Meine Freundin ist jetzt in der Politik. Weil sie in ihrem kleinen Städtchen Dinge verändern, voranbringen will. Deswegen geht sie jetzt dauernd abends zu irgendwelchen Ausschüssen und Sitzungen, manchmal drei Mal die Woche. Sie hat auch eine Familie, einen Job, ein Haus mit Garten. Und ich kann nur staunen, denn: Ich krieg gerade nichts richtig gebacken, obwohl ich eigentlich so viel wollte. Ein Manuskript schreiben, das Haus auf links drehen, neue Projekte angehen. Stattdessen sehe ich anderen beim Leben auf der Überholspur zu und frage mich: Passt in mein Leben gerade einfach nicht mehr als der stinknormale Alltag…?

Ich meine: Claudi schreibt zwei Manuskripte in zwei Monaten. Meine Freundin ist plötzlich Politik-Expertin für Jugendfragen. Vermutlich kennt jeder solche Supermenschen, die alles schaffen – und noch viel mehr. Und ich? Verstricke mich in meinem Alltag, in meinen Gedanken – und schon wieder ist ein Tag rum und das Einzige, was ich vorweisen kann, sind dieser Text, zwei gefüllte Geschirrspüler und viele wackelige Wäscheberge, die ich auf morgen vertagt habe.

Manchmal matcht das Wollen einfach nicht so richtig mit dem Leben.

Manchmal will man Siebenmeilenschritte denken – und tritt doch auf der Stelle. Vielleicht war es der Winter, vielleicht war es die Weltlage. Fakt ist: Alles fühlt sich manchmal zäh an. Das Leben, das Vorwärtskommen, die unausgegorenen Pläne. Als würde man durch Sirup waten. Vermutlich ist es in solchen Phasen das absolut Allerdümmste, sich mit Menschen zu vergleichen, die es gerade so richtig rocken. Bei denen nach dem einen Projekt nur vor dem nächsten Plan ist. Den sie natürlich straight durchziehen. Und man selbst sich wie das Negativ von Superwoman fühlt .

Klar weiß ich, dass es manchmal flutscht im Leben – und manchmal eben nicht. Und auch, dass es Menschen gibt, die immer höher drehen als andere. Und doch ist es mitunter schwer auszuhalten, dass andere ihre Träume verwirklichen, auf Weltreise gehen, ein eigenes Business aufziehen – und man selbst kommt gefühlt seit geraumer Zeit keinen Schritt weiter.

Und dann denke ich: Vielleicht glaube ich auch nur, das denken zu müssen. Dass ich mehr schaffen, auf die Beine stellen, erfolgreicher sein müsste, was auch immer das heißt.

Denn ehrlicherweise habe ich gar nicht so gern so viel um die Ohren wie jemand, der für seine Projekte Tag und Nacht (also buchstäblich) arbeitet. Der alles andere zurücksteckt, weil eine Abgabe drängt, ein Kunde mault, weil etwas beschlossen ist und es kein Zurück mehr gibt.

Will ich vielleicht auch nur irgendwann mal sagen können “Ich habe ein Buch geschrieben/mich selbständig gemacht/irgendwas Cooles erfunden”, weil es sich eben so gut anfühlt, so etwas zu sagen? Weil alle anderen dann “Ahh” und “Ohh” jubeln und man stolz ist, weil Bestätigung von außen immer toll ist. Oder WILL ich das wirklich?

Ist es mir ein echtes Bedürfnis, ein uralter Traum – oder doch nur eine feine Fantasie?

Weil ich in Gedanken ausblende, was es wirklich heißt, solche Projekte durchzuziehen…? Nicht, dass ich generell nicht vieles wuppen könnte, aber ich habe doch viele andere Präferenzen, wenn ich so darüber nachdenke: Im eh schon wilden Familienalltag keine ausufernden Projekte on top zu packen, weil ich so wahnsinnig schnell gestresst bin, wenn ich zu viel auf dem Zettel habe. Weil ich Astrid-Lindgren-mäßig auch Zeit haben möchte, einfach dazusitzen, um vor mich hinzuschauen.

Weil ich es hasse, nach Feierabend noch mal an den Schreibtisch zu gehen und bis tief in die Nacht zu arbeiten. Weil ich Hobbys habe, für die ich mir Zeit nehmen möchte, Freundschaften, die ich pflegen will und Familienzeit, die mir wichtiger ist als ein ominöses Projekt, das ich nicht mal klar benennen kann.

Vielleicht kriege ich gerade nicht drölfzig Dinge gleichzeitig gewuppt, weil ich gar nichts von dem wirklich will.

Zumindest jetzt gerade nicht. Nicht das Haus umkrempeln, keine Projekte um irgendwelcher Projekte willen und auch kein Buch-Manuskript. Vielleicht ist es gerade gut so wie es ist, was ich bloß nicht sehe, weil es eben Konsens ist, dass produktiv immer besser ist. Weil sich Erfolg in den allermeisten Fällen daran misst, wie viel man über seinen schnöden Alltag hinaus auf die Beine gestellt hat.

Ich habe in den letzten Monaten verdammt viele und verdammt gute Bücher gelesen, ausreichend geschlafen und jeden Morgen Yoga gemacht. Ich habe fast jeden Tag Ottolenghi-Style gekocht (yap, viele Töpfe und viiiiel Zeit!) und diverse Ausflüge mit den Kindern gemacht. Ich habe Freundinnen-Dates organisiert und viel Familienzeit mit meinem Papa verbracht. Das ist nicht nichts – nur eben auch nichts, mit dem man sich brüstet. Das ganz normale Leben eben.

Es geht eben nur das, was man selbst wirklich will. Und nicht das, was man denkt, dass man es sollte – um der Bewunderung anderer willen.

Was übrigens nicht heißt, dass ich nie ein Buch schreiben werde, nie ein nächstes Groß-Projekt initiiere. Ich warte nur auf den passenden Moment. Jetzt ist er gerade nicht.

Kennt ihr dieses Gefühl auch, dass ihr mehr rocken solltet als ihr es schon tut…?

Alles Liebe,

Katia