Kein besonderes Foto: Ein Frühling, ein Feuer und wir. Traditioneller Start in die Ostertage. Und doch war dieser Moment speziell. Weil ich nämlich seit einer Ewigkeit nicht alle meine Kinder zusammentrommelte, damit ich mich später an unser Ostern erinnern konnte. Sondern bloß André an seinem Gartenjackenärmel zu mir zog und den Nachbarn bat: „Mach mal schnell ein Foto“. Für unser Ostern reichen nämlich auch wir zwei. Der Moment trifft mein aktuelles Gefühl…
Eine gefühlte Ewigkeit nämlich war ein Foto nicht vollständig ohne uns alle. Ein Nachmittag war es nicht, ein Sonntag nicht, ein Urlaub nicht. Ich fühlte mich unvollständig ohne meine Kinder, als wären sie noch in mir, obwohl sie längst draußen waren. Ihre Freude war meine Freude, wenn sie lachten, lachte ich. Ihr Kummer war mein Kummer. Wir das waren immer wir plus vier.
Ich weiß nicht, ob es die Hormone machen oder die Zeit oder der Zufall. Aber meine Kinder werden größer (der vierte schneller als die anderen zuvor) und ich fange an, das Wir neu zu denken. Wenn sie beim Osterfeuer ihr Ding machen, ich sie nicht mal sehen kann, freue ich mich für sie und lasse sie machen. Auch wenn ein Kind bei Ausflügen lieber bei Freunden bleibt, bleiben wir ein Wir. Es fühlt sich nicht mehr an, als hätte ich Körperteil zuhause vergessen.
Unsere Zeit und Social Media idealisiert die Kleinkindzeit, oder nicht?
Ich meine: Familienbett, Familienfrühstück, Familienausflug, Einer für alle, alle für einen. Im Kopf das Bild der Bausparfamilie. Wie anstrengend das ist, merkt man oft erst, wenn man – vielleicht bloß durch Zufall – mal etwas getrennt macht. Backen nur mit einem Kind, Film gucken nur mit zweien und man spürt plötzlich: Himmel ist das entspannt. Und: Dass man sich hinterher was zu erzählen hat. Dass man eine Familie bleibt, auch wenn man nicht jede Stunde als Familie verbringt. Das Bausparfamilienbild hat einen Riss, aber wir haben: Frieden.
Je größer die Kinder werden, desto mehr wollen sie ihr Ding machen. Ihre Freunde treffen (nicht unsere), ihren Sport treiben (nicht unseren), ihre Filme gucken (nicht die, die wir gut finden). Und ich lasse sie ziehen. Nicht immer ohne zu schlucken, aber immer öfter sogar mit einer kribbeligen Aufregung im Bauch. Denn ihr Kram lässt mir Zeit für meinen Kram.
Fakt ist: Ich fühle mich immer öfter nicht mehr als Einheit mit meinen Kindern.
Sie werden groß – und sie werden sie selbst. Tatsächlich sehe ich sie immer öfter auch mal kritisch. Genau wie meine Kinder mich übrigens auch! Was verrückterweise an unserer Liebe zueinander nichts ändert. Ich spüre, dass es Zeit ist, meinen Mama-Mantel immer öfter an der Garderobe hängenzulassen und stattdessen abwechselnd Bootcampcoach, Sparingpartner, Freundin und auch mal Feind zu sein.
Mir macht immer öfter Freude, was ihnen keine Freude macht. Über ihre Witze kann ich oft nicht lachen, ihnen ihren Kummer nicht mehr nehmen. Ich kann sie bloß immer mehr ermutigen, ihr Leben zu leben. Und ich kann sie loslassen, damit sie sich um sich kümmern können. Und sie dabei immer wieder daran erinnern, dass ich als Kummerkompost für sie da bin, egal wo auch immer ich gerade bin. Und das daraus hoffentlich unsere Beziehung wächst.
Denn hey, jeder Abschied ist auch ein Anfang.
Das letzte Mal stillen ist der Restart in die Freiheit. Die letzte Nacht mit Kind im Bett der Start in ihre Schlafselbständigkeit – und unsere Kurztripzeit. Schauen wir doch öfter auf das, was kommt, als immerzu auf das, was geht. Auch für sie! Ich ziehe André also mit Schwung zu mir und feiere unser Wir. Auch um ihnen hoffentlich die Möglichkeit zu geben, jederzeit zum Wir zurückkommen zu können.
Schöne Ostern,
Sehr schöner Text. Und so wahr. Meine Gefühle haben durch deine Worte Ausdruck gefunden. Ja, auch Feind sein muss man manchmal. Und die Kurztrips zu zweit sind wunderbar. Wir entdecken das Paar-Wir auch gerade neu und genießen es sehr.
