Das Aufregendste, was ich in letzter Zeit erlebt habe, war stocknüchtern auf eine Party zum 50. zu gehen – und auch schon vor Mitternacht wieder zu verlassen. Mein Leben war schon mal aufregender, wenn ich ehrlich bin. Bei mir siegt gerade immer die Vernunft über ihre kleine Schwester Unvernunft: Ich trinke keinen Alkohol, sondern Detox-Wasser, schlafe viel und meist vor 23 Uhr und wenn ich ausgehe, dann ins Kino oder schön essen. Steil gegangen bin ich in einem anderen Leben – und frage mich gerade: Ist aus mir mit Mitte 40 aus Versehen eine Langweilerin geworden? Und vor allem: Wär das eigentlich schlimm…?
Vielleicht kommt es auf den Kontext drauf an: Eigentlich bin gerade fein damit, mich gut zu fühlen. Denn konsequent keinen Alkohol, gute Ernährung, viel Bewegung und ausreichend Schlaf führen dazu, dass mein Wellness-Konto derzeit deutlich im Plus ist. Mein Abenteuer-Konto dafür weniger.
Mein Leben besteht gerade aus einer Abfolge immer gleicher Alltagshandlungen.
Schlafen, arbeiten, Kinder, Yoga, essen, repeat. Früher bekam ich dann regelmäßig einen Rappel – und wollte ganz dringend mehr Action in meinem Leben, mehr Abenteuer, was auch immer das heißen sollte. Meist wurde es dann die Flasche Wein, die ich gemeinsam mit Freundinnen leerte und mich dabei für den Moment ein wenig wilder, freier, lustiger fühlte – bis zum nächsten Morgen. Dann fühlte ich meist nur noch den Brummschädel. (Hier habe ich kürzlich schon mal darüber geschrieben, wie es dazu kam, dass ich keinen Alkohol mehr trinke.)
Nein, das vermisse ich nicht. Aber manchmal vermisse ich dieses Anfangs-Gefühl, das damit einhergeht. Diese Chance, auszubrechen aus dem immer gleichen Hamsterrad, das Alltagsleben mit sich bringt. Für eine Weile den Kopf auszuschalten, das Gefühl zu haben, es sei eben doch mehr als Vertraute möglich. Seitdem ich immer nüchtern bin, bin ich nur noch verkopft – das ist mein Naturell. Stocknüchtern mit Stock im Hintern. Schwierige Kombi, wenn es ausgelassen werden soll. Im Familienalltag komme ich gut längs damit – aber wenn ich mit Menschen zusammen bin, die gern mal Fünfe gerade sein lassen, kippt mein Wohlgefühl mitunter in Frust.
Ich fühle mich sterbenslangweilig, wenn meine Freundin T. mir erzählt, was für einen legendären Ausgeh-Abend sie kürzlich wieder hatte.
Wie sie mit einer Freundin in einer Bar erst ein paar Drinks und dann ein paar Musiker aufgelesen hatte – und wie sie alle gemeinsam bis zum Morgengrauen durch die Clubs der Stadt zogen, tanzend, singend, lachend. Da war dieses Leuchten in ihren Augen, das ich auch von mir noch kenne. Aus einem anderen Leben. Ich war an besagtem Abend mit zwei von drei Kindern und einer von zwei Katzen im Elternbett eingepennt. Auch schön, eigentlich. Bis ich mich mit ihr verglich. Und irgendwie fand, dass es unterm Strich für mich eintöniger ausfiel.
Klar, meine Freundin T. hat keine kleinen Kinder mehr, die sie ins Bett bringen muss. Die gehen selbst schon aus. Und dennoch: An solchen Schnittstellen, frage ich mich manchmal, ob mein Leben nicht auch ein bisschen mehr Würze vertragen könnte. Ein wenig mehr Spontaneität, mehr Abenteuer, zumindest in homöopathischen Dosen. Es muss ja gleich nicht bis morgens um fünf auf dem Kiez sein. Oder…?
Kürzlich war ich mit meinem Mann aus – am Samstagabend auf der Hamburger Reeperbahn. Und wir beide komplett nüchtern.
