Ich muss noch schnell kochen. Ich muss mit dem Großen Klavier üben. Ich muss noch einen Text schreiben, fix das Hochbeet wässern, die Kinder ins Bett bringen. Und während ich im Kopf wieder den täglichen ich-muss-noch-Berg-auftürme, stellt sich dieses Gefühl ein: Widerwillig. Störrisch. Bockig. Weil: Müssen klingt maximal spaßbefreit. Müssen ist unfreiwillig. Müssen ist vor allem nicht wollen. Und dann fällt mir ein, dass mir niemand diese Dinge diktiert – außer mir ganz allein…
Mein Jüngster will ein Eis. Meine Tochter will rollerbladen. Mein Großer will in den Pool. Das Wort “müssen” existiert in ihrem Wortschatz nicht. Es sei denn, ich grätsche mit Hausaufgaben oder Instrumente üben dazwischen. Sie selbst leben ihr Leben strikt nach dem Lustprinzip. Wollen ist ihr Gesetzestext für Freude, Freiheit, Flutschfinger. Für ein Leben auf der Sonnenseite, in der Bedürfnisse first regieren.
Unsere Art das Leben zu leben gleicht oft zwei entgegengesetzten Polen.
Den Unterschied macht nicht das eine Verb. Den Unterschied macht die Stimmung, die daraus erwächst. Müssen macht auf Dauer müde, ferngesteuert, leer im Kopf. Müssen ist ein Korsett. Müssen ist ödes tristgraubraun. Wollen macht neugierig, wach, spornt an. Wollen ist ein sommerleichtes Maxikleid. Wollen ist konfettiregenbogenbunt.
“Kommst du mit mir einen Kaffee in der Sonne trinken?”, fragt der Mann, die dampfenden Becher schon in der Hand. Meine Antwort darauf ist ein Klassiker zum Verzweifeln: “Eigentlich gern, aber ich muss noch ein paar Telefonate führen, einkaufen muss ich auch noch und Yoga machen. Vielleicht später.”
Es ist mir ein Rätsel, warum ich mich dauernd für matschiges Müssen entscheide statt für wolkenleichtes Wollen. Ich will nicht mehr müssen. Ich muss endlich mehr wollen.
“Du stehst dir selbst im Weg”, meint der Mann.
Er meint auch, dass ich es selbst in der Hand habe. Warum nicht mal müssen konsequent durch wollen ersetzen? Denn: Worte sind mächtig. Worte schaffen Fakten. Worte bewegen – im besten Fall mich ins Team “Ja, ich will!”.
Wenn ich schon mal dabei bin, könnte ich auch gleich die Wörtchen “schnell” und “kurz” streichen. Denn meist diktiere ich mir nicht nur, was ich alles so muss – sondern fix muss es dabei auch noch gehen. Heißt: Ich nötige mich nicht nur dauernd zu Dingen. Ich stresse mich dabei auch noch durch selbst gemachten Zeitdruck.
Mal abgesehen davon, dass ich obendrein dauernd Dinge “muss”, die ich so viel besser wollen könnte: Sport machen, weil es mir gut tut. Den Kindern vorlesen, weil es unsere schönste Kuschelstunde am Tag ist. Den Garten wässern, weil es meine grüne Meditation ist.
Wenn ich all das aber gedanklich und verbal mit “muss” einleite, ist der Spaßfaktor-Drops schon fast gelutscht.
Damit mache ich aus einer Herzensangelegenheit eine nüchterne Kopfsache. Eine Sache weniger fürs Feelgood-Konto, eine mehr für die stetig wachsende To-Do-Liste, die mich mit ihrer Komplexität erschlägt. Und obendrein wundere ich mich ernsthaft, dass das Erwachsenenleben irgendwie oft so schal schmeckt.
Dabei ist es nicht so, dass ich nicht wüßte, was ich will, wenn jemand mich fragt: Ich will endlich mal wieder in den Urlaub. Ich will einen guten Sommer haben. Ich will meine Kinder zu glücklichen Menschen erziehen. All das will ich wirklich – nur: Vorher muss ich eben noch ein paar dringlichere Dinge erledigen. Wie abwaschen. Oder Wäsche zusammen legen. Völlig absurd, oder?
Denn was gibt es Wichtigeres, als willensstark zu leben?
Mit dem Fokus darauf, dass ich die Dinge, die ich tue, freiwillig – und im besten Fall gern tue. So wie meine Kinder, die ich um ihre Unbefangenheit in Sachen unbeirrten Wollens oft beneide. Vielleicht drehe ich den Vorbild-Spieß einfach mal um und lasse mich dieses Mal von ihnen inspirieren.
