Groningen ist ein gefährliches Pflaster. Zumindest, wenn man dauernd entzückt stehen bleibt, um die bunten Häuser-Fassaden zu bewundern – und mitten auf dem Radweg dabei sein Leben riskiert. Denn eines wird in den verwinkelten Gässchen der Altstadt schnell klar: Die unzähligen Hollandräder haben hier immer Vorrang – und deren Radler sind rasant unterwegs. Was nicht weiter schlimm ist, weil die Holländer selbst bei diesen Kamikaze-Manövern wahnsinnig sympathisch sind. Wie übrigens das ganze Grachten-Städtchen im Norden der Niederlande – das sich für einen Kurztrip unbedingt empfiehlt.

Vor allem für einen Kurztrip ohne Kinder. Glücklicherweise hatten mein Mann und ich uns schon für eine zweisame Auszeit entschieden, bevor uns vor Ort klar wurde, WIE unentspannt so ein City-Trip mit unserem Kinder-Trio geworden wäre. Vermutlich hätten wir permanent im Chor und zunehmend hysterisch “Pass auf!” gebrüllt. Ich fand unser zufriedenes Schweigen, unser entspanntes Miteinander beim Bummeln, Staunen und Genießen jedenfalls deutlich angenehmer.

Eigentlich wollten wir unseren versäumten Frankreich-Urlaub ja mit einem Paar-Stadttrip à la française kompensieren – Nizza, Marseille, Avignon.

Aber die drei Tage Auszeit, die uns Oma und Opa gewährten (ihr seid die Besten!), größtenteils mit An- und Abfahrt verbringen? Dann doch lieber schnell und halbwegs günstig vor Ort sein – und jede Stunde mit Entdecken füllen.

Über Wochen marterte ich mein Hirn: Nach Leipzig (charmanter als Berlin und nicht ganz so erschlagend)? Nach Kopenhagen (wundervoll, aber sauteuer)? Oder nach Münster (gibt’s auch viele Fahrräder und soll sehr beschaulich sein)? “Wenn ihr eine studentische Fahrradstadt wollt, warum fahrt ihr nicht einfach nach Groningen?”, grätschte eine Freundin irgendwann in meine Gedanken. “Ist so bezaubernd wie Amsterdam, nur näher und weniger touristisch.” Ich hätte sie küssen können. Denn von Hamburg braucht man mit dem Auto oder Zug gerade mal dreieinhalb Stunden von Tür zu Tür.

Tatsächlich hat Groningen sehr viel von dem Charme, den ich an Amsterdam so liebe: Die Grachten mit ihren hübschen Hausbooten, die schmalen Häuschen mit ihren bodentiefen Fenstern – und das Flair entspannter Weltläufigkeit.

Das liegt nicht zuletzt an der Uni, die im Herzen der Altstadt für den Puls des Städtchens sorgt, in dem jeder zweite Bewohner jünger als 35 Jahre alt ist. An unserem ersten Abend sitzen wir zwischen lauter Mitzwanzigern in einem vietnamesischen Streetfood-Restaurant – und fühlen uns angenehm in unsere eigene Studienzeit zurückversetzt.

Um uns herum ein kunterbuntes Sprachgewirr aus Niederländisch (noch charmanter als dänisch!), Englisch, Deutsch und asiatischen Akzenten. Und auch, als wir später an diesem lauen Septemberabend durch verwinkelte Gässchen und über kopfsteingepflasterte Plätze laufen, scheint kaum jemand jenseits der 40 zu sein. Wir lassen uns von dieser besonders lässigen Stimmung anstecken, lassen uns treiben, ohne Plan, ohne Ziel.

Wir gehen auf Tuchfühlung mit dieser kleinen Stadt, in der die ganze Welt zuhause scheint – und in ihren zahllosen Restaurants, Concept Stores und Cafés.

Wir essen ein spätes Eis, nehmen einen Drink in einem Café an der Gracht, auf der gemächlich Boote vorbeischaukeln – und sind einfach froh. Groningen macht es einem leicht, direkt anzukommen und loszulassen. Zumal, wenn man wie wir noch so herrlich spätsommerliche Tage hat – wie gemacht zum Flanieren und müßig vor Cafés rumzusitzen.

