Manchmal kann ein Kurztrip die Welt retten. Zumindest meine kleine, für einen Moment. Ich hatte so Sehnsucht nach mir selbst, also bin ich einfach einen Tag eher nach Leipzig gefahren, um vor der Buchmesse noch Zeit für die Stadt und für mich zu haben. Es war die beste Idee seit langem…

Weil Leipzig so schön, so entspannt und so kreativ ist. Weil mich diese Stadt bereits mit ihrem Bahnhof beim Aussteigen überrascht hat. Die Halle des größten Kopfbahnhofs Europas sieht nämlich aus wie in einer amerikanischen Schnulze. Jeden Moment könnte Ryan Gosling mit flatternden Blumen angelaufen kommen, um seine Liebste gerade noch vor Abpfiff und Abfahrt zu erwischen. Und ich hatte nach Wochen am Schreibtisch endlich mal wieder aufgeregtes Stadt-Flattern im Bauch. So ein inneres Wow.

Ich bin kurz zu meinem Hotel spaziert, was tollerweise mitten im Zentrum und direkt an der Nikolaikirche und dem hübschen Platz davor lag. Im Motel One Nikolaikirche kann man solide schlafen, die Frühstückseier werden per Hand bemalt und es gibt eine gemütliche Bar mit guter Ginauswahl.

In der Bar wird auf Lichtstreifen in roten Bewegtbuchstaben die aufregende Geschichte rund um die Nikolaikirche erzählt. Genau dort hatten sich nämlich damals zunächst ein paar Menschen und schließlich bis zu 100.000 zum friedlichen Demonstrieren gegen die DDR getroffen, was schließlich mit zur Widervereinigung geführt hat. Total spannend. Ich konnte nicht aufhören, den Lichtstreifen zuzuschauen und dabei Gänsehaut zu haben.

Ich war plötzlich überfordert von so viel Freiheit und Möglichkeiten.

Ich wollte am liebsten alles: Die ganz Stadt sehen, mich mit einem Buch auf die Wiese in die Sonne legen, bummeln gehen und in einem Café lecker Kuchen essen. So viele Wünsche für nur einen Nachmittag mit mir.

Schließlich habe ich ganz tief durchgeatmet und mir eine einzige Sache rausgesucht, die ihr mir bei Instagram empfohlen hattet. Ich bin mit der Tram-Linie 14 vom Hauptbahnhof von der City raus nach Plagwitz gefahren – und hatte ganz nebenbei meine kleine Stadtrundfahrt. Die Tram rumpelte nämlich an ganz vielen hübschen Plätzen, prächtigen Sandsteinhäusern, einem Fluss, Plattenbauten, weiten Wiesen und Altbaustraßen vorbei.
Hier findest du unter den Reels ein kleines Video mit Namen “Lost in Leipzig” über meinen Ausflug.

Weil die Hinfahrt so schön war, beschloss ich, nach einem kleinen Bummel durch Plagwitz und durch die alte Baumwollspinnerei den Weg zurück in die City zu Fuß zu gehen, immer die hübsche Karl-Heine-Straße entlang, mit kleinen Schlenkern rechts und links. Eine super Idee! Ich hatte abends zwar müde Füße, habe aber ganz viel von der Stadt gesehen.

Gefühlt bin ich einmal durch Leipzigs aufregende Vergangenheit gebummelt.

Besonders spannend fand ich die alte Baumwollspinnerei, die Ende des 19. Jahrhunderts die größte Baumwollspinnerei in Kontinentaleuropa war. Auf dem riesigen Gelände gibt es heute tolle Wohnungen und viele Galerien. Ich möchte unbedingt nochmal am Wochenende hin, wenn alles geöffnet ist. Sehenswert ist auch die Konsumfiliale, in der Karl-Heine-Straße 87, die in die 500-Quadratmeter große, ehemalige Produktionshalle des in den 1950er Jahren errichteten Westwerk-Komplexes eingesetzt wurde. Spannendes Gebäude, spannender Mix aus Supermarkt und Kunst. Und ein toller vietnamnesischer Imbiss davor.

Super schön ist es am Karl-Heine-Kanal, vor dem auf einer großen Wiese zwei Zirkus-Schimmel grasten. Dahinter gibt es links und rechts prächtige Sandsteinfassaden und in Höhe des Konsums jede Menge Bars und Cafés. Mich hat das Viertel ein bisschen an die Hamburger Schanze erinnert, allerdings vor vielen Jahren. Hier ist es noch nicht ganz so einheitlich trendy, sondern sehr viel individueller und wirklich kreativ. Am Karl-Heine Platz gibt es außerdem einen tollen Spielplatz für die Kinder.

