Ich bin mehr so der Tempo-Typ. Schlendern wurde nicht für mich erfunden, stillsitzen auch nicht. Mein Zufriedenheitsgrad mit mir und der Welt steigt für gewöhnlich mit der Anzahl der Dinge, die ich geschafft habe. Sechs-Uhr-Wecker-Brotboxhochdrei-Wäsche-Schreiben-Haushalt-Kinderhobby-Joggen-Einkaufen-Kochen-Piratenpicknick-Hausaufgaben-Gartenarbeit-Date-mit-meinem-Mann-huch-eingeschlafen. Hurra, was ist mein Leben erfüllt…!

Doch seit geraumer Zeit merke ich öfters, dass Haken auf To-Do-Listen mich nicht mehr mit Befriedigung, sondern immer häufiger mit bleierner Erschöpfung erfüllen. Dass „persönliche Erfüllung“ kurzerhand in „wegen Überfüllung“ geschlossen umschlägt. Denn mit jedem Kind mehr, das Liebe, lecker Essen und ein halbwegs organisiertes Leben braucht, zieht das Tempo weiter an, wächst der Berg der zu erledigenden Dinge – und mir immer schneller über den Kopf. Mehr noch: das alles scheint mich selbst und meine Bedürfnisse gänzlich zu begraben. Denn es gibt zwar zuhauf Kinder-Zeit, Arbeits-Zeit, Orga-Zeit, aber meine eigene nähert sich verdächtig der Nullzeit an. So zumindest der Stand VOR Corona, Hausbau-Finale und Umzug…

Als ich kürzlich mit nervigem Piepen in den Ohren am Abendbrottisch saß, während um mich herum das übliche Tohuwabohu aus Krümel-Krawall und Müde-Mauligkeit herrschte, ging die Müsli-Packung zu Boden – und ich innerlich ebenfalls. „Mama, was hast Du denn…?“, fragte der Große völlig überrumpelt. „Das kann man doch alles wieder aufsammeln!“ „Ich weiß, mein Schatz“, murmelte ich unter Tränen, während seine warme Kinderhand unbeholfen meinen Arm streichelte. Was ich für mich dachte, war: Aber wer sammelt mich bloß wieder zusammen?

Wie gut, dass ich einen Mann habe, der durch und durch Nordmann, sprich: vor allem meistens bedächtig ist. Hektik ist ihm fremd, Multi-Tasking sowieso. Also das komplette Gegenteil von mir. Halleluja! Dabei entspringt die Ruhe nicht allein seinem Naturell – er tut auch etwas dafür: gönnt sich mal eine zwanzigminütige Mittags-Auszeit, macht im Garten auf der Liege kurz die Augen zu. Mitunter macht mich das kirre: Wie kann man denn jetzt bitteschön dösen, wenn noch 1000 Dinge zu erledigen sind? Aber in Wahrheit beneide ich ihn auch ein wenig darum. Um diese kleinen Ruhe-Inseln, die er im Alltag findet, mit denen er ein wenig erfrischter zurück ins Chaos tauchen – und länger die Nerven behalten kann.

Das will ich auch, dachte ich nach meinem Müsli-Breakdown. Mehr noch: Das BRAUCHE ich auch! Aber nicht als gestohlener Moment inmitten von Kinder-Trara. Sondern regelmäßig ganz für mich, ganz bei mir. Allein und in Ruhe. Um mich zu sammeln. Um wieder mehr Ich zu werden.

So habe ich spontan angefangen zu meditieren. Auf meiner Yogamatte mit Blick über den blühenden Garten starte ich jetzt so oft es geht allein in den Tag. Ich stehe eine halbe Stunde früher auf, das ist im Sommer sogar ziemlich schön. Alles ist noch ruhig und unberührt, der Tag kann alles werden. Und tatsächlich werden die Tage ein klein wenig besser, wenn ich sie in Ruhe starte. Als würde sich dieses Gefühl über den Tag legen und mir ein bisschen mehr Geduld, mehr Freude, mehr Spielraum bescheren. Ich habe mir dafür ein kleines Ritual zurechtgelegt, das ich sehr schön finde: Wenn ich bequem sitze, schließe ich die Augen und konzentriere mich auf meinen Atem. Ist er ruhig und gleichmäßig, sage ich mir zu jeder Ein- und Ausatmung kurze Sätze, die ich mir vorher zurechtgelegt habe. Es sind stets die gleichen, in immer gleicher Reihenfolge.

