Erst traf es meinen Mann. Als er meine Tochter kürzlich nach einem Arzttermin anschließend noch mit in ihre Klasse begleiten wollte, stöhnte diese entsetzt auf: “Nein, Papa, dann winkst du wieder so komisch und sagst so seltsam “Hallo” – das ist sooo peinlich…!” Ich hab’ Tränen gelacht. Bis es mich kurz darauf selbst traf: Meine Achtjährige und ich waren shoppen, als ich in einer Boutique selbstvergessen einen alten Lenny-Kravitz-Song mitsang – und meine Tochter mich behandelte wie eine irre brabbelnde Alte: “Mama – hör sofort auf! Das ist voll peinlich!!”
Wie gesagt: Ich stand in einem Store, nicht auf einer Karaoke-Bühne, mein Outfit war wohlüberlegt statt wirr – ich hatte keine zerzausten Haare und auch mein Shirt richtig rum am – aber öffentlich Textzeilen mitsingen ist jetzt offenbar bereits der Gipfel des Mutter-Schams.
Jetzt bin ich also alt UND peinlich. Das ist hart.
Zumal ich selbst natürlich finde, dass ich eine ziemlich coole Mutter bin. Weil: Ich seh’ für mein Alter doch noch top aus, bin auf Insta und ansonsten auch in vielerlei Hinsicht ganz schön lässig. Und bis gerade eben war ich für mein Kind auch noch über jeden Zweifel erhaben: Da wurde mein Style, mein Schmuck, mein ganzes Mama-Ich gefeiert. Das sollte man offensichtlich genießen, solange es geht.
Denn es scheint nur eine Frage der Zeit, bis man in den erbarmungslosen Augen seiner Kinder zur Mutter wird, die hinterm Mond lebt. Mit der man sich nicht stolz der Welt zeigt, sondern die man lieber schamhaft im Verborgenen lässt. Weil: Mama könnte ja ansonsten etwas sagen/machen/tragen, was total cringe ist. Und das muss um jeden Preis vermieden werden.
Wie gesagt: Wir stehen erst am Anfang des Eltern-Schams – da ist vermutlich noch ein ganzes Universum an Luft nach oben.
Vielleicht darf ich bald nur noch verhüllt meinen Mama-Taxi-Pflichten nachkommen und am besten nicht mehr die Tür aufmachen, wenn Freunde meiner Kinder kommen. Und mich auf gar keinen Fall mehr an Gesprächen beteiligen, wenn meine Kinder sich mit ihresgleichen unterhalten. Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt, was da noch kommt. Und arbeite schon mal an meiner Resilienz, damit meine Bloßstellung als peinlichste Mutter auf dem Planeten nicht allzu schmerzhaft wird.
Vielleicht hat es aber auch ein wenig mit der Persönlichkeit des jeweiligen Kindes zu tun, wie stark blamabel sie einen finden. Ich fürchte, meine Mittlere ist schnell und hart mit solchen Urteilen, wohingegen mein Großer bislang deutlich diskreter mit seiner Mutter-Scham ist. Und dabei ist er das Pubertier!
Meine Tochter ist erst acht und hat schon jetzt das Zeug dazu, mich sukzessive und unbarmherzig zu einer wunderlichen Alten zu degradieren.
Ich krame die ganze Zeit in meinem Hirn nach Erinnerungen, wie peinlich mir meine eigenen Eltern damals als Teen waren. Und muss gestehen: Ich fand sie tatsächlich eher cool. (Hier habe ich übrigens schon mal unter Pseudonym darüber geschrieben, wie lässig sie in vielerlei Hinsicht waren.) Vielleicht lag es daran, dass sie beide von ganzem Herzen Lehrer waren, die immer einen guten Draht zu Kindern und Heranwachsenden hatten – meine Freunde jedenfalls haben sie geliebt und waren immer gern bei mir zu Hause, nicht selten mit ihnen an einem Tisch.
Und so kam es mir irgendwie auch nie richtig in den Sinn, meine Eltern unsichtbar werden zu lassen. Wahrscheinlich dachte ich naiv, die Familiengeschichte wiederholt sich einfach. Aber ich fürchte, zumindest meine Tochter hat bald nicht mehr die Absicht, dass unsere Leben große Schnittmengen aufweisen. Dabei würde ich mich schon bemühen, sie nicht vorsätzlich bloßzustellen.
Nur: Ich fürchte, alles an Eltern hat irgendwann Peinlich-Potenzial: Wie sie reden, essen, atmen.
Und so sehr kann man sich gar nicht verbiegen, selbst wenn man wollte. Vermutlich müssen die Kids einfach damit klarkommen, so wie wir Eltern uns damit arrangieren, dass Eigen- und Fremdwahrnehmung irgendwann massiv auseinanderklaffen. Meine Tochter und ich hatten nach der Peinlich-Episode übrigens noch einen herrlichen Mama-Tochter-Nachmittag. An dem sie mir übrigens auch attestierte, dass die Wahl meines Second-Hand-Jeans-Jumpsuits ziemlich cool sei. Vielleicht besteht ja doch noch Hoffnung.
Seid ihr euren Kindern auch schon peinlich?
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Alles Liebe,
Ich musste löachen beim Thema Resilienz! Gute Idee, echt!
War für meinen Sohn und Kumpel bzw. Mitspieler (beide 14J) Sporttaxi!
Was soll ich sagen: Am besten wäre gewesen, ich hätte nicht geatmet!
Beim Navi hatte ich vergessen “Sportplatz” einzugeben, also musste ich nach dem Weg fragen (okay ich habe eher gerufen). Das war soooo peinlich!
Dann habe ich über meine eigene “Blödheit” auch zu doll gelacht…
Ich könnte weiterschreiben…
Ach so, ich war mit meinem Grössten unterwegs, es folgen noch drei!
Also her mit der Resilienz!
Hej liebe Meike, haha, weiß ganz genau, was du meinst! 😉 Meine Reselienz ist noch ein wenig tagesformabhängig, ich arbeite dran. Auch die Mama-ist-peinlich-Phase bleibt hoffentlich nur eine Phase… Seufz. Alles Liebe, wie schön, dass du dabei bist, Katia