Der Felsenkeller ist ein großes, prächtiges Brauereigebäude von 1890, mit einem Kuppelgebäude und einem großen Biergarten. Damals sprachen hier Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin und Ernst Thälmann – heute dreht sich ein altes Kinderkarussell im Biergarten, dazu blüht und brummt es überall und es gibt ein gigantisches Kulturangebot. Total toll!

Noch ein Stück weiter ist der Clara-Zetkin-Park so grün und groß, dass ich kaum glauben kann, dass ich mitten in Leipzig bin. Auf der Weißen Elster und der Elster paddeln Kanus und Boote und als ich durchs Grün zum Bootsverleih Klingerweg abbiege, duftet es köstlich nach wildem Bärlauch, der links und rechts vom Weg smaragdgrün schimmert. Nächstes Mal würde ich wahnsinnig gern ein Boot mieten. (Es gibt sogar venezianische Gondeln!!!)

Ich habe im kleinen Café Kollwitz, Käthe-Kollwitz-Straße 83, Pause gemacht, zu dem man ein paar Stufen hinab in den Keller steigt. Unten ist alles im 60er Jahre Stil eingerichtet, mit Steinwänden, Nierentischen und Blumen in Marmeladengläsern. Warme Sonnenstrahlen fielen durch die schmalen Fenster auf die beigeblumigen Bezüge.

Ein weißbrauner Hund wedelte mit dem Schwanz und die super nette Bedienung servierte mir einen Milchcafé, den allerleckersten Schwedischen Apfelkuchen und meinem Handy eine Portion Strom. Ich hätte noch ewig dort unten sitzen bleiben können…

Zurück in der Stadt habe ich den Glasbau der Universität am Augustusplatz bestaunt. Wie toll ist das bitte, eine Uni mitten in der Stadt! Sehr hübsch ist auch das Rathaus, die alte Börse und der Park aus blühenden Vogelkirschbäumen vor der Thomaskirche. Abends war ich noch zu einer Lesung im hübschen Laden Paper and Tea.

Zu gern wäre ich im Concept Store Lipsi Club, Markt 1, bummeln gegangen, aber leider hatte er schon zu. Meine Lieblingsfassade der vielen schönen Jugendstilfassaden ist die vom Café Riquet, Schuhmachergäßchen 1, wo es drinnen „Ä Schälchen Heeßen“ und köstlichen Torten gibt. 

Was ich  – und wir  – sonst noch sehenswert fand(en):

Auerbachs Keller: Hier fand mein Verlagsessen zur Messe statt, aber ich hätte auch so mal reingeschaut, in das uralte Gasthaus mit dem Mephisto vor der Tür, das sich seit 1525 in der Mädler-Passage befindet. Benannt nach dem Gründer des Lokals, dem Mediziner und Universitätsprofessor Heinrich Stromer von Auerbach aus der Oberpfalz. Sein Urenkel Johann Vetzer ließ sich 1625 den Fassritt Fausts auf zwei Tafeln im Kellergewölbe malen.

Richtig berühmt wurde das Gasthaus durch Goethe. Der war hier offensichtlich oft zu Gast und erwähnt Auerbachs Keller in seinen Werken gleich mehrfach. Im “Faust” will Mephisto ihm im Auerbachs Keller die Freuden des einfachen Volkes vorführen: Trinken, Singen, Lachen. Dabei lässt es sich Mephisto nicht entgehen, den anwesenden Männern einen Streich zu spielen…

Die alten Hallen sind beeindruckend und das gutbürgerliche Essen war lecker, meine beide Kleinen fanden die Deckengemälde allerdings ein wenig gruselig (und ich die Laune des Kellners…). Dennoch ist es ein Erlebnis, dort einzukehren. Wo sonst kommt man mit seinen Kids schon eine halbe Stunde ins Gespräch über Goethes Faust??

Der Leipziger Zoo: Alle hatten uns davon vorgeschwärmt, also sind wir am Sonntag hin. Es war leider sehr voll, toll war es aber wirklich. Ich hätte allein Stunden in dem Aquarium verbringen können, in dessen Rundbecken kleine Haie, Rochen und viele bunte Fische um einen Herumschwimmen. Magisch!

Und unter dem großen Zeltdach kann man die Tiere von Boot oder Hängebrücke aus bestaunen, viele Arten wohnen dort frei, man muss also oft schon ganz genau hinschauen, um sie zu entdecken. Dicht an dich mit vielen, vielen anderen Menschen über den Pflanzen kraxelnd, fühlte es sich fast ein wenig so an, als bestaunten die Tiere uns. Wir haben uns dabei so gefreut, Flughunde wieder zu sehen, in die wir uns auf den Seychellen so verknallt hatten.