Liebe Claudi, wieder ein Text, der mir aus der Seele spricht… unsere Spaziergänge sind selten noch zu viert und wenn ich alleine unterwegs bin, fragen mich manche hier auf dem Dorf wo mein Mann und meine Kinder sind… ich gehe alleine, weil sie keine Lust haben und es einfach so entspannter für alle ist! Mein Sohn wird immer eigenständiger und auch meine Tochter findet es einfach manchmal spannender mit Freundinnen als mit mir, Ich finde das schön, weil ich dann auch einfach Zeit hab, für mich und mit meinem Mann für uns! Und ja, meine Rolle verändert sich, ich bin oft uncool und blöd, aber immer noch die Mama, die man braucht und die einen auch dann noch in den Arm nimmt wenn man fast genauso groß ist wie sie…
Ach Claudi,
scheinbar ist’s so. Es ist so schön zu lesen, denn es trifft es genau. Ich freue mich immer so sehr, dass du und Katja immer den Ton meiner Seele treffen, wenn ich es brauche. Dankeschön!
Liebe Grüße, Julia
Oh ja-Leinen los, statt Leinen zusammenhalten (zählt fürs Schiff und die Kutsche und die Kinder;). Danke für die positive Sicht auf diesen Abschnitt-ich finde es auch, dass die Kleinrindzeit (sorry, manchmal ist es zum Mäusemelken:( auf Instagram idealisiert wird. Danke für den schönen Artikel!
Genau so ist es und es ist auch gut so – aber manchmal muss man sich selbst erstmal wieder daran erinnern 😉
Sehr schöner Text.
Liebe Claudi,
ganz interessanter Text! Ich hab neulich noch gedacht, dass sich auf deinem Blog irgendetwas grundlegend verändert hat. Dieser Artikel trifft es wohl recht gut. Die Themen verschieben sich mehr zum Ich sein weg vom perfekten Kleinkind Geburtstag. Meine Phase hat sich da simultan mit verändert vom absoluten Kleinkind Kosmos zu mehr ich Zeit bishin zu Fragen über beruflichen Wandel, Partnerschaft, Beziehungen zu Freundinnen etc..
Ich weiß nicht, ob die Kleinkind Zeit idealisiert wird. Sie ist einfach magisch und einzigartig,, gehört gefeiert und bestaunt. Ich vermisse sie oft als wunderschöne Zeit mit ganz eigenem Fokus. Ich frage mich oft, wenn ich Mütter sehe mit Babytragen, ob sie da auch so mitgehen und mitfiebern, mit Enthusiasmus Brei kochen und Strampler nähen etc…In meinem Freundeskreis ist diese Baby Welle difinitiv vorbei, man trifft sich auch wieder mal ohne Kinder, quatscht über Beruf, Yoga und neue Serien.
Ich glaube auf Kleinkinder und Babies projeziert man noch ganz stark ein Ideal von Kindheit und Familie, was man im Kopf hat, je älter die Kinder werden, desto mehr zeigen sie, was sie gut, schön und cool finden. Ein bisschen was von unseren Bild und Mühen haben sie dann mit im Gepäck und machen was ganz eigenes draus. Das ist oft viel spannender als das eigene Bild im Kopf!
Ich feiere das größer werden meiner Jungs mit gleichem Enthusiasmus und staune und schimpfe.
Das Foto von Euch inspiriert:)!
Lg, Mathilda
Hallo Claudi, wunderschöner Text, der das, was gerade auch hier passiert in Worte fasst. Ich bin hin und her gerissen. Frage 5 mal nach, ob sie nicht doch mitkommen wollen und ziehe dann mit meinem Mann los, auch wenn sie nicht wollen. Entspannt und auch schön. So ist das wohl, wenn sie groß werden. Stolz, weil sie sich ihrer eigenen Individualität immer mehr bewusst werden, was wunderschön ist zu beobachten und etwas traurig, weil sie einfach nicht mehr überall dabei sein wollen.
Liebe Claudi,
so ein toller Artikel, der mir aus der Seele spricht. Loslassen fand ich ganz schön schwer, aber es passiert ja Stück für Stück und funktioniert immer besser. Wenn mein Kind erzählt, wo sie studieren möchte (und zwar nicht um die Ecke), dann bleibe ich innerlich ruhig, auch wenn ich mir eigentlich den Alltag ohne sie nicht vorstellen kann.
An unserer tollen Beziehung würde das nichts ändern, das weiß ich inzwischen…
Liebste Grüße von der alten Kollegin…
Du triffst den Nagel einfach immer auf den Kopf .Wenn ich es aufschreiben müsste ,dann genau so
Ich habe jetzt schon im Scherz gesagt ,wir brauchen einen Hund ,damit ich nicht immer alleine durchs Dorf spazieren muss. Denn die Zeit in der ich eine Harke für den Friedhof in meiner Tasche trage, ist hoffentlich noch lange hin 🙂
Ich freue mich ,dich und damit uns auf dieser Reise weiter zu begleiten
Super Artikel!!! Danke für die inspirierenden Worte!! ♡♡
Kummerkompost! Mega Metapher!