Als wir zwischen lauter angetrunkener Party-Teens standen, erklärte ich den Abend gedanklich bereits zur Schnapsidee. Und dann wurde es doch richtig schön: Das Konzert eines alten Freundes war überraschend gut, wir tanzten – und kurz vor Mitternacht holten wir uns noch lecker Tacos to go, die wir heimlich an der Bar vertilgten. Um zwei lagen wir im Bett, mit dem guten Gefühl, einen besonderen Abend erlebt zu haben – und am nächsten Morgen garantiert keinen Kater in Aussicht.
Leider liegt diese Anekdote auch schon wieder Monate zurück. Vielleicht kommen gerade viele Faktoren zusammen, die ein Leben voller Aufregung abseits des Alltags erschweren: Nicht nur, dass – wer nicht trinkt – meist nicht der letzte auf der Party ist. Wer wie wir recht provinziell auf dem Dorf lebt, muss erstmal auf die Party kommen. Was mit noch relativ kleinen Kindern auch immer zwingend Babysitter-Orga bedeutet – selbst für nur einen Drink an der Bar, die gut 45 Minuten Fahrt entfernt ist. Da braucht es schon für die Abenteuer-Anbahnung viel Energie, an der in unserem Fünfer-Familienalltag allerdings chronischer Mangel herrscht.
An den meisten Tagen komme ich allerdings erstaunlich gut damit klar, ein eher überschaubares Leben zu haben.
Wollte ich wirklich wieder in der Stadt leben? Nicht wirklich, schon gar nicht mit drei Kindern, die viel Auslauf brauchen. Wollte ich ernsthaft dauernd die Nacht zum Tag machen und bis zur Dämmerung um die Häuser ziehen? Würde mir vermutlich einmal im Jahr reichen – zumal ich diesen Lebensstil zwischen 18 und 35 bereits ziemlich abgefeiert habe. Mal abgesehen davon, dass ich mich mit Mitte 40 zwischen lauter 20jährigen nicht mehr ganz so zu Hause fühle wie früher.
Und irgendwie fühle ich auch gerade mehr als vorher, dass dieses verdammt fordernde Familienleben endlich ist. Dass das Kümmern weniger werden wird. Und immer häufiger denke ich: Dass ich das noch eine Weile genießen möchte, statt immer schon jetzt nach einem Ausweg daraus zu suchen.
Der Ausweg kommt von ganz allein, sobald die Kinder ihr eigenes Ding machen. Und bis dahin hat es auch viel für sich, wenn die Kinder sich abends noch von mir etwas vorlesen lassen mögen, wenn wir gemeinsam einen Familienfilm schauen – und ich nicht auf der Suche nach aufregenderen Dingen bin.
Vielleicht bin ich gar nicht langweilig geworden, sondern einfach zufriedener mit dem kleinen Leben.
Von dem ich gar nicht mehr dauernd erwarte, dass es für mich extraordinäre Dinge bereithält, sondern einfach einen Alltag ohne größere Katastrophen. Der gern mitunter eine Extrarunde nur für mich drehen darf, die ich bloß selbst angehen muss – Stichworte Babysitting, wenn Ausgehlust. Früher habe ich steilgehen immer über wohlfühlen gestellt – das hat sich in der Mitte des Lebens verkehrt. Und fühlt sich meistens dennoch ziemlich richtig an.
Und ihr: Wie empfindet ihr euer Leben?
PS: Magst du uns ein zu ein wenig mehr Stabilität verhelfen? Dann freuen wir uns sehr, wenn du ein freiwilliges Abo für den Preis eines Latte Macchiatos im Monat abschließen würdest. Alle Infos findest du hier – und wir sagen von Herzen Danke!
