In der Grundschule war noch alles gut, glaube ich. Da hatte ich drei bis vier gute Freundinnen, war oft verabredet und regelmäßig zu Geburtstagen eingeladen. Bereits auf dem Gymnasium aber wurde es schwieriger. Da wurde Freundschaft etwas, das mir schlaflose Nächte bereitete…

Dabei ist es gar nicht so, dass ich keine Freundinnen hatte oder habe. Auf dem Gymnasium hatte ich erst die eine, mit der ich ein Zweierteam bildete. Heute denke ich, dass wir ein ziemlich seltsames Zweierteam waren. Wir waren beide unsicher und machten das durch Unfreundlichkeit und Nerdigkeit weg. Die coolen Mädels waren eine große Clique, bloß wir beide hingen immer nur zusammen rum. Ich wollte das nicht. Und als ich irgendwann merkte, dass meine Freundin öfter doofe Kommentare über mich machte, zog ich mich zurück. Fand zwei neue Freundinnen.

So richtig verstanden fühlte ich mich auch von ihnen nicht.

Ich schielte rüber zu den coolen Mädels in der coolen Clique, die seit der fünften befreundet waren. Sie bestanden aus mehreren Zweier- oder Dreierfreundinnenpaaren, hielten fest zusammen und hatten sichtlich viel Spaß.

Nach der Schule freundete ich mich tatsächlich mit ein paar von ihnen an. Nach und nach gehörte ich immer mehr dazu, fühlte mich wirklich wohl mit ihnen. Wir feierten viel zusammen und verbrachten ganze Sonntage auf Decken im Park. Nur ab und zu flüsterte mir mein Gefühl zu, dass ich mit keiner von ihnen so eng war, wie sie miteinander.

Ich frage mich oft, woran es liegt, dass es sich für mich nie leicht anfühlt mit Freundinnen.

Manchmal schiebe ich es auf meine Eltern, die ziemlich eigen waren und nie echte Freundschaften pflegten. Sie waren immer skeptisch anderen gegenüber, kleine Streits und Meinungsverschiedenheiten wurden immer kritisch beleuchtet. Viele doofe Sprüche über andere gemacht. Wirklich lange, liebevolle Freundschaften habe ich zuhause nie kennengelernt. Auch mit Verwandten bestand kaum Kontakt. Meine Familie hat auch meine Freundinnen immer kritisch beäugt.

Fällt mir Freundschaft so schwer, weil ich so empfindlich bin? Weil ich gesagte Sätze bei Meinungsverschiedenheiten schwer aus Kopf bekomme? Sie immer wieder nachhallen? Weil ich nicht gut streiten kann? Schnell beleidigt bin? Oder weinen muss? Nicht gern telefoniere? Oft zu viel mit mir selbst beschäftigt bin?

Als ich meine zwei Kinder bekam, fand ich neue Freundinnen.

Dachte ich zumindest. Für eine Weile fühlte ich mich angekommen und verbunden mit meiner Mütter-Bubble. Hatte endlich das Gefühl, freundschaftlich angekommen zu sein. Mit meinen ehemaligen Schulfreundinnen verband mich plötzlich wenig. Alle bekamen nach und nach Kinder, jede machte ihr Ding. Ich fühlte mich den neuen Muttifreundinnen räumlich und kopfmäßig näher.

Heute, wo meine Kinder größer sind, habe ich mit den meisten meiner Mütter-Freundinnen kaum noch Kontakt. Inzwischen bin ich gut bekannt mit einigen Frauen der Freunde meines Mannes. Allein treffen wir uns aber selten. Weil ich wenig Zeit habe, sie aber auch. Ich treffe mich aber wieder öfter mit meinen ehemaligen Schulfreundinnen.

Das fühlt sich oft schön vertraut an, schmerzt allerdings manchmal, wenn ich spüre, dass sie die ganze Zeit über Kontakt hatten und sich nah waren. Ihre Kinder sind befreundet und noch dazu können sie noch heute zusammen über ihre coolen Zeiten als Kinder lachen. Manchmal schaue ich mich im Spiegel an und strecke mir dir Zunge raus.

Ich hätte so gern diese eine Freundin, für die ich die eine bin.

Vor ein paar Jahren habe ich mich durch den Sport mit einer Gruppe Frauen aus dem Dorf angefreundet. Es begann mit Bauchkribbeln (wie in der Liebe!), wurde schnell eng . Wir trainierten erst – und quatschten dann bei Wein ganze Nächte durch. Nach und nach hatte ich allerdings das Gefühl, dass sich zwei oder drei untereinander viel näher waren, als ich mit ihnen. Hatte das Gefühl, dass sie über mich redeten, wenn ich nicht dabei war. Wusste bald nicht mehr, was ich erzählen sollte. Problem: Meine Oberflächlichkeit sorgt für mehr Oberflächlichkeit.

Heute ärgere ich mich oft über mich. Wünsche mir einen Zauber, mit dem ich – tadaaa –  freundschaftsmäßig nochmal ganz von vorne anfangen könnte. In Sachen romantischer Liebe gibt es darüber ein Dutzend Verfilmungen, in Sachen Frauenfreundschaft nicht. Zu gern würde ich noch mal vieles ganz anders machen mit meinem Wissen von heute.

Dann denke ich wieder, dass ich so eine Freundinnenfreundin einfach nicht bin.

Weil ich viel Raum für mich brauche. Angst vor Nähe habe. Mich selbst oft nicht mag. Vielleicht hat mir Hollywood auch in Sachen Freundinnen einen falschen Eindruck vermittelt? Ich fühle mich heute, mit 49, auf jeden Fall manchmal ganz schön einsam. Ganz sicher habe ich viele Fehler gemacht. Vielleicht habe ich Freundschaft aber auch einfach nie richtig gelernt. Vielleicht habe ich die einzig wahre Freundin (noch) nicht getroffen. Für meine beiden Kinder wünsche ich es mir auf jeden Fall anders.

PS. Sag doch mal, fällt dir Freundschaft leicht?

Foto: Shutterstock

Juli