Ich bin ein Papa-Kind. Jetzt sowieso – ich habe nur noch ihn als Elternteil. Aber als mich kürzlich eine Freundin fragte, ob ich eher ein Mama- oder ein Papa-Kind gewesen bin, dachte ich: Ich bin schon lange ein Papa-Kind. Die Erkenntnis hat mich selbst ein wenig überrascht, schließlich hatte ich auch immer eine sehr enge Bindung zu meiner Mutter, vor allem als junge Erwachsene. Aber wenn ich auf meine prägenden Kinder- und Teen-Jahre zurückblicke, sehe ich vor allem meinen Papa. Lustigerweise vor allem deswegen, weil er sich oft so wenig vaterhaft verhalten hat. Und das war ein echtes Geschenk…

Meine Kindheitserinnerungen sind recht lückenhaft – konkreter werden sie erst ab dem Zeitpunkt, als meine Schwester auf die Welt kam. Da war ich sieben und bis dahin ein von zwei Elternteilen großgeküsstes Einzelkind. Plötzlich zu zweit zu sein, fand ich vermutlich so mäßig gut, zumal meine Schwester gleich als Baby ein kränkliches Keuchhusten-Kind war und maximale Aufmerksamkeit brauchte.

Meine Mutter war plötzlich rund um die Uhr mit einem Baby befasst, dessen Leben an einem seidenen Faden hing – und die Lücke füllte Papa mit doppelter Präsenz.

Wenn ich mich zurückerinnere, sehe ich ihn, wie er mir Lieblingsessen auf Wunsch kocht, während ich auf dem Küchentresen daneben sitze und Zutaten anreiche. Ich sehe ihn, wie er mit mir Hausaufgaben macht, und nebenbei Klassenarbeiten korrigiert. Ich sehe uns abends zu zweit mit Brotzeit-Brettern auf dem Sofa einen albernen Film schauen und ziemlich viel lachen. Ich sehe uns Canasta zocken, Kniffel spielen, Patiencen legen. Ich sehe ihn, wie er mit mir im Schwimmbad tobt, Schlittschuhlaufen geht und mich zum Leichtathletik-Training fährt.

Und auch, als meine Schwester später schon längst über den Berg war, blieb diese enge Verbindung zwischen Papa und mir. Vor allem an den Wochenenden, wenn er mich Sonntag morgens um sechs zu Leichtathletik-Wettkämpfen ins schleswig-holsteinische Irgendwo kutschierte und den halben Tag mit mir an der Tartanbahn verbrachte. Der jubelte, wenn ich gewann und mich tröstete, wenn nicht. Der mit mir auf der Rückfahrt im Auto die Musik laut aufdrehte und mir dabei von Bob Dylan und Jimi Hendrix vorschwärmte.

Papa, der einfach immer da war, wie es Väter zu der damaligen Zeit nicht immer unbedingt gewesen sind.

Vermutlich hätte unsere enge Zeit enden können, als ich in die Pubertät kam. Aber so war es nicht. Weil Papa so anders war als andere Väter, die ich kannte. Er war ein Papa, der nicht schimpfte, als er mich mit Zigarette erwischte. Der mir seine Lieblingsplatten vorspielt – und ich sie cool fand. Der meine Freunde nicht rausschmiss, sondern sich mit zu uns ins Zimmer setze und noch stundenlang mit uns quatschte. Nur mit emotionalen Dramen wie Liebeskummer konnte er nie besonders umgehen. Als meine große Liebe mich mit 17 verließ und ich das heulende Elend war, übergab er lieber an meine Mutter.

Okay, manchmal konnte Papa auch Vater-like. Unvergessen in unserem kollektiven Familien-Gedächtnis ist die Anekdote, wie er eine Freundin und mich im Sommerurlaub bei ein paar coolen Surfern aus deren Bulli zitierte – mit den Worten “Gestatten – 13, gestatten 14 – diese Mädchen müssen jetzt zu ihren Müttern zurück!” Aber das sei ihm verziehen. Hat er danach nie wieder gemacht (und ich anschließend auch lange Jahre mehr keinen Familienurlaub…).

Mein Vater konnte sich immer für alles begeistern, was ich getan oder erlebt habe.

Er hat mich stets in allem bestärkt – das tut er bis heute. Er glaubt bedingungslos an mich. Als ich mit 20 von zu Hause auszog, war er es, der Rotz und Wasser weinte. Ich natürlich auch. Und doch wurde unsere Verbindung in meinen 20ern ein wenig loser. Vielleicht, weil sie schlecht übers Telefon funktionierte – den emotionalen Deep Talk habe ich immer eher mit Mama geführt. Papa und ich sind besser, wenn wir zusammen sind. Wir sind uns auch ohne viele Worte nah – uns verbindet vor allem das gemeinsam Erlebte.

Seit dem Tod meiner Mutter vor zehn Jahren, sind wir noch einmal deutlich zusammengerückt. Wir haben gegenseitig und gemeinsam mit meiner Schwester die Lücke gefüllt, die sie gerissen hat. Natürlich hat sich unsere Beziehung gewandelt, sie ist erwachsener geworden – und auch das rechne ich ihm hoch an. Wie viele meiner Freundinnen berichten, dass das Verhältnis zu ihren Eltern nie eines auf Augenhöhe geworden ist, weil diese immer noch glauben, selbst über erwachsenen Kinder die Deutungshoheit zu haben! Papa grätscht nie ungefragt in meine Angelegenheiten rein – ist aber immer ein wichtiger Ratgeber, auch und gerade in Familiendingen. Aber eben nur, wenn ich ihn darum bitte.

Lieber Papa – ich finde, du hast deine Sache verdammt gut gemacht!

Dank dir bin ich nicht nur eine gefürchtete Canasta-Spielerin, zitatfest bei Tim&Struppi und großer Leonard Cohen-Fan – ich weiß auch, wie gut Väter und Töchter miteinander sein können.

Alles Liebe, deine

Katia