Ich kann hervorragend Neinsagen, wenn es um das zweite Eis geht. Um die dritte Folge “Paw Patrol”, den zigsten Glitzer-Flummi aus dem Automaten. Aber Neinsagen, um für mich einzustehen, mich abzugrenzen, mich stark zu machen – für oder gegen etwas? Da bin ich doch noch viel zu oft Team “Vielleicht”. Oder auch Team “ich-schau-so-lange-aus-dem-Fenster-bis-die Situation-vorbei-ist” (wenn es um die Wahl der Elternvertreter geht). Dabei finde ich ein klares “Nein” zur richtigen Zeit bei anderen immer absolut bewundernswert. Nicht schwammig “Jaaaa, mal sehen…”, wie ich es gern halte, sondern kurz, knapp und freundlich “Nein” sagen. Das kann doch nicht so schwer sein, oder…?
Doch, es ist verdammt schwer. Weil ein “Nein” immer andere Konsequenzen hat als ein ergebenes “Ja”. Weil wir oft lieber gefallen wollen als anzuecken, lieber gelobt werden wollen als uns und unsere abweichende Haltung zu verteidigen.
Wenn ich zu meinen Kindern “Nein” sage, nennt man das Erziehung. Wenn ich für mich “Nein” sage, fühle ich mich als Egoistin.
Wenn ich keinen Kuchen für die Kita backen will, weil ich schon genug auf dem Zettel habe. Und nur, um mir Diskussionen zu ersparen, dann eben doch einen Puffer zusammenrühre. Dabei sollte es in unserem Selfcare-erprobten Zeitalter doch möglich sein, Verständnis zu ernten, wenn die eigenen Kapazitäten gerade erschöpft sind. Und wer sollte besser wissen als ich, dass ich gerade keine Zeit habe, jedenfalls keine, die ich für andere aufwenden möchte. Sondern lieber für Yoga oder wonach mir eben gerade mehr der Sonn steht.
Vielleicht fällt es mir so schwer, weil ich nicht gut darin bin, Konflikte auszuhalten, nicht große, auch keine kleinen, alltäglichen. Und es schreit eben keiner “Juhu”, wenn man einem Gefallen, einer Aufgabe, einer Verabredung eine Absage erteilt. Vielleicht erntet man stillen Respekt, vielleicht Neid, weil anderen die Chuzpe fehlt, das so frei herauszusagen. So geht es mir umgekehrt jedenfalls immer. Aber es fällt einem niemand um den Hals, wenn man unmissverständlich “Nein” sagt. Und das muss man aushalten können.
Ist es die ewige Sehnsucht danach, gemocht zu werden?
Ist es die klassische Vermeidungsstrategie, weil man bei einem unehrlichen “Ja” sich nur über sich selbst ärgert, bei einem ehrlichen “Nein” aber mit Schuldgefühlen den anderen gegenüber klarkommen muss? Ich fürchte, ja, zumindest bei mir. Um andere nicht zu verletzten oder zu verstimmen, ist es einfacher, meine eigenen Grenzen zu strapazieren.
Es ist nicht so, dass es nicht versuchen würde. Nur: Ich werde so schnell zickig, wenn ich dann doch mal Nein sage.
Damit bloß keiner auf die Idee kommt, das in Frage zu stellen. Oft führt allerdings genau diese Haltung dann zu unschönen Konflikten. Wer pampig ist, erntet oft kein großes Verständnis, von Sympathien ganz zu schweigen. Oder ich verheddere mich in Erklärungen, Rechtfertigungen – die selbst für mich nach faulen Ausreden klingen.
Dabei ist “Nein” ist ein vollständiger Satz. Ich bin niemandem eine Erklärung schuldig, wenn ich etwas nicht machen will. Ich habe es für mich so entscheiden – der Rest geht niemanden etwas an. Sollte ich mir selbst an den Kühlschrank pinnen. Denn ich rede mich lieber um Kopf und Kragen als ein “Nein” einfach unkommentiert im Raum stehen zu lassen.
In Sachen Neinsagen kann ich übrigens noch jede Menge von meinen Kindern lernen.
Und ich meine nicht ihr notorisches “Nein” zu Aufräumarbeiten aller Arten. Sondern zum Beispiel ihr nonchalantes Nein zu Verabredungen: “Willst du heute mit mir spielen…? “Nein, keine Lust.” Punkt. Damit ist die Sache geklärt. Kein “Vielleicht morgen.”, keine Entschuldigung, kein Kommentar.
Wenn ich dabei bin, ist es für mich viel schwerer auszuhalten als für sie. Kinder wollen keinen Erwartungen genügen. Die stellen Empathie nicht über ihr eigenes Empfinden. Ich hoffe, es bleibt dabei. Ich hoffe, sie knicken nicht irgendwann vor ihrer natürlichen Courage ein, vor gesellschaftlich verordneter Rücksichtnahme.