Einer lautet: „Ich bin stark.“ Ein anderer: „Ich bin dankbar.“ Noch ein weiterer: „Ich liebe und werde geliebt.“ Es sind zehn solcher Mini-Mantras, die ich innerlich und im Einklang mit der Atmung wiederhole, mal fünf, mal zehn Minuten, so lange es eben geht. Mir hilft das dabei, mich nicht dauernd in anderen Gedanken zu verlieren, die mir unweigerlich kommen, wenn ich nur dasitze und der Stille lausche. Mehr noch helfen mir diese Sätze allerdings, mich auf das Wesentliche zu fokussieren – und vielleicht ist es das, was mich anschließend besser durch diese Tage bringt: Ich mache mir bewusst, wie reich, wie schön, wie lebendig mein Leben ist. Und zugleich gebe ich mit der Meditation ein anderes Tempo vor, als wenn ich direkt aus den Federn an die Kaffeemaschine stürze und nebenher mit Joghurt/Porridge/Toast jongliere.

Natürlich klappt es nicht immer gleich früh morgens. Manchmal ist das Bett doch noch zu bequem, der strohblonde Zwerg neben mir doch zu schmusig. Aber dann versuche ich es eben, sobald die Kinder in Kita und Schule sind. Und zwar, bevor ich in blindem Aktionismus mit Aufräumen und Anpacken losspurte. Das bringe ich mir nach Jahren der Fürsorge für andere nämlich auch gerade wieder bei: wenn möglich, kommen erst ich und mein Vergnügen dran, dann erst die Anderen und Arbeit. Achtsam statt Ackern. Das kann auch der Kaffee auf der sonnigen Terrasse sein, bei dem ich ganz bewusst den Sommer genieße, statt Wäsche Nummer drei zu sortieren. Oder ein Kapitel meines tollen Buches auf dem Daybed im Garten lesen, statt das Kücheninferno zu beseitigen. Dazu muss ich mich manchmal regelrecht zwingen. Aber tatsächliche verschaffe ich mir so zwischendurch wieder mehr Raum, mehr Luft – und habe nicht permanent das Gefühl, zu kurz zu kommen.

Manchmal habe ich übrigens auch Lust, mich beim Meditieren ein wenig anleiten zu lassen, schließlich bin ich ein absoluter Anfänger. Die App „Insight Timer“ bietet jede Menge geführte Meditationen, komplette Kurse oder einfach Musik zum Entspannen und Runterkommen. Toll finde ich auch Mady Morrison, die auf YouTube Meditationen anbietet. Ihre Schmeichelstimme lullt mich immer besonders wirksam ein, während sie dazu anleitet, mich ganz und gar gut zu finden (und zu fühlen!). Habe ich anschließend noch Bewegungs-Bedarf, schließe ich eine ihrer ebenfalls tollen Yoga-Sessions wie „Erden und Aufblühen“ oder „Anti-Stress-Yoga“ an. Und starte doppelt gestärkt in meinen Tag.

Mein Leben mit drei kleinen Kindern und neuem Haus nebst großem Garten wird sicher noch eine Weile eher ein wilder Galopp als ein gemächlicher Schritt sein – daran wird keine Atemübung, keine Asana der Welt etwas ändern. Und ein komplett neuer Mensch werde ich durch Meditation sicher auch nicht. Aber hoffentlich ein wenig ausgeglichener, zufriedener, ein bisschen bedächtiger als bisher. Und sei es nur das gute Gefühl, ich tue was für mich

Wie ist es bei Euch, wie tankt ihr neue Kraft und Energie?

Alles Liebe,

Anna