Heute hatte ich ein Flashback am Schreibtisch: Zwischen mir und dem Computer lagen meine Finger auf der cremefarbenen Platte. Bloß dieses Mal strich ich mit einem kleinen Pinsel bunte Farbe auf meinen Nägel – was ich ewig nicht getan habe. Das Gefühl war himmlisch. Früher habe ich mir die Nägel rein beruflich lackiert (Beautyredakteurin! Okay, nicht nur beruflich). Heute mache ich es viel zu selten. Dabei schmeißen farbige Nägel für mich automatisch eine Party, damals wie heute. Eins ist heute allerdings ganz anders: Beim Pinseln riecht es nicht mehr nach Chemielabor…

Halleluja, es klingt schwer nach einer Soap: Erfolgreiche Karrierefrau schmeißt ihren Job bei Coca Cola, weil sie etwas anderes will. Was, weiß sie noch nicht so genau. Mehr sie selbst sein, vielleicht. Beim Essen mit Freundinnen hat sie dann eine Idee, was sie gern machen würde: Glitzernagellack. Und den macht sie dann auch… Ich habe Jennifer Baum, Gründerin und Geschäftsführerin von Gitti gefragt, wie genau. Und woher man den Mut für sowas nimmt. (Klar habe ich mir vorher die Nägel lackiert…)

Wasfürmich: Jennifer, was genau hast du vor Gitti gemacht?
Jennifer: Ich habe ganz klassisch Karriere in der Konzernwelt gemacht. Ich war bei Henkel und Coca-Cola und richtig erfolgreich – zuletzt war ich eine der jüngsten Frauen auf meiner Management-Ebene und für Frauen in Leadership-Programmen in dreizehn europäischen Ländern verantwortlich. Davor habe ich Medienwirtschaft studiert und einen Master in Barcelona gemacht. Während meines Studiums in Köln habe ich fürs Radio, für eine Zeitung, eine TV-Produktionsfirma und einen Fernsehsender gearbeitet. Ich habe also in alles, was die Medienlandschaft zu bieten hat, mal reingeschnuppert. Das hilft mir heute.

Nach sechs Jahren Konzernjob habe ich dann von heute auf morgen gekündigt – ohne eine Idee zu haben, was ich als nächstes mache. Ich hatte einfach das Gefühl, ich will das nicht mehr – und habe auf mich selbst gehört. Ich bin ein totaler Bauch-Mensch – das habe ich von meiner Mama. Ich habe keine Sekunde gezweifelt, ob meine Entscheidung die richtige ist.

Wasfürmich: Wahnsinn! Und wie kamst du dann auf die Nagellack-Idee?
Jennifer: Ich saß abends beim Dinner mit Freunden in Berlin, als mich jemand am Tisch fragte, was ich machen würde, wenn ich keine Angst hätte. Wenn alles egal wäre. Der erste Gedanke, der mir in den Kopf schoss war: Glitzernagellack. Ich habe mich nicht getraut, dass auszusprechen, weil es so so girliemäßig klang. Aber als ich nachts um vier Uhr nach
Hause kam und nicht schlafen konnte, habe ich mir meinen Rechner geschnappt, mich in die Küche gesetzt und angefangen zu recherchieren. Ich habe Nagellacke schon immer geliebt und jeden Tag mit rotem Lack das Haus verlassen. Als ich dann gelesen habe, wie schädlich Lacke für mich und die Umwelt sein könnten, war mir völlig neu.

Ab diesem Moment habe ich immer weiter recherchiert. Habe nach einer Weile Produktionen besichtigt und mit Entsorgern über Nagellacke gesprochen. Ist es nicht verrückt, dass normale Lacke nicht in den Hausmüll, sondern in die Schadstoffentsorgungsstelle gehören?? Bald wusste ich genau, was ich wollte: Nämlich Produkte kreieren, die besser sind.

Wasfürmich: Ich fühle mich richtig schlecht, weil ich mir ehrlich gesagt nie Gedanken darüber gemacht habe, wie ungesund normale Lacke sind. Bei dem Geruch kann ich das gerade selbst kaum glauben…
Jennifer: Da bist du nicht die einzige! Traditionelle Nagellacke können Inhaltsstoffe enthalten, die krebserregend sein können und/oder sich auf unseren Hormonhaushalt auswirken können. Teilweise ist die Dosis sogar so hoch, dass die Lacke verboten werden müssten. Bereits kurz nach Auftragen können die giftigen Stoffe in unserem Körper nachgewiesen werden. Über neunzig Prozent der Personen, die wir befragt haben, wussten das nicht.