Entdecken kann man in Groningen Einiges – einen Stadtplan braucht man dafür dennoch kaum. Auch wir sind einfach morgens losgelaufen – und über kurz oder lang genau dort gelandet, wo einen die City Guides auch hinlotsen. Allerdings ist es nicht verkehrt, über einen halbwegs intakten Orientierungssinn zu verfügen (ist bei mir nicht der Fall). Andernfalls läuft man in den winzigen Nebengassen und schmalen Durchgängen auch gern mal im Kreis. Was ehrlicherweise auch nicht weiter schlimm ist: Auf irgendeinen bezaubernden Ort stößt man dabei immer.

Übernachten in Groningen

Wir haben in diesem AirBnB-Apartment direkt an der Altstadt sehr nett und basic gewohnt. Die Stufen in den Hinterhof hatten fast ein wenig New York-Flair, wenn wir dort in der Nachmittagssonne gelesen und Kaffee getrunken haben. Das Alternativ-Hotel Stee in Stad hat zwölf individuell gestaltete Zimmer und liegt in einem Wohnviertel nahe der Binnenstad, wie das Zentrum hier heißt. Eigentlich solle man hier natürlich stilecht auf einem Hausboot nächtigen – hier eine gute Übersicht. Und hier findet ihr verschiedene Unterbringungsmöglichkeiten – von Hotel und Hostel bis hin zu individuellen Apartments.

Shoppen in der Binnenstad

Die Folkingestraat wurde bereits mehrfach als schönste Einkaufsstraße der Niederlande ausgezeichnet – und hier lässt es sich wirklich fantastisch bummeln: Boutique neben Designstore, Café neben Bistro neben Concept Store. Hier haben wir wir viiiel Zeit verbracht, vor allem, um lecker zu essen (siehe nächster Punkt). Auch die Oosterstraat lädt zum entspannten Flanieren zwischen wunderschönen Altbauhäusern ein.

Besonders bezaubert war ich von Dille & Kamille (Grote Kromme Elleboog 18-20), einer niederländischen Concept-Store-Kette, die sich den schönen und nachhaltigen Dingen des Lebens verschrieben hat. Ich hätte am liebsten den kompletten Shop da rausgetragen. Am Ende wurden es nur hübsche Mitbringsel für die Kinder. Also: Am besten Shoppen mit ins Reisebudget planen!

Lecker essen, schöner trinken

Essen – lecker, kreativ und vielfältig, kann man in Groningen an jeder Ecke. Wir haben entweder spontan entschieden – oder uns an die Empfehlungen des Groningen City Guides gehalten, den es kostenlos in der Tourist Information im Groninger Forum gibt (lohnt sowieso unbedingt einen Besuch, Nieuwe Markt 1). Wir haben im Flfl (Oude Kijk in T’Jatstraat 44) köstliche Falafel gegessen, im De Kleine Moghul (Nieuwe Boteringstraat 62) authentisch indisch und im El Maïda (Folkingestraat 19) das beste orientalische Muhammara (Paprika-Walnuß-Dip zum Reinknien) überhaupt. Daneben ist direkt das Le Souk (Folkingestraat 21) – wie ein orientalischer Basar für Lebensmittel. Unbedingt auf die Hand mitnehmen: Die butterweiche hausgemachte Baklava.

Ich wollte unbedingt noch zu den Bistro Boys (Folkingestraat 46), weil ich den Namen so herrlich und die Speisekarte köstlich fand – aber irgendwie sind wir dann doch immer woanders gelandet. Superleckeres Eis gibt es praktischerweise direkt gegenüber im Toscana Ijssalon (Folkingestraat 47) – das Pure Chocola-Eis war der Knaller!

Über unseren absoluten Groningen Lieblingsspot sind wir herrlicherweise direkt am ersten Abend gestolpert:

Das Café de Sigaar (Hoge der A 2) liegt am Kanal Hoge der A, man sitzt unter leise rauschenden Bäumen mit Blick auf Brücke und gemächlich vorbeiziehende Boote und trinkt ein gutes Glas Wein – oder eines der verdammt vielen Biere. Geheimtipp: Lasst euch von der netten Bedienung mit der Auswahl des Bieres überraschen, fand mein Mann super. Ist nicht nur eine herrlich entspannte Abend-Location, sondern auch für einen kleinen Mittagssnack oder ein Kaffee-Date mit Leseauszeit einfach nur wunderschön. Waren wir drei Mal an zwei Tagen.