Wie man die Dinge umarmt, die man will. Wie das Leben an Farbe gewinnt, wenn man will, nicht muss. Auch wenn ein bisschen Selbsttäuschung im Spiel ist: Wenn mir Fenster putzen lässiger von der Hand geht, weil ich mich willentlich dafür entschieden habe – dann trickse ich gern. Mal schauen, ob’s funktioniert. Ich will es gern versuchen.
So, ich muss jetzt Schluss machen. Muss ich wirklich, weil: Ich will nämlich mit dem Mann noch einen Kaffee in der Sonne trinken. Und danach will ich noch eine Yoga-Auszeit einlegen. Klingt schon besser, oder…?
Müsst ihr auch noch mehr wollen?
PS. Den lässigen Print von oben bekommt ihr hier von uns geschenkt.
Alles Liebe,
…Wenn der Mann sagen würde “Komm trotzdem einen Kaffee trinken und anschließend machst du Yoga und ich erledige den Einkauf“, das wäre doch eine super Sache?!?! Aufteilen anstatt nur bei sich selbst / bei frau den “Fehler“ zu suchen um der Müssen-Falle zu entgehen….
Hej liebe Dani, ich fürchte, es liegt nicht am Mann, sondern eher an mir…🙈Tatsächlich ist er ein großer Verfechter meiner Me-Time – meist stehe ich mir selbst eher im Weg… Aber es ist ein wichtiger Gedanke, dass geteilte Care-Arbeit weniger Zeit bei einer Einzelperson bindet! 🧡Alles Liebe!
Hallo Katia,
ich habe es über Jahre geschafft und habe diese will-Einstellung zum Haushalt. Ich will ihn wirklich machen, denn er ist gut aufgeteilt, sodass es jeden Tag nicht viel ist. Ich ziehe das konsequent durch und wenn mal etwas wie ein Geburtstag oder Besuch ansteht, schiebe ich ein bisschen und so klappt es stressfrei. Mit einem (noch kleinen) Kind ist das natürlich leichter als mit mehreren + Schule.
Aber ich habe durch deinen Artikel gemerkt, dass es durchaus eine Grundeinstellung ist.
Liebe Grüße,
Katharina
Der Ansatz passt gerade sehr gut zu mir. Ich musste da auch erst einen Mindshift machen. Wenn die Kinder mit ihrem “ich will” kamen war mein erster Impuls das “wegzuerziehen”. Wir leben in einer Gemeinschaft, da hat man nicht zu “wollen”. Da muss jeder seinen Teil beitragen damit es funktioniert. Ich will ja auch ganz viel und kann es nicht haben und statt dessen “muss” ich alles mögliche . Nachdem ich anfing mich mit den Ansätzen der “gewaltfreien Kommunikation” und der “bedürfnisorientierten Erziehung” auseinanderzusetzen ist mir zum ersten Mal ein Licht aufgegangen. Und ich musste beschämt feststellen, dass ich hier was von meinen Kindern lernen kann statt umgekehrt. Seitdem versuche ich meine Bedürfnisse genauso klar auszudrücken wie meine Kinder und benutze viel “ich will” und “ich will nicht”. Die Message deines Artikels das “Müssen” in ein “Wollen” umzuwandeln, insbesondere in der Kommunikation mit sich selbst, scheint mir ein weiterer wesentlicher Schritt zu sein um mit seinen eigenen Bedürfnissen besser in Kontakt zu kommen. Vielen Dank für die wertvollen Gedanken.
Hej liebe Inga, ja, das kenne ich: dieses wütend werden über das “Ich will” der Kinder – eine Wut, die in Wahrheit vielleicht eher ein wenig Neid ist. Und ich finde es total spannend, sich selbst dabei zu beobachten, was passiert – mit mir, mit den anderen – wenn ich will, nicht muss. Ein lohnenswerter Weg, keine Frage! Alles Liebe!
Hej Katja,
ich sehe das so wie Dani. Denn, klar, auft mein Mann ist großer Verfechter schon, dass ich mir me-time nehme, nur, wer schreibt dann die Einkaufsliste, von der du schriebst? Er hat ja auch keine Zeit, denn er “will ja Kaffee trinken ” 😉
Du hast absolut recht, Worte haben viel Macht, aber an dieser Stelle behandeln sie nur das Symptom: Es gibt unheimlich viele Aufgaben (care-arbeit, mental load), die erledigt werden MÜSSEN und sich nur zu sagen, “ab jetzt WILL” ich sie erledigen, erscheint mir nur euphemistisch, leider…
Hallo Svenja, ja! Das waren genau meine Gedanken – Danke fürs Auf-den-Punkt-Bringen 🙂 Lieber als Männer, die ihren Frauen gönnerhaft “auch mal ein bisschen Freizeit” wünschen, sind mir die, die ohne großes Gewese ein paar der Aufgaben übernehmen, die diese Freizeit bisher verhinderten.
