Manchmal komme ich meinem Altern nicht so richtig hinterher. Da denke ich bester Dinge: Ü40 und gut in Schuss. Und im Spiegel sehe ich plötzlich diese Knitter-Frau nahe der 50. Ich glaube, das ist die Krux am Älterwerden: Innen und Außen passen nicht mehr so richtig zusammen, sind verschoben wie tektonische Platten. In Gedanken bin ich optisch meinem 35-jährigen Ich viel näher als meinem kommenden Lebensjahrzehnt. An guten Tagen mag das vielleicht hinhauen – aber oft erschrecke ich mich eher vor der älteren Frau, die ich jetzt offenbar bin – und auch wieder nicht…
Eine Freundin von mir sagte kürzlich, sie hätte den Eindruck, man würde in Schüben altern: Eine ganze Weile ist der Knitter- und Dellen-Status-Quo gesetzt – und gefühlt von einem Tag auf den anderen hat man dazu plötzlich noch graue Haare und eine kratertiefe Nasolabialfalte. Da könnte was dran sein.
Seitdem ich Mitte 40 bin, hat sich mein optisches Altern irgendwie beschleunigt.
Früher habe ich tatsächlich häufiger gehört: “Waaas – du siehst viel jünger aus als du bist!” Hat lange schon niemand mehr zu mir gesagt. Stattdessen denke ich jetzt dauernd: “Du fühlst dich viel jünger, als du aussiehst!” Lange Jahre habe ich mich auch großspurig über Kosmetik und die Tipps von Beauty-Experten lustig gemacht – “Pff, brauch ICH doch nicht!” Tja, seit einiger Zeit creme ich zunehmend verzweifelt gegen die Schwerkraft meiner Haut an und lege bei Budni verschämt “Anti Age”-Produkte aufs Kassenband. Ich investiere nicht in Fonds, sondern in Fluids, Booster und Hydra-Ampullen.
Es ist einfach furchtbar verwirrend, dass ich mich oft wenig anders als mit Mitte 20 fühle – und gleichzeitig Kosmetika “für reife Haut” benutze. Was übrigens kaum noch steigerungsfähig ist, danach gibt’s nur noch “für sehr reife Haut”. Also bin ich schon sehr weit weg von jung, zumindest äußerlich.
Ich brauche immer eine Weile, um mich mit dem nächsten Knitter-Schub zu arrangieren.
Zu akzeptieren, dass mein Körper ein anderer wird, wieder mal, dass es ein unumkehrbarer Prozess ist, dass ich nie wieder ohne diese Falte, ohne jene Delle sein werde. Und dass es trotzdem gut so ist. Weil: Jung und knackig sterben will ja auch keiner. Und wenn ich mich dann arrangiert habe mit dem neuerlichen Verfall meines Körpers, springt mich im Spiegel schon wieder die nächste Veränderung an – hatte ich kürzlich auch schon diese weiche Haut unter meinem Kinn…?!
Aber das ist wohl der größte Lernprozess des Alterns: Dass Jungsein zunehmend eine Frage der Haltung ist. Dass es eben nicht um Anti-, sondern um Pro-Age geht. Dass unser Körper die Landkarte unseres Lebens ist, in der all unsere Leistungen eingeschrieben sind, auf die wir stolz sein sollten. Mir kommt allerdings trotzdem immer wieder die Eitelkeit in die Quere. Das eigene Empfinden, dass uns jünger schummelt, als wir es tatsächlich sind. Und ja: Ich möchte mich immer noch attraktiv fühlen, auch jenseits der 50. Und dann jenseits der 60, 70…
Aber das hat nicht unbedingt etwas mit faltenfreien Gesichtern zu tun.
Sondern mit Ausstrahlung. Mit innerer Zufriedenheit, ja, auch mit Dankbarkeit. Dass wir schon so weit gekommen sind. Ehrlicherweise sind wir selbst sowieso immer unsere härtesten Kritikerinnen. Schon immer. Früher war der Busen eben zu klein, heute hängt er zu sehr. Aber andere sehen nicht zuerst die grauen Haare, die nachlassende Elastizität unserer Haut. Die sehen einen Menschen, der entweder zufrieden mit sich ist – oder dauernd mit sich hadert. Und welche Option davon ist jetzt ganz objektiv betrachtet attraktiver…? Eben.
Ich weiß eigentlich gar nicht, ob innen und außen überhaupt jemals wieder zusammenfinden. Ob es nicht auch ziemlich schön ist, sich immer noch so übermütig und unvernünftig zu fühlen wie früher, auch wenn man plötzlich Rücken hat und laufend neue Leberflecken, die in Wahrheit etwas mit der Anzahl der Lebensjahre zu tun haben. Ist es nicht genau das, was uns jung hält: Unser Ich, das alterslos ist, 25 und 46 zugleich und mit der ganzen Palette an Gefühlen, die uns ausmachen? Dass es nicht der Blick in den Spiegel ist, sondern der nach innen?
Vielleicht schreibe ich das gerade vor allem für mich auf.
Weil ich immer noch dabei bin, mich mit diesem “ich werde unwiderruflich älter”-Ding ehrlich anzufreunden, anstatt es missmutig und mit dem latenten Gefühl der Ohnmacht zu beäugen. Ich glaube, altern will wirklich gelernt sein. Dass es ein Prozess ist, vor allem ein innerlicher. Und da stecke ich gerade mittendrin. Und creme und booster und denke an manchen Tagen “Ist doch alles chico” und an anderen bloß “Oh Gott”. Und an wieder anderen ist es mir herzlich egal, weil ich wieder eine Lektion in Demut gelernt habe und einfach froh bin, hier zu sein.