Schließlich bringt ein “Nein” uns häufig so viel weiter als ein “Ja”. “Nein” schafft Freiräume und Klarheit. “Nein” schützt vor falschen Erwartungen, schützt innere und äußere Grenzen. Nein ist das wichtigste Wort, das wir unseren Kindern mit auf den Weg geben können. Und uns selbst auch.
Solltet ihr mich demnächst irgendwo treffen, wundert euch nicht, wenn ich euch ein beherztes “Nein!” entgegenschmettere. Ich muss üben.
Seid ihr gut im Neinsagen?
Alles Liebe,
Liebe Katja,
tolle Worte. Komisch, dass man sich immer so mit dem eigenen “nein” anstellt… Was soll das eigentlich? Da versucht man den Kids beizubringen für sich selbst einzustehen und seine Bedürfnisse zu beachten und lebt ihnen dann das vor. Ist doch blöd. Aber so schwer zu verändern, weil wir eben nicht so erzogen wurden.
Ich habe vor einiger Zeit mal gelernt: Ein “nein” zu anderen ist ein “ja” zu mir. Da hilft mir manchmal.
Und als Tipp: an den Elternabenden immer vorauspreschen und die Wahlleitung machen. Dann kann man nicht gewählt werden und hat sich trotzdem engagiert…. 😉
Liebe Grüße, Sabrina
Hej liebe Sabrina, danke dir! Ja, ich verstehe das auch nicht so richtig. Ich kann es nicht mal auf vermurkste Erziehung schieben, weil meine Eltern mir sicher NICHT beigebracht haben, immer das brave, stille Mädchen zu sein – im Gegenteil! Und doch fällt es mir wahnsinnig schwer. Deinen Elternabend-Tipp beherzige ich sofort – am Donnerstag naht nämlich schon der nächste ;-)Alles Liebe, Katia
Vielen Dank für diesen wunderbaren Text, liebe Katja, der mir aus der Seele spricht. Mein Trick in solchen Fällen ist, erst mal zu sagen, dass ich mir die Sache überlege und mich zum Zeitpunkt X melde. Dann sammle ich daheim alle Argumente, wappne mich und sage dann nein mit den Argumenten im Hintergrund. Mir fällt es so viel leichter. Ich freue mich immer über deine lebensnahen Texte! Liebe Grüße! Charlotte
Hej liebe Charlotte, ja, diese Aufschub-Strategie würde mir bestimmt auch gut tun.Ich bin oft zu vorschnell, weil ich denke, es wird ja jetzt eine Reaktion erwartet. Was Quatsch ist, Bedenkzeit ist immer besser, Argumente sammeln sowieso (mir fällt spontan auch nie etwas Gescheites ein… 😉 Danke für deine liebe Rückmeldung, wie immer 🙂 Auf bald, alles Liebe, Katia
Wow, ich habe so oft “genau!” gesagt…. Kann nicht sein sagen, wenn doch zickig und erkläre mich stundenlang um Kopf und Kragen. Und nein, ich habe leider keine Tricks. Beruflich vertrete ich meine Positionen ohne Probleme, für mich selbst schaffe ich es nicht. Meine Tante meinte, ich müsse daran arbeiten, dahinter zu stehen und es mir selbst auch tatsächlich zuzugestehen, da ist sicher was dran.
Hej liebe Lora, es lohnt auf jeden Fall sehr, da genau hinzuschauen! Ich halte die Daumen, dass du privat bald so eloquent wie beruflich im Neinsagen bist! 🙂 Alles Liebe, Katia
Hallo liebe Katia,
toller Artikel, Nein sagen fällt auch mir schwer. Welche Perspektive mir fehlt ist die, dass sich v.a. bei gesellschaftlichem/ehrenamtlichem Engagement (z.B. im Kindergarten, bei Schulfesten etc.)
immer die gleichen die Jasager sind und sich die Arbeit machen und die Neinsager (oder Wegschauer) sind auch immer die gleichen und diese Neinsager als Vorbild zu haben kann es ja auch nicht sein. Das größere Problem ist m.E. das der dauerhaften Neinsager.. Aber du hast vollkommen Recht damit, dass die Jasager auch mal Nein sagen sollten. Nur sollten die Neinsager auch mal Ja sagen.. 🙂
Hej liebe Sarah, ja, häufig fällt es schwer, diese eingefahrenen Muster zu durchbrechen – ich muss mir das richtig vornehmen… Und ich wäre gern in beiden Teams: Ja, wo ich mich einbringen will (und nicht denke, es wird von mir erwartet) und Nein, wo Grenzen gefragt sind. Alles Liebe, Katia