeit konnte sie mir das erste Mal überhaupt sagen, warum sie so auf Distanz ging.

Jedes Mal, wenn sie mich sah, musste sie an alles denken, was wir gemeinsam als Paar unternommen hatten und sie wollte Distanz zwischen sich und diese Gefühle zu ihrem Exfreund und den Erinnerungen bringen. Ich war ein Teil dieser Gefühle. Und ich konnte es gut verstehen. Wirklich. Aber es tat trotzdem weh, zu spüren, wie weit wir voneinander
entfernt waren.

Und es gab sogar noch mehr Trennendes: Wir lebten völlig unterschiedliche Leben, hatten kaum gemeinsame Themen. Obwohl sie mir noch immer unendlich vertraut war, hatte ich nicht das Gefühl, mich ihr anvertrauen zu können. Es fühlte sich an wie bei meinem Mann und mir: Er ging nach der Geburt ganz normal arbeiten und seinen Hobbys nach. Ich war in Elternzeit und lebte in einer völlig anderen Blase.

Wir waren uns beide so nah und vertraut und doch lebten wir größenteils nebeneinander her.

So ging es mir mit meiner Freundin auch. Aber irgendwie, aus irgendeinem Grund habe ich immer gehofft, dass wir uns wieder annähern. Dass unsere Freundschaft überdauert, auch ohne echten Kontakt. Ohne, dass wir so richtig etwas vom Leben der anderen mitbekamen. Und ich sollte Recht behalten! Über die Jahre kam es immer wieder immer häufiger vor, dass sie mich bei großen und kleinen Problemen um Rat bat. Ab dem Moment, als sie mir von ihrer Verlobung und Schwangerschaft erzählte, war es einfach wie früher.

Und heute? Fühle ich mich als eine ihrer engsten Vertrauten. Sie teilt mit mir Gedanken, bei denen sie mir ganz klar sagt, dass sie das Gefühl hat, nur mit mir darüber reden zu können. Wir haben gerade erst darüber gesprochen, dass sie sich beruflich neu orientieren möchte und nicht weiß, ob ihre Idee total dämlich ist. Wir haben gemeinsam geträumt und überlegt und nachgedacht. Gemeinsam Zukunft spinnen hat sich unglaublich gut angefühlt. Nur wir zwei und unsere Spinnereien.

Mittlerweile reden wir nicht mehr über unsere Trennung auf Zeit.

Aber das haben wir. Ich weiß, warum sie so gehandelt hat und verstehe ihre Ängste und Befürchtungen, immer wieder an “unsere Zeit zu viert” erinnert zu werden. Andererseits weiß sie auch ganz genau, dass es für mich nicht weniger schwierig war, so außen vor zu sein.

Es war trotzdem ein bisschen wie eine Freundschaft auf Neustart. Wie ein Spiel, das man schon zig Mal gespielt hat. Ich wusste wer wer sie war und trotzdem musste ich mich der Spielregeln erstmal wieder bewusst werden.

Ich bin unendlich dankbar dafür, dass sie als Mensch wieder in meinem Leben ist, da es keine andere Freundin gibt, die sie hätte ersetzen können.

Lina