Und noch was: 53 Euro für ein Familienticket für zwei Erwachsenen und bis zu vier Kinder ist ja wohl der Oberknaller!

Nach einem anstrengenden Messetag haben wir sechs am Samstag ganz entspannt in einer Filiale der Burrito Company, Nikolaistraße 42, gegessen. Dort gibt’s echt leckere Burritos in zwei verschiedenen Größen zum Selbstzusammenstellen und Tacochips mit Dipp. Die Cocktails sind allerdings nur so semi – nehmt lieber eine Limo!

Am Donnerstag war ich abends allein im GAO Vegan, Zentralstraße 1/Ecke Gottschedstraße, essen, ein großer, sehr beliebter veganer Vietnamnese. Die langen Tische und Bänke draußen liegen wunderhübsch in der Abendsonne, man blickt auf hübsche Fassaden und das Essen war köstlich. Ich hatte unter anderem die beste Wantan-Suppe meines Lebens.

Sehr leckeres Eis haben wir mit in der City bei San Remo, Nikolaistraße 1, gegessen. Ich hatte Schokolade und Griechischer Joghurt mit Erdbeersoße und Sahne. Mmmh.

Was ich nächstes Mal in Leipzig noch sehen und machen möchte – Tipps aus der WAS FÜR MICH-Insta-Community

– Ab ins hübsche Café Dankbar, Jahnallee 2, das früher eine Fleischerei war. Aber was für eine! Die Decke! Die Fliesen!

– Frühstück in der Villa Hasenholz, Gustav-Esche-Straße 1, ein Geheimtipp mit Hängematten im Garten! Und mit einem bombastischen Frühstücksbuffet.

Peter-Lustig-Sommervibes gibts im Bauwagen Café “Zierlich Manierlich“, von April bis Oktober am Richard-Wagner-Hain.

Und noch mehr Tipps für Leipzig…

Essen gehen im Mala, Schulze-Delitzsch-Straße 19. Juchhu, das klingt genau so, wie ich es mag: Es gibt regionale, saisonale Küche mit einem Twist. Vor allem wöchentlich wechselnde Menüs – immer frisch zubereitet.

Rauf auf die Plattform des Panorama-Towers und die Aussicht genießen.

Buchlager in der Karl-Heine-Straße 87: Gebrauchte Bücher und ganz viel Flair.

Spinnerei-Rundgang am Samstag. Dort gibt es: Über hundert (!) Künstlerateliers, vierzehn Galerien, Werkstätten, Architekten, Designer, Schmuck- und Modemacher, der Künstlerbedarf «boesner», die Theaterspielstätte «Residenz», ein internationales Tanz- und Choreografiezentrum, Druckereien, das Kino «LuRu» und mehr.

Ihr wollt wie ich mehr wissen? Das geht: Jeden Freitag zwischen 12 – 16 Uhr und jeden Samstag zwischen 11 – 16 Uhr bieten wir zu ausgewählten Zeiten Führungen über das Gelände der Spinnerei an. Hier gibt’s Infos.

Museum der Bildenden Künste, Katharinenstraße 10.

Abends auf einen Drink in die KarLie. Haha, ich dachte zuerst, das wär EINE Bar. Aber das ist der Kosename für die Karl-Liebknecht-Straße. Auf dieser Südmeile in Leipzig gibt’s viele süße Bars, Cafes und Kneipchen. Mehr Infos gibt’s hier.

Großartiges Essen soll es im Le Caphe, Georg-Schumann-Straße 130, geben. Cà Phe das vietnamesische Wort für Kaffee, und genau das ist es: Ein vietnamnesisches Cafè (gegründet übrigens von einem Bauingenieur und einer Kommunikationsdesignerin!) Wusstest du, dass Vietnam nach Brasilien weltweit das zweitgrößte Kaffee-Exportland ist? Hier findest du die spannende Karte. Und noch ein Tipp: Bitte unbedingt reservieren!

Als wir am Sonntag Abend vom Zoo zurück zum Auto gebummelt sind, in der Abendsonne, vorbei an all diesen hübschen Sandsteinfassaden, da war ich so selig aufgefüllt mit neuen Erfahrungen und hübschen Eindrücken. Ich muss seither immer Lächeln, wenn ich an Leipzig denke.

PS. Und übrigens: 2 Tage plus Nächte parken mitten im City-Parkhaus in Leipzig für 20 (!) Euro, wow! Nimm das, Hamburg!!!!!

Warst du schon mal in Leipzig? Hast du noch Tipps für uns?

Liebe Grüße,

Claudi