Du bist nicht mehr der Mann, in den ich mich mal verliebt habe. Nicht mehr der Gitarrist, der in seine Musik versunken auf der Bühne stand. Nicht mehr der Freigeist, mit dem ich durch nachtleere Straßen gezogen bin und am Elbufer den Sonnenaufgang gesehen habe. Nicht mehr der Kerl, von dem ich die Hände nicht lassen konnte. Du hast dich sehr verändert. Und ich mich auch. Nicht immer zum Besseren. Dafür aber zu einem unverwechselbaren Wir…

Vor 16 Jahren habe ich nicht viel an das Morgen gedacht. Meist mehr an das unmittelbare Jetzt mit Dir. Manchmal an das, was wir alles füreinander, alles miteinander sein könnten. Liebhaber. Vertraute. Abenteurer. Vielleicht Eltern, irgendwann. Das Leben drehte sich um uns. Um unsere Wünsche, Pläne, um unsere Liebe. Vor neun Jahren fand dieses Wir ein jähes Ende.

Seitdem wir Kinder haben, ist unser Wir eher ein Schatten.

Oder ein leiser Hauch. Etwas, das viel flüchtiger ist als zu Beginn. Seitdem wir Eltern sind, bist auch Du ein anderer. Viel weniger mein Mann – und doch mehr Mann als jemals zuvor. Als hättest du dich vervielfacht. Eine Art multiple Persönlichkeit, die Legomeister und Lagerkoller-Partner ist. Trotzanfall-Trotzer und Tröster für alle Härtefälle. Stichwortgeber und starker Fels, wenn uns das Leben rauh umtost. Netflix-Buddy. Schweigefreund. Ist-nur-eine-Phase-Gefährte. Mitbewohner eines Lebens, in dem wir schon lange nicht mehr der Mittelpunkt sind. Aber der Fixpunkt für uns fünf.

Ich habe in dir jemanden gefunden, der mich stärker, nicht schwächer macht. Der mich größer, nicht kleiner macht. Der mich nicht auf Händen trägt, sondern mich erträgt, immer, auch wenn ich eigentlich untragbar bin. Und das bin ich oft, mit wachsender Kinderzahl, mit steigendem Stresspegel doppelt und dreifach so schlimm wie früher. Und doch siehst du mich zwischendurch immer wieder so an. Als würdest du etwas sehen, dass ich nicht erkennen kann.

Du weißt, wie häßlich ich bin, wenn ich die Kinder anblaffe.

Du nimmst immer noch wahr, wie schön ich bin, wenn ich lache. Du kennst mich müde, verzweifelt und euphorisch. Angestrengt, ängstlich und abweisend. Du kennst jede meiner Macken. Und tolerierst sie stoisch, obwohl ich sie häufig mehr pflege als unsere Beziehung. Du kennst jeden Winkel meines Körpers – und die meisten meiner Gedanken. Und selbst, wenn du sie nicht teilst, selbst wenn wir manchmal noch hitzig über das eine oder andere Altbekannte streiten, suchst du immer einen Weg zurück zu uns. Zu dem Wir, das bleibt und anders wächst, wenn man eine Familie wird.

Du schenkst mir keine Blumen. Dafür deine Ruhe, die mich selbst durch die verzwicktesten Situationen trägt. Du kochst mir kein Candle-Light-Dinner. Dafür baust du mir in deinem Urlaub eine Terrasse. Du überraschst mich nicht mit hübsch verpackten Präsenten. Sondern mit der Unerschüttlichkeit zu uns zu stehen, ganz gleich, was das Leben an Stolpersteinen bereit hält.

Ich liebe deine Haltung.

Deine Geduld. Mit den Kindern. Mit mir. Mit den Dingen, die dauernd anders kommen als gedacht. Deine Genügsamkeit mit unserem Paardasein, das gerade nur ein sporadischer Zustand ist. Dass ich davon unbedingt wieder mehr will, habe ich bei unserer kleinen Sommerauszeit gespürt. Nur wir beide, zwei Tage Zeit und die bange Frage, ob wir allein zu zweit überhaupt noch schwingen. Ob 48 Stunden Zweisamkeit für die restlichen 363 Tage Familienirrsinn ausreichen.

Nein, sie reichen nicht. Und, ja: Wir schwingen noch. In unserem wortlosen Miteinander genau wie in unseren Gesprächen, die sich endlich mal wieder fast nur um uns drehen. In unserem gegenseitigen uns-einfach-sein-lassen. Wir schwingen noch, wenn wir Hand in Hand durch die wilden Dünen laufen. Wenn wir Tränen über norddeutsch-indische Crossover-Küche (“Scholle in Curry-Masala”) lachen. Wenn wir uns abends auf der Terrasse noch einen letzten Drink gönnen und den Möwen beim Streiten zusehen. Und mit uns und diesem neuen Wir in Frieden sind. Wir sind ganz schön weit gekommen.

Ich liebe jetzt einen anderen Mann als früher. Und du eine andere Frau. Was für ein Glück. Meistens jedenfalls.

Und wie hat sich eure Liebe verändert?

PS: Hier habe ich vergangenes Jahr schon einmal darüber geschrieben, wie es sich anfühlt, zwischendurch nur mal Paar zu sein. Und nicht wundern: Damals habe ich hier noch unter Pseudonym geschrieben,

Alles Liebe,

Katia