Wir als bekennende Käsefans mussten natürlich auch unbedingt in ein Käsegeschäft – allein, um den Kindern ein Foto der herrlichen Laibe zu machen. Schaut mal im De Kaaskop (Zwanenstraat 24) vorbei, das ist echt das Chees Paradies! Und noch mehr regionale Köstlichkeiten gibt es auf dem Vismarkt, der mehrmals in der Woche stattfindet: Groningens Form von Fish & Chips: Kibbeling, knusprig panierter Fisch, dazu eine amtliche Portion Pommes mit einer unfassbar leckeren Tunke – manchmal muss es einfach Comfort Food sein.

Das muss man in Groningen gesehen haben:

Das Forum ist ein futuristischer Bau, der sich zwischen den dagegen winzig anmutenden Stadthäuschen in den Himmel schraubt. Das architektonische Masterpiece beherbergt nicht nur die Tourist-Information, sondern auch das Storyworld-Museum mit cooler Comic-Ausstellung sowie die Stadtbibliothek, die nichts mit den nüchternen Funktionsbauten meiner eigenen Bücherhallen-Erfahrungen zu tun hat – ein echter Wow-Bau! Es gibt sogar ein Rooftop-Kino, ich selbst habe es nur bis auf die Dachterrasse mit bestem Rundumblick geschafft – fantastisch!

Noch cooler fand ich nur das Groningen Museum (Museumeiland 1), das wie eine schwimmenden Kunststadt im Wasser thront. Für Eilige reicht es schon, den Design-Bau von außen zu bestaunen (aber drinnen wird’s noch besser). Es lebe die Kunst! (und es ist so herrlich, dabei keine quengelnden Kids hinter sich herzuschleifen oder sie mit Sekundentakt ermahnen zu müssen, BITTE NICHTS ANFASSEN!!) Unbedingt mit einplanen!

Auf unserem Nachhauseweg sind wir immer extra entlang des A-Kanals gelaufen, an dem sich wie auf einer kunterbunten Perlenschnur die wunderschönen typisch holländischen Häuser aneinanderreihen.

Eine ganz besondere Stimmung, vor allem, wenn man ein wenig Pause vom innerstädtischen Trubel braucht. Ruhe, Entspannung und ordentlich viel Grün findet man auch im Noorderplantsoen, dem Park, der sich nördlich ans Zentrum anschließt. Bester Ort für Picknick am Wasser oder ein kurzes Wegdösen in der Sonne. Geht auch im Prinsentuin, einer grünen Oase mitten in der Stadt mit Rosengarten und Theeschenkerij – ich als absolute Wortliebhaberin war selten so hin und weg von einer Sprache, die mich hier dauernd zum Grinsen gebracht hat!

Was wir bei diesem Besuch leider nicht geschafft haben, war ein Abstecher zum Stadtjachthafen Reitdiep. Neben wunderschönen Segelbooten sind es hier wohl vor allem farbenfrohen Häuser im skandinavischen Stil, die einen für diesen Ort einnehmen. Es muss einfach ein nächstes Mal Groningen geben. Ich habe mir sagen lassen, dass es auch im Winter ein wunderschöner Ort ist – vor allem dann, wenn die ganzen Grachten zugefroren sind und man per Schlittschuh durch die Stadt sausen kann.

Anreise: So kommt ihr entspannt nach Groningen – und bleibt es auch vor Ort.

Wenn ihr wie wir mit dem Auto anreist, parkt es unbedingt auf einem der P&R-Plätze außerhalb oder in einem innerstädtischen Parkhaus. Wir haben es am ersten Tag mit ein paar Alibi-Parktickets bestückt einfach in der Innenstadt stehen lassen. Nur: Auf den Straßen darf man (außer am Wochenende) nur zwei Stunden stehen – und wer kein gültiges Parkticket hat, bekommt schnell eine 100-Euro-Rechnung aufgebrummt.

Ich warte noch, ob wir mit unserer Strategie durchgekommen sind. Entspannt geht anders. Natürlich könnt ihr auch ganz bequem mit der Bahn anreisen – denn in der Stadt bewegt man sich nur zu Fuß oder mit den typischen Swapfiets. Damit kann man dann auch in Nullkommanix zum Kamikaze-Radler werden…

Kennt ihr Groningen schon? Habt ihr noch mehr Tipps, die ihr hier mit uns teilen mögt?

Alles Liebe,

Katia