Und dieses “Lustprinzip” bei Kindern hat schon auch so seine Schattenseiten. Die Kinder lachen doch, wenn ich denen sage “Du musst dir einfach nur sagen ‘Ich will die Hausaufgaben’ machen, und schon fluppt der Aufsatz oder die Mathe-Aufgaben.” Auch hier wieder: bestimmte Sachen “müssen” im ganz normalen Alltagsleben eben gemacht werden, Steuererklärungen, Hausaufgaben, Einkaufslisten, Katzenklo putzen…
Hej liebe Sina, danke für deine spannenden Gedanken zu dem Thema. Ich habe auf Svenjas Einwand eben schon länger geantwortet, daher nur noch mal ganz klar an dieser Stelle: Mein Mann und ich haben die Care Arbeit gerecht verteilt und er ist vieles, aber nicht gönnerhaft. 😉 Im Gegenteil: Er ermöglicht mir viele Freiräume (oft viele mehr als ich ihm). Das zum einen. Zum anderen gebe ich dir recht, dass viele Dinge erledigt werden müssen, gerade in unserer Erwachsneenwelt. Aber ich versuche gerade den Fokus dahingehend zu verschieben, dass alltägliche Dinge, die auch etwas Schönes haben – kochen, Garten wässern, Kinder ins Bett bringen – eher mit wollen als mit müssen verknüpft werden. Das Beispiel mit dem Fensterputzen war vielleicht etwas überspitzt – wobei: mit lauter Musik kann sogar das Spaß bringen. 😉 Alles Liebe!
Liebe Katia,
oh wei, ich wollte nichts speziell über dich und deinen Mann sagen! Es tut mir leid, wenn das so rüberkam.
Das Thema treibt mich insgesamt schon länger um und dein Nachdenken über Sprache hat genau da angedockt.
Ich beobachte es in vielen Beziehungen in meinem Umfeld, dass die Aufteilung bei allem guten Willen doch oft ungleich bleibt, oder dass es für die Frauen einen großen Kraftakt bedeutet, für diese Ungleichheit überhaupt Aufmerksamkeit zu bekommen. Dabei sind deren Partner meist ganz aufgeschlossen und finden es auch völlig richtig und gut, die so genannte care-Arbeit aufzuteilen. Allein, die Umsetzung scheitert doch erstaunlich oft und ich frage mich, woran eigentlich. Genau das Pflichtempfinden, das du beschreibst, scheint mir da einer der Schlüssel zu sein. Den Abwasch lasse ich leichter stehen, wenn ich schon als Junge erlebt habe, dass mein Vater oder Großvater das ohne schlechtes Gewissen tat – und die Arbeit dann doch wie von Geisterhand irgendwann gemacht war…
Superspannend! Danke einmal mehr für die Gedanken-Anregung, und liebe Grüße 🙂
Hej liebe Sina, es ist total nett, das du dich noch einmal zu Wort meldest – danke 🙂 Ich weiß genau, was du mit deinem Einwand meinst – oft genug erlebe ich in meinem Umfeld ähnliches. Und leider ist es meist doch eher die Realität in Partnerschaften, dass ein Großteil des Mental Loads, der Care Arbeit und was sonst noch zum großen Familienkosmos dazugehört, an den Frauen hängt. Mir war es nur wichtig, dass für mich und uns persönlich gerade zu rücken – aber vielleicht habe ich mich einfach nicht klar genug ausgedrückt, schließlich haben mehrere Leserinnen ja dieses Gefühl dazu gehabt. 🙂 Mir ging es wirklich um meinen eigenen Umgang mit diesem Thema – das niemand mich so sehr unter DERuck setzt wie ich selbst das gern tue. Aber ich denke gerade über deinen Hauptpunkt des Pflichtempfindens nach – und sehe auch, dass Frauen an dieser Stelle häufig schneller bei der Sache sind als die Männer… 😉 Alles Liebe!
