Manchmal sehne ich mich so sehr nach mir, dass ich meinen Unterarm drücke, bloß um zu merken, dass ich noch da bin. Wenn ich abends todmüde auf der kekskrümeligen Couch sitze. Zwischen Kissen, die den ganzen Tag auf dem sandigen Dielenboden lagen und eine Burg waren – von einem der Ritter während des Aufräumdramas lustlos aufs Sofa geworfen. Wenn mein Blick langsam durch den Raum fliegt, schwerfällig wie eine Hummel, über Haufen am Boden und beim Couchtisch hält. Der ist vergraben unter Quartettkarten, Legosteinen, Schleichtieren und Unterlagenhaufen. Mit Blütenstaub drauf, vom verwelkten Strauß darüber…
Mama Frust
Mein Blick brummt weiter, über das Nuss-Nougat-Creme-Glas, das wieder nicht weggestellt wurde. Über Teller – nicht weggeräumt. Milchflecken – nicht weggewischt. Ich sehne mich danach, aufgeräumt zu haben, bin aber zu müde zum Aufräumen. Ich sehne mich danach, dass meine Ordnung, wenn ich mich denn aufraffe, mal einen ganzen Tag lang hält. Bloß einen. Ich sehne mich nach aufgeschüttelten Kissen, die abends auf der Couch auf mich warten. Ich wusste gar nicht, wie ordentlich ich bin, bevor sie Unordnung machten.

Ich sehne mich nach einer Nacht in meiner liebsten Schlafposition (Embryo, Beine angewinkelt, Ellenboden auch, eine Hand unterm Kopfkissen.) Stattdessen: Jede Nacht Sardinenbüchse. Ich sehne mich nach Musik im Kopf. Meiner Musik. Manchmal sehne ich mich danach, laut mit meinem Mann über die blöde Kuh im Dorf herzuziehen. Inklusive Schimpfwörter.

Ich sehne mich danach, ein Stück Schokolade oder zwei zu essen, weil ich Appetit darauf habe, ohne daran zu denken, dass ich meinen Babyrestbauch nie loswerde. Ich sehne mich nach einem guten Bauchgefühl. Und danach, öfter auf mein Bauchgefühl zu hören. Nicht bloß bei der Schokolade.

Ich sehne mich danach, milde mit mir zu sein. Mich nicht nach einem anderen Körper zu sehnen, wenn makellose Frauen im Internet mir raten, ich solle mich doch ganz einfach selbst lieben. Ich sehne mich danach, noch mehr Dinge zu wagen und keine Angst vor Fehlern zu haben. Ich sehne mich danach, mich nicht unfähig zu fühlen, wenn diese Frauen einen aufmunternden Spruch nach dem anderen posten. Immer steht da etwas von: “Mache langsam. Mache Fehler.” Bloß sie machen nie langsam. Und nie Fehler.

Ich sehne mich danach, mal wieder ein leeres Blatt Papier im Kopf zu haben, ohne Ketchupflecken, verschüttete Traubenschorlenflecken und Neon-Post-its auf denen Windeln! steht. Ich sehne mich danach, in Ruhe Geschichten spinnen zu können, Gedanken zu Ende denken zu können, neue Projekte durchkauen zu können wie Kaugummi – ohne immer Riesenblasen machen zu müssen. Einfach mal wieder kauen – und das Zerkaute hinterher in den Müll spucken. Ich sehne mich danach, mich zu trauen, ineffizient zu sein.

Ich sehne mich zur Zeit sehr nach mir. Manchmal so sehr, dass ich meinen Namen rufen möchte. Stattdessen brülle ich ihren.

Das absolut Allerverrückteste: Sobald ich dabei bin, meine Sehnsucht nach mir selbst zu stillen, wenigstens ein bisschen, wenn ich laufen gehe, rausgehe, ausgehe, habe ich Sehnsucht nach ihnen.

Claudi