Alles Liebe,
toller Beitrag. Ich habe vor Kurzem gelernt, dass es auch ein Leben ohne Kinder gibt. Zumindest für ein paar Stunden. Das Leben mit meinen Kindern liebe ich sehr, so sehr, dass ich mich jahrelang vergessen habe. Auch schwierig Zeit für sich zu finden, wenn beide in Schichten in der Gastronomie arbeiten und 4 Kinder zwischen 2 und 7 Jahren haben, inkl. Haus auf nem Dorf mit großem Garten. Andere hatten gut reden: ” du brauchst auch mal Zeit für dich” “wann denn” – dachte ich. Wenn ich nach Hause komme bin ich kaputt und übernehme die Kinder, damit mein Mann zur Arbeit fahren kann und bis 22/ 23 Uhr weg ist. Da mein Tag halb 5 angefangen hat, bin ich glücklich gewesen, wenn ich ihn mitbekommen habe und wir kurz über unseren Tag reden konnten. Da sollte ich mich auch rausnehmen? Dann wurde ich leider krank geschrieben. Mein Kopf machte nicht mehr mit. Ich musste zur Therapie. Man sagte mir “Sie brauchen Zeit für sich” , ” wann denn” – dachte ich wieder. Mein Mann hörte mir intensiv zu, als ich von Gesprächen mit Therapeuten und anderen Patienten sprach. Und wir richteten einen Diskoabend für meine Freundin und mich ein. Ich tanzte gefühlt alles an diesem Abend aus mir heraus, was sich all die Jahre angestaut hatte. Wir waren bis halb 5 weg, ohne Alkohol, völlig zum Obst gemacht, weil wir auch ohne Alkohol Spaß haben können. Aber total glücklich und entspannt. Am nächsten Morgen schmissen mich meine Kinder und mein Mann um 6 aus den Federn. Ich war an diesem Tag die entspannteste Mama auf Erden… Seitdem ist ein Freundinnenabend 1x im Monat Pflicht gewesen und es geht mir um Einiges besser.
Mit meinem Mann war ich übrigens seit Jahren nicht mehr Abends weg. Wir gönnen uns manchmal ein Mittagessen in einem Restaurant zusammen, wenn wir zufällig am selben Tag frei haben. Irgendwann wird es auch abends mit ihm wieder klappen 😉
Hej liebe Lisa,
ich danke dir sehr für deine Geschichte und Gedanlken, die du hier mit uns teilst. Ein Disko-Abend klingt ganz und gar herrlich – ich weiß wirklich nicht nicht, wann ich das letzte Mal tanzen war (außer an besagtem 50. Geburtstag). Ich glaube, mir würde das auch richtig gut tun – Kopf aus, Gefühle an und einfach sich alles von der Seele tanzen. Klingt nach einem Plan. Mit Freundinnen gehe ich auch regelmäßig aus, aber eher zum Quatschen oder ins Kino – auch schön, aber manchmal würde ich mich gern einfach noch befreiter fühlen. Insofern: danke für den Anstoß! Alles Liebe, ich drück die Daumen, dass du dir auch bald gemeinsam mit deinem Mann einen entspannten Abend machen kannst! Alles Liebe, Katia
Hallo Katia!
Dein Text und Deine abschließende Frage erinnerte mich an ein Gespräch, das ich mit meinem Mann vor ein paar Monaten auf der Couch geführt habe?
Ich: Findest Du unser Leben nicht ein wenig langweilig bzw. eintönig?
Er: Nein, warum? Für mich passt es.
Wir sind beide 100% berufstätig und die Kinder, die noch bei uns wohnen, sind 14 und 17 Jahre alt.
Oft fehlt mir am Abend die Energie und am Freitag Abend bin ich schon froh, wenn ich das Ende der “heute-show” noch wach erlebe. Unter der Woche versuche ich, keinen Alkohol zu trinken und am Wochenende ein Glas Wein am Abend, also fast noch fahrtüchtig.
Mir fehlt dann manchmal mein altes Leben und auch zuweilen die Gelegenheiten zum Feiern.
Um so schöner war es dann, als ich vor 3 Wochen mit meinen Freundinnen aus meiner Heimat einen spontanen, ungeplanten, lustigen und unvergesslichen Abend hatte, der uns allen gezeigt hat, dass man mit Ü50 auch noch ziemlich gut feiern kann. Die einen mit etwas mehr Alkohol, ich gemäßigt, da ich am nächsten Tag noch Pläne hatte.