Hej liebe Svenja, ich finde es total spannend, welchen Fokus du (und offenbar viele andere) auf die Geschichte hast und habt. 🙂 Daher will ich hier als allererstes richtig stellen, dass mein Mann und ich die Care Arbeit mit Familie, Haus und Garten gerecht teilen. Und er verhält sich nicht gönnerhaft, sondern ihm ist tatasächlich daran gelegen, dass ich Pausen einlege – und bietet mir im Gegenzug an, meine Aufgaben später nach seiner getanen Arbeit zu erledigen. Mein ganz eigenes Problem ist es, dass ich Dinge nicht liegen lassen kann, dass ich ein übergroßes Pflichtempfinden habe, in dem müssen meist vor wollen steht. Für mich ist es gerade der Ansporn, an der Stelle aufmerksam zu sein. Alles Liebe und danke für deine Anregungen!
Liebe Katia,
danke für deine Erläuterungen, da habe ich wohl etwas falsch interpretiert;)
ich freue mich, wenn du in einiger Zeit mal berichtest, was das Wollen im Alltag verändert hat!
Hej liebe Svenja, danke, das ist total nett, dass du dich noch mal zu Wort meldest. 😊 Offenbar war mein Text ja auf mehreren Ebenen zu lesen, du warst ja nicht die Einzige mit diesen Gedanken dazu. Und ich wollte es einfach richtig stellen, weil ich es meinem Mann gegenüber unfair gefunden hätte, das so stehen zu lassen. Aber ich weiß, dass es oft genau so läuft, wie von dir beschrieben – insofern ein sehr wichtiger Gedankenanstoss von dir. Alles Liebe!
Liebe Katja,
du sprichst mir aus der Seele! So ein toller Artikel – hab‘ vielen Dank für den Augenöffner. Viel zu oft MUSS ich auch Sachen erledigen, dabei stelle ich immer wieder fest, wie lang die To-do-Liste dann trotzdem bleibt, weil ich, während ich den Müll rausgebracht, die Wäsche aufgehängt, den Tisch gedeckt und die Einkaufsliste geschrieben habe, festellte, dass ja 5 andere Dinge ebenfalls noch gemacht werden müssen! 😅 Furchtbar! Nicht zu selten mündet das in Überforderung im Alltag und einem inneren Widerstand, den ich gerne manchmal schon viel früher entgehen würde… Männer sind in der Hinsicht einfacher „gestrickt“, das Gefühl werd‘ ich ebenfalls nicht los. Danke für deine Inspiration – ich trage diesen Leitgedanken gerne durch die neue Woche! ♥️
Schöne Grüße aus Hamburg,
Julia
Hej liebe Julia, das freut mich sehr! Es ist gerade meine eigene kleine Challenge, den Fokus immer wieder zu verschieben – wo es denn möglich ist. Alles Liebe – und viel Erfolg auf deinem Weg!
Liebe Katia, vielen Dank für deinen wunderbaren Artikel! Passt gut für mich, ich versuche gerade auch “müssen“ mit “wollen” und “dürfen” zu ersetzen – denn viele Aufgaben sind ja auch eigentlich ein Privileg, wenn man sie von der anderen Seite betrachtet…dass ich meine Kinder habe und ihnen vorlesen darf zum Beispiel 🙂.
Es macht mich irgendwie nachdenklich, dass dein guter Text über dich und dein Innenleben sofort so auf deinen Mann bezogen wird…🤔
Sei lieb gegrüßt! Kathrin
Hej liebe Kathrin, danke für deine nette Rückmeldung! Privileg ist ein schönes Wort und trifft es oftmals ziemlich gut: Es ist ein Privileg, dass wir (gesunde) Kinder haben, dass wir einen Ort zum Leben haben – mit all den Dingen und Verpflichtungen, die das eben mit sich bringt. Und sich daran immer wieder zur erinnern, gerade, wenn man gerade maulig den Staubsauger durchs Haus schiebt oder dem dritten Kind die siebte Geschichte vorliest, hilft mir gerade, meine Laune zu heben. Und ganz allein darum geht es mir in diesem Text – um mich, und wie ich die Weltr sehe, empfinde, gestalte – und für mich besser mache. Alles Liebe für dich!
Könnte ich schön schmissig schreiben, hätte ich exakt den gleichen Text verfassen wollen 🙂 …mein Aufen-Öffner -Moment, den ich mir immer wieder vor Augen führen will, war die Frage meines Sohnes: „Mama was müssen wir denn heute alles?“ … Aus seinem Mind klang es so falsch, so gar. nicht nach Kinderwelt…
Danke für einen weiteren „tritt“ in Richtung „mehr Wollen“!