Wasfürmich: Wie hast du das hinbekommen, dass in deinen Lacken fast nichts drin ist, sie aber dennoch gut halten?
Jennifer: Das war echt schwer. Die Entwicklung hat insgesamt mehr als eineinhalb Jahre gedauert. Wir wollten ganz auf giftige Inhaltsstoffe verzichten. So haben wir den natürlichsten aller Stoffe als Basis begonnen: Wasser. Bei uns ersetzen 55 Prozent Wasser üblich eingesetzte petrochemische Lösungsmittel. Das klingt jetzt einfach, war aber eine riesige Herausforderung und ist eine echte Innovation.

Einen kleinen Haken gibt’s auch noch: Eine wasserbasierte Nagelfarbe kann aktuell noch nicht so widerstandsfähig sein, wie ein traditioneller Lack. Da unsere gitti-Farben aber schnell trocknen, kannst du ihn im Bedarfsfall schnell ausbessern. Dazu haben wir noch einen Nagellackentferner entwickelt, der auf 100% natürlichen Inhaltsstoffen basiert und keinerlei üblen Geruch mehr aufweist. Wir nennen unsere gitti-Produkte übrigens Nagelfarben, eben weil giftige Stoffe wie in herkömmlichen Nagellacken nicht mehr enthalten sind.

Wasfürmich: Wo produziert ihr eure Lacke?
Jennifer: Unser Labor ist in Frankreich. Dort erarbeiten wir die Formulierungen. Die Abfüllung macht dann ein deutscher Partner. Für uns war es ganz wichtig, dass die komplette Heerstellung in Europa stattfindet und wir kurze Transportwege haben.

Wasfürmich: Wie hast du dein Start-up eigentlich finanziert? Hast du deine Familie ins Business-Boot geholt? Oder hattest du was gespart?
Jennifer: Ja, ich hatte ein wenig Eigenkapital, dass ich in gitti und meine Vision gesteckt habe. Dazu habe ich ziemlich am Anfang durch den Gewinn bei GRACE Unterstützung bekommen, was mir stark geholfen hat. GRACE ist ein Business Accelerator, das Frauen mit Gründungsambitionen dabei unterstützt, ihre Ideen weiterzuentwickeln und umzusetzen. (Infos gibts hier). Wenig später habe ich meinen ersten Business-Angel gefunden, sprich eine Privatperson, die sich finanziell am Start-up beteiligt hat und mich gleichzeitig beraten hat. Das hat die erste Kollektion möglich gemacht.

Wasfürmich: Ich habe bei dir auf der Seite gelesen, dass deine Farben die Nägel sogar pflegen…
Jennifer: Ja, weil Vitamin C, E und Provitamin B5 drinsteckt. Diese Vitamine sind feuchtigkeitsspendend, haben antioxidative Eigenschaften und sorgen für gesunde und schöne Nägel – nicht nur obendrauf, sondern auch unter der Farbe.

Wasfürmich: Wie rockst du dein Business? Wie lange arbeitest du? Wie sieht ein typischer Tag bei dir aus?
Jennifer: Ich arbeite viel! Sehr viel! Ich bin zum Glück seit je her ein richtiger Early-Bird. Oft stehe ich schon um fünf auf und mache mich dann direkt an die Aufgabe, von der ich weiß, dass sie mir am wenigsten Spaß macht. Wenn ich damit durch bin, ziehe ich mir meine Sportsachen an. Ich liebe Indoor-Cycling oder ich gehe mit meinem Mann eine Runde laufen.

Zurück am Schreibtisch beschäftige ich mich mit allem, was gerade anfällt: ich plane neue Kollektionen, wähle neue Farben aus, plane Events und kümmere mich um die Buchhaltung. Dabei ist wirklich kein Tag wie der der andere und eigentlich alle meine Arbeitstage sein der Gründung sind lang. Oft sitze ich bis spät abends. Bevor ich ins Bett gehe, meditiere ich, damit ich nochmal runter komme vom Alltag.

Wasfürmich: Sag mal ehrlich, liebst du Nagellack – ach ne, Nagelfarbe – immer noch?
Jennifer: Mehr denn je. Und dass, obwohl Nagellack ein ganz schon kompliziertes Produkt ist: Er soll flüssig in der Flasche sein, draußen schnell auf den Nägeln trocknen, idealerweise lange dort halten und in meinem Fall jetzt auch noch ohne schädliche Chemikalien auskommen. Klingt unmöglich – aber ich hab es geschafft. Macht mich irre stolz!

Danke Jennifer, für das interessante Gespräch! Hier erzählt Jennifer noch mehr über ihr Business.

Uns allen ein wunderbares Wochenende mit guten Düften und Ideen,
alles Liebe,

Claudi