Manchmal wünsche ich mir mehr Action in meinem Leben und dann freue ich mich aber auch, dass ich zufrieden bin, wie es gerade ist, denn sonst würde ich vermutlich mehr Energie aufbringen, um daran etwas zu ändern.
Mal sehen, was die Zeit bringt, aber Dein Text war wieder so inspirierend, dass ich mir mal wieder mehr Gedanken um das Thema machen werde.
Liebe Grüße
Andrea
Hallo Katia!
Dein Text und Deine abschließende Frage erinnerte mich an ein Gespräch, das ich mit meinem Mann vor ein paar Monaten auf der Couch geführt habe?
Ich: Findest Du unser Leben nicht ein wenig langweilig bzw. eintönig?
Er: Nein, warum? Für mich passt es.
Wir sind beide 100% berufstätig und die Kinder, die noch bei uns wohnen, sind 14 und 17 Jahre alt. Dazu noch 1 Hund und 4 Katzen.
Oft fehlt mir am Abend die Energie und am Freitag Abend bin ich schon froh, wenn ich das Ende der “heute-show” noch wach erlebe. Unter der Woche versuche ich, keinen Alkohol zu trinken und am Wochenende ein Glas Wein am Abend, also fast noch fahrtüchtig.
Mir fehlt dann manchmal mein altes Leben und auch zuweilen die Gelegenheiten zum Feiern.
Um so schöner war es dann, als ich vor 3 Wochen mit meinen Freundinnen aus meiner Heimat einen spontanen, ungeplanten, lustigen und unvergesslichen Abend hatte, der uns allen gezeigt hat, dass man mit Ü50 auch noch ziemlich gut feiern kann. Die einen mit etwas mehr Alkohol, ich gemäßigt, da ich am nächsten Tag noch Pläne hatte.
Manchmal wünsche ich mir mehr Action in meinem Leben und dann freue ich mich aber auch, dass ich zufrieden bin, wie es gerade ist, denn sonst würde ich vermutlich mehr Energie aufbringen, um daran etwas zu ändern.
Mal sehen, was die Zeit bringt, aber Dein Text war wieder so inspirierend, dass ich mir mal wieder mehr Gedanken um das Thema machen werde.
Liebe Grüße
Andrea
Hej liebe Andrea, was für ein schönes Feedback – ich danke dir! 🙂 Vermutlich ist es ab und an nicht verkehrt, sich selbst zu fragen, ob man mit dem Leben, wie es ist, ganz und gar zufreiden ist. Oder ob der Alltag nicht vielleicht doch noch ein wenig mehr bereithält als Arbeit, Haushalt, Kinder. Ich war gestern vormittags mit meinem Mann ein paar Stunden Wellness machen – allein das war wie ein kleiner Kurzurlaub! Und vermutlich wäre es gut, sowas noch regelmäßiger einzubauen, aber das haut meist nicht hin. Das Leben eben. Hab ein wunderschönes Wochenende, danke für deinen ganz persönlichen Einblick, Katia
Liebe Katja,
danke für diesen Text, der mich wieder mal abholt, obwohl ich nie so groß im Ausgehen war.
Aber: Ich war kürzlich mit einer Freundin zum ersten Mal bei “Mama geht tanzen” und wir hatten einen super Abend – in der gleichen Disco wie früher, aber eben ganz mamatauglich nur von 20 bis 23 Uhr mit fast ausschließlich Frauen in fast jeder Altersklasse, die alle das gleiche Ziel hatten: entspannt zu feiern.
Kann ich nur empfehlen 😉
Ganz liebe Grüße, Anja
Hej liebe Anja, wie schön, dass freut mich sehr! 🙂 Von Mama geht tanzen habe ich kürzlich auch schon im Newsletter berichtet, war aber selbst nie da. Habe jetzt aber schon mehrfach gehört, dass es ein großer Spaß ist. Ich träume irgendwie noch von Clubs für alle – aber wenn es da nicht vor Mitternacht richtig los geht, bin ich leider raus 😉 Ich werde berichten! Alles Liebe, Katia