Wie ergeht es euch mit dem Altern…?
Alles Liebe,
Das spricht mir so aus der Seele! Diese Diskrepanz zwischen außen und innen, total verrückt. Ich hatte es vor einiger Zeit mit meinem Vater davon, und auch der (inzwischen über 70) sagt, dass er das immernoch hat. Er fühlt sich viel viel jünger (Mitte 30) und erschreckt sich dann beim Blick in den Spiegel oder auch wenn er bim Sport manches nicht mehr so schafft wie vor 10 Jahren. Stellt euch mal vor, draußen laufen lauter äuerßlich “Alte” rum, die innerlich jung sind. Ist eigentlich verrückt, dass wir so ein gewisses Außenbild des Alters haben, das den Gefühlen in vielen Teilen nicht entspricht. Ich glaube das, was wir als “alt” sehen ist so negativ behaftet, dass wir das eben nicht sein wollen und jung sein statt mit einer Geisteshaltung mit einem gewissen Äußeren verbinden. Schön wäre ja, wenn wir nicht denken würden “oje, wer ist diese alte Frau im Spiegel”, weil das ja total abwertend gemeint ist, bzw. weil da was negatives mit schwingt, alt zu sein (verbissen, verbraucht, langweilig, unattraktiv und was weiß ich noch alles). Sonst würden wir ja nicht wie verrückt dagegen ancremen. Wenn wir aber ein anderes Bild des Alt seins hätten, müssten wir gar nicht so äußerlich dagegen ankämpfen, oder? Spannend, das alles! Alt werden wollen alle, alt sein kaum jemand. Traurig eigentlich. Und ein Grund, es anders zu machen.
Was für ein spannender, inspirierender Kommentar
zu Katias tollem Text! Danke dafür,
Claudi
Inspirierende Kommentare gibt es nur, weil ihr inspirierende Texte liefert. Danke dafür! 🙂
Und PS: Mein Papa ist meine echte Altersinspiration, der genießt seine Rente, bewegt sich viel, freut sich des Lebens und all der Dinge, die er noch kann, und seine vielen Falten sind im eigentlich ziemlich egal. So möchte ich auch werden 🙂
Hej liebe Miri, danke – ich hab diesen Austausch hier mit euch vermisst! 🙂 Alles Liebe, Katia
Jawoll! Merci beaucoup!
Hej liebe Miri, jajaja – es geht natürlich nicht um Äußerlichkeiten, sondern eine Haltung. Aber diese verdammte Eitelkeit, dieses gesellschaftlich zementierte Idealbild vom Jungsein… Schön, dass wir hier einen Raum haben, das alles zu reflektieren. Uns darüber auszutauschen. Unsere und eure Gedanken zu all diesen großen und kleinen Themen des Lebens miteinander zu teilen. Wie gut das tut! Wie schön, dass du hier bist! Alles Liebe, Katia
Du sprichst mir mal wieder aus der Seele. Ich hadere gerade auch sehr. Schön, dass man nicht alleine ist.
Liebe Grüße, Kathrin
Hej liebe Kathrin, ich glaube (und hoffe), dass auch das Hadern wieder nur eine Phase ist – und man danach wieder fein damit ist. Schön, dass du da bist und auch das Alter mit uns teilst 😉 Alles Liebe, Katia
Uff…das geht mir genauso! Habe auch das Gefühl, der nächste Schub kommt plötzlich immer mit aller Macht! Da tuscht man sich die Wimpern und danach gehen die Querfalten auf der Stirn kaum weg! 😉 Ich hoffe sehr, dass ich das auch schnell gelassener sehen kann und vor allem dieses hadern sein lasse! Danke für den schönen, ehrlichen Text!
Hej liebe Miriam, kenn ich! 😉 Wenn mir die Eitelkeit querschießt, versuche ich mir immer wieder zu sagen, was dieser Körper schon alles für mich getan hat, wie weit ich mit ihm gekommen bin. Und dann bin ich wieder ein wenig gnädiger – mit ihm und mit mir 😉 Wie schön, dass du dabei bist! Alles Liebe, Katia
Liebe Katja,
ich sehe auf den Bildern eine wunderschöne Frau, nicht hübsch, sondern schön, vielleicht eben weil sie nicht mehr ganz jung ist. Ich habe für mich entschieden, weder die Haare zu färben, noch mich zu schminken. Dafür: Zeit mit meiner Familie, mit Freundinnen, und viel Zeit in der Natur und in Bewegung (zu) verbingen. Und gerne bin ich im Alter so ein altes Mütterchen mit Kopftuch, wie es einst ganz selbstverstädnlich war. Warum auch nicht?
Liebe Grüße
Hej liebe Henriette, ich danke dir 🙂 Was für ein schönes Kompliment! Wahrscheinlich nimmt jede und jeder das Alter anders wahr und gestaltet es anders aus. Ich färbe mir zwar auch nicht die Haare, aber ungeschminkt mag ich beispielsweise nicht so gern aus dem Haus gehen (zumindest nicht ohne mascara ;-). Und ich finde es auch spannend, einer Generation anzugehören, die das Alter vielleicht anders ausgestaltet als die vorherigen. Wie schön, dass du hier dabei bist, alles Liebe, Katia