Altern ist ja so eine Sache: Niemand findet das richtig geil – aber jung sterben will auch keiner. Also rufen wir “50 ist das neue 40!” aus und tun eine ganze Menge, um unser biologisches Alter ordentlich zu drücken. Und ich meine jetzt gar nicht den sneakerlastigen Anti-Beige-Style, den wir kultiviert haben, um nicht irgendwann wie unsere eigenen (Groß-)Mütter rumzurennen. Auch nicht die Botox-Dosis, die ja bei vielen fast schon zum guten Ton gehört. Nein, ich meine eher all diese Longevity-Anstrengungen, die plötzlich so en vogue sind…

Wer nicht gerade mit Scheuklappen durchs Leben läuft, kommt an Longevity (sprich übrigens. Longschewitti) nicht vorbei – DEM Mega-Trend in Sachen Langlebigkeit plus Gesundheit. Klar: Wenn schon altern, dann doch bitte wenigstens fit und fröhlich! Damit man auch mit 70 noch lässig auf dem Surfboard steht. Und dafür geht man dann doch gern eine bis drölfzig Extrameilen, weil: Ohne Anstrengung und disziplinierten Drill wird das offenbar leider nichts, sorry.

Dabei dachte ich eigentlich, ich wäre in Sachen Gesundheitsprävention schon gar nicht so schlecht aufgestellt:

Immerhin starte ich morgens mit Zitronenwasser, esse verdammt viel Gemüse und wenig Zucker, trinke so gut wie keinen Alkohol, mache fast täglich Sport und gehe brav zu allen Vorsorgeuntersuchungen, obwohl mich das zunehmend nervös macht. Ich versuche ausreichend zu schlafen, nicht zu snacken, mit Yoga für ausreichend Entspannung zu sorgen und pflege gute Freundschaften für mein seelisches Wohlbefinden.

Aber als ich kürzlich das Longevity-Dossier in der Brigitte las, fühlte sich das plötzlich an wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Weil: Wer das so richtig ernst meint, der hat offenbar keine anderen Verpflichtungen mehr in seinem Leben. Ich las von Menschen, die jeden Tag mehr als 100 Pillen schlucken, ihre Biomarker checken, Gentests machen, sich in der Mittagspause intravenös Booster to go gönnen, “Schwachstellen checken”, wie es US-Arzt Peter Attia es da formuliert. Und ich muss gestehen: Da war ich irgendwie raus…

Dieses strebsame Checken und Tracken klingt nicht nur wahnsinnig spaßbefreit – sondern auch wieder verdächtig nach unerreichbarer Selbstoptimierung!

Als wenn man nur mit Verbissenheit zum Ziel kommen könnte. Hört sich ungefähr so attraktiv an wie diszipliniertes Kalorienzählen, bei dem man vielleicht ein paar Pfunde verliert – aber die ganze Lebensfreude auch gleich mit. Versteht mich nicht falsch: Ich finde es richtig und wichtig, sich damit zu beschäftigen, was uns und unseren Körpern guttut, um lange gesund, beweglich und möglichst ohne Zipperlein zu bleiben. Mach ich ja selbst auch.

Aber nach Plan essen, trainieren, sich optimieren, um in der Zukunft das top Leben zu ernten, dass man sich im Hier und Heute dafür hart erarbeitet? Das lässt das Jetzt ein wenig zu sehr außer Acht, finde ich. Weil: In unserer überoptimierten Leistungsgesellschaft tut es uns allen doch gerade gut, auch mal bewusst lockerzulassen. Nicht den grünen Smoothie zu trinken, sondern drei große Kaffee. Nicht zum Workout zu gehen, sondern faul auf der Couch zu streamen. Ich will kein schlechtes Gefühl haben müssen, wenn ich mit Rosé anstatt Rhabarberschorle anstoße, keines, weil Spaghetti Carbonara eben manchmal doch geiler schmecken als die Buddha-Bowl.

Dieser Text ist ein Plädoyer für mehr Gelassenheit und den gesunden Mittelweg – auch wenn vermeintlich unser Leben davon abhängt.

Weil der Grad ein furchtbar schmaler ist – was tut mir langfristig gut, was jetzt gerade? – und weil immer auch dieses unausgesprochene “Selbst schuld!” mitschwingt, das unser Gewissen triggert. Und das ist auf Dauer deutlich ungesünder als Fertigpizza! Wir alle müssen unseren eigenen Weg finden, wie wir uns aufstellen:

Alles egal? Die ich-mach-ein-bisschen-was-und gönne-mir-dennoch-gern-Haltung? Oder doch die ich-hab-nur-dieses-eine-Leben-und-ziehe-jetzt-alle-bekannten Gesundheits-Register. Alles fein, wenn ihr damit fein seid. Fakt ist: Wir haben einen nicht unbeträchtlichen Teil unserer Gesundheit selbst in Hand. Und das ist eine gute Nachricht! Aber eben auch keine, die uns zu sehr stressen sollte. Weil: Leben ist das, was zwischen unseren To-Dos und selbst gewählten Challenges passiert…

Hier dennoch ein paar machbare Longevity-Tipps, die sich auch im trubeligen Familienalltag unterbringen lassen:

* Viel Pflanzenpower in der Ernährung

* Wenig Alkohol

* Essenspausen (z.B. Intervallfasten, mindestens zwölf Stunden über Nacht)

* Keine Kippen

* tägliche Bewegung

* Zu Vorsorgeuntersuchungen gehen

* Ausreichend Schlaf

* In der Natur unterwegs sein

* Morgens kalt duschen

* Spass haben

* Stress vermeiden

Wie geht es euch mit dem Thema Longevity? Beschäftigt es euch? Das Altern generell? Oder ist euch das eher schnuppe?

Foto: Shutterstock

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Katia