Ein Nieselregensamstagmorgen, die Kinder spielen friedlich. Aus dem Lautsprecher dudeln Acustic Covers. André füllt Wasser in einen Topf, gibt vorsichtig sechs Eier hinein – und schreit plötzlich laut. Der Löffel fällt klirrend aufs Ceran. Wir erschrecken, er stürmt zur Terrassentür. „Da ist ein Fuchs im Hühnerstall!“, keucht er und rennt raus. Wir hinterher…
Der Fuchs ist gerade unter dem Zaun hindurchgeschlüpft, hat sich aber mit der Pfote im Netz verfangen. Als wir alle schreiend nach draußen rennen, kann er sich befreien, rennt ängstlich durch den Hühnergarten. Er schafft es nicht durch den Hühnerzaun zu flüchten, springt immer wieder dagegen und wird zurückgeworfen. Wie auf einem Trampolin.
“Ein echter Fuchs!”, raunt mein Sechsjähriger an meiner Hand. “Ist der groß.” Mein Herz hüpft so wild wie dieser Fuchs. Schließlich schafft er es untendurch, flüchtet über die Schafweide ins Gebüsch. Die Hühner gackern friedlich. Sie haben keine Ahnung, dass ein zufälliger Blick aus dem Fenster ihnen gerade das Leben gerettet hat.
Nachmittags brummt mein Schwiegervater wie sein alter Trecker. Er ist mit ihm in unseren Garten getuckert, auf dem alten Anhänger neue Zaunpfosten, eine Sense und eine Kabelrolle. “Wir brauchen Strom!”, brummt er. “Das volle Programm!” Viel Hoffnung hat er nicht. Er hatte jahrelang Hühner. “Wenn der Fuchs einmal da war, kommt er immer wieder.”
Er mäht die Wiese flach, bevor er mit André und einem großen Hammer die neuen Pfosten in die Wiese haut. Der Strom lande sonst im hohen Gras, nicht an der Fuchsnase. Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Am nächsten Tag will er noch einen Bewegungsmelder installieren. “Und übermorgen dann ein Feuerwerk?”, denke ich und muss kurz grinsen. Die ganze Sache erinnert mich ein bisschen an Pettersson, Findus und den Fuchs.
Ansonsten fühlt sich die ganze Sache kein bisschen nach Bilderbuch an. Nachmittags nehme ich heimlich das niedliche Fuchsbild im Kinderschlafzimmer ab, das seit Jahren über den Betten hängt. Passt nicht mehr zu dem Bild, das mir die Nachbarn über Füchse erzählen. “Es ist jedes Mal ein Massaker”, erzählt die eine. “Er nimmt eins zum Essen mit, aber beißt alle tot.” Und die andere: “Für die Hühner ist es der quälendste Tod überhaupt. Lass bloß die Jungs abends nicht mehr die Hühner füttern, nachher laufen sie mitten rein ins Blutbad.”
Dabei ist das doch das Schönste. Wir streiten regelmäßig, wer am Wochenende morgens die Stalltür aufmachen darf. Wem sie fröhlich glucksend entgegen stolzieren. An wessen Beinen sich die braune Henne Chickaletta schmiegt, die jedes Mal gestreichelt werden möchte. Ihre Federn sind so beruhigend weich und warm. “Boaaaak”, macht sie, wenn ich ihr über den Rücken streiche. Kehlig und leise.
Schneewittchen geht immer als erstes zur großen Wasserschale, einen trinken. Sie nimmt genüsslich ein, zwei, drei Schlücke, bevor sie in Richtung Apfelbäume stolziert. Die dritte Henne, eine weiße mit schwarzen Punkten namens Cruella, ist schüchtern. Sie drückt ihr Hinterteil ins Gras, wenn ich an ihr vorbei gehe. Ich hatte ja keine Ahnung, wie unterschiedlich Hühner sind.
Ich hatte auch keine Ahnung, was für unterschiedliche Geräusche sie machen: Ein fröhliches Boak am Morgen. Ein langgezogenen, aufgeregtes, kehliges und sehr melodisches Booooooaaaaaak, wenn sie ein Ei gelegt haben. Und ein friedliches Gurren, wenn ich abends komme, um die Stalltür zuzumachen. So ist das mit Haustieren. Mit ihnen zieht Liebe und Glück ins Haus. Sie trainieren unsere Sinne – wir fühlen, hören, riechen mehr. Aber sie bringen auch Angst, Sorgen und Tod mit.
Der allergrößte Hühnerfeind ist verrückterweise winzig klein
Ein Huhn haben wir im Sommer verloren. Trudi lag plötzlich tot im Stall, wir hatten keine Ahnung warum. Ihre Augen waren geschlossen, der Wind pustete durch den Kaninchendraht sanft ihre Federn hoch und wieder runter. “Ist doch bloß ein Huhn…”, meinte unser Nachbar. Aber ich trauerte. Fragte mich die ganze Zeit: Warum? Was hatten wir falsch gemacht? Erst durch einen Bekannten fand ich heraus, woran Trudi gestorben ist. “Liegt es vielleicht an Milben?”, fragt er via Whats App. Ich hatte schon ein paar Mal vorher von Hühnerbesitzern davon gehört. Alle klangen dabei ähnlich aufgeregt, wie bei der Sache mit dem Fuchs. “Sowas haben wir nicht…!”, schrieb ich zurück.
An diesem Abend ging ich zufällig erst im Dunkeln zum Stall – und konnte nicht glauben, was ich im Mondlicht sah. Beinahe die kompletten weißen Holzwände unseres Stalls waren rot. Mehrere Millionen krabbelnde Punkte. Nur nachts kommen sie aus allen Ritzen. Ich hatte sie sofort überall, fing an mich zu kratzen – und holte André. Gemeinsam siedelten wir die Hühner für ein paar Nächte in den Fahrradschuppen meiner Schwiegereltern um. Erst jetzt fiel mir auf, dass auch sie sich ständig mit dem Schnabel im Gefieder kratzen.
Mein schlechtes Gewissen war riesig: Trudi hatte sterben müssen, weil die Milben sie ausgesaugt hatten. Sie war diejenige, die ständig im Nest gesessen und gebrütet hatte: Dieses Glucken war ihr Todesurteil. Und wir hatten einfach keine Ahnung gehabt. Jetzt googelten wir zwei Abende lang und bestellten reichlich Kieselgur und Kalkfarbe für den Stall. Am nächsten Tag starteten wir unsere aufwendige Anti-Milben-Mission.
Ich war sauer auf den Mann, der uns die Hühner verkauft hatte. Er hatte nämlich nichts davon gesagt. In meinem Hochglanz-Hühnerbuch stand davon ebenfalls nichts. Noch viel saurer war ich auf mich. Falls ihr also überlegt euch Hühner zuzulegen – bestellt die Kalkfarbe unbedingt gleich mit. Inzwischen habe ich gelernt, dass ein paar Milben immer da sind, wo die Hühner sind. Man muss bloß aufpassen, dass sie sich in schwülwarmen Nächten nicht explosionsartig vermehren.
Was ich noch gelernt habe? Der Stall muss so trocken wie möglich sein. Wir haben den Wasserbehälter rausgeschmissen, er steht jetzt im Außenbereich. Ich lege immer Zeitungspapier unten ins Nest. So kann ich das Stroh noch einfacher häufig auswechseln. Ich streue täglich Kieselgur im Nest und auf den Stangen aus und nächstes Wochenende wollen wir den Kalkanstrich erneuern. Die regelmäßige Impfung tragen wir uns regelmäßig im Kalender ein, damit wie sie nicht ständig vergessen. Unser Landtierarzt verkauft sie alle paar Monate sonntags in Kleinstmengen.
Ich weiß inzwischen, dass Hühner nicht weniger Eier legen, wenn man ihnen regelmäßig Essensreste gibt. Ich mochte die Idee von Anfang an als Mittel gegen Lebensmittelverschwendung. Davor hatte unser Hühnerverkäufer uns allerdings gewarnt – im Hinblick auf die Legeleistung! Wir geben unseren Hennen jetzt regelmäßig ihre eigenen, zerbröselten Eierschalen, damit ihre Knochen nicht weich werden, weil die Eiproduktion jede Menge Calcium verbraucht.
Ein bisschen weniger Bullerbü.
Die Sache mit den Hühnern hat sich bei uns also gefühlsmäßig verändert. Ein bisschen weniger “Wir Hennen aus Bullerbü”, ein bisschen mehr Fuchsvorsorge. Die Zeiten, in denen unser Hennenhaufen fröhlich durch den ganzen Garten laufen durften, mein absoluter Inbegriff des Hühnerglücks, sind ebenfalls lange vorbei. Die ersten Wochen war das schön und idyllisch. Dann haben sie sich jeden Tag weiter weg getraut, haben die Nachbargärten zerpickt oder den Verkehr oben an der Landstraße lahm gelegt.
Mindestens dreimal am Tag mussten wir eine große Hühnersuchaktion starten. Irgendwann hatte ich auch ehrlich gesagt keine Lust mehr auf völlig auseinandergenommene Beete. Irgendwann machten wir den ersten Zaun um einen Teil des Gartens, weil zwei Hühner erstaunlich gut fliegen können, wurde er wochenweise höher. Erst der Anti-Fuchs-Zaun rettet auch meine Beete vor Hennen-Übergriffen.
Ich bin gespannt, was als nächstes kommt. Ob der Fuchs zurückkommt. Die Nachbarn meinen, sobald einmal der Strom ausfalle, sei er wieder da. Eins ist sicher, mit Hühnern wird es nie langweilig. Freunde von uns haben gerade ein Gartenhuhn durch einen Greifvogelangriff verloren – ebenfalls Massaker. Ich überlege jetzt, auch gleich ein Netz für obendrüber zu bestellen. Auf jeden Fall haben wir noch zwei Büsche mehr ins Hühnergehege gepflanzt. Damit es von oben nicht so gut einsehbar ist.
Trotz allem muss ich noch immer selig lächeln, wenn ich an unsere Hühner denke. Jedes einzelne Ei ist ein ein Ostersonntagsgefühl. Und so lecker. Ich setze mich gern ins Gras und schaue ihnen zu, wenn alles stressig ist. Das bringt mich runter. Das ist mein Hühner-Yoga. Im Frühling sollen hier noch zwei Hennen einziehen. Doch ein bisschen Bilderbuch. Ein paar Sachen hätte ich aber gern vorher gewusst.
Fotos: Louisa Schlepper – Ihr-sagt-Ja-Hochzeitsfotografie
Alles Liebe,
Liebe Claudi,
Vielen Dank für den tollen und ehrlichen Artikel. Hühner scheinen zur Zeit etwas in Mode zu kommen. Wir haben spontan innerhalb einer Woche 5 Zwerghühner übernommen, Was uns als Hühner-Neulingen geholfen hat (Nennung aus Überzeugung):
– der Youtoube-Kanal “Happy Huhn” von Robert Höck mit Videos zu allen wichtigen Hühnerthemen
Auch das Hühnerforum im Netz ist klasse, viele hilfsbereite Hühnerleute.
– unser Stall von Omlet aus England. Ein hässliches grünes Ufo, aber wir sind so froh, dass wir es bei Milbensichtung kärchern können…In die Schublade unter dem Sitzgitter kommt jeden Tag ne neue Zeitung, die Hühner schlafen somit nie im Dunst ihrer Exkremente – oder zumindest nur in denen der jeweiligen Nacht.
Wir haben zudem eine Tierärztin für Hühner recherchiert. Die Kinder lieben die Tiere heiß und innig. Wir haben einen kleinen Hahn, der sich rührend um seine 4 Mädchen kümmert. Wir wollen die Truppe nicht mehr missen.
Gackernde Grüsse
Iris
Liebe Claudi,
neue Hühner zu den alten dazu zu setzen, kann auch ziemlich aufregend werden. Die alten sind nicht immer wirklich begeistert über den ZUwachs.
Liebe Grüße
Andrea
Hallo Claudi,
Zaun eingraben und Steinplatten drauf, hilft super gegen den Fuchs! Da braucht er relativ lang, um sich durchzugraben😉
Liebe Grüße
Rabea
Liebe Claudi,
vielen Dank für die Einblicke ins „echte Hühnerleben“! Ich hab auch schon immer wieder mit dem Gedanken geliebäugelt…
Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, Hühner zu „retten“ statt junge Hennen nachzukaufen? Das finde ich irgendwie nachhaltiger 😊
Habt ein schönes Wochenende!
Liebe Claudi, wir haben auch seit 1/2 Jahr Hühner, die kaum eingezogen unseren halben Garten und unsere Herzen erobert haben.
Ich finde, es sind wunderbare Haustiere für Kinder. Henni und Ingrid lassen sich streicheln und lieben unsere Gesellschaft. Seit einer Woche haben wir eine ältere verwaiste Henne dazu gesetzt. Nach anfänglicher Skepsis verstehen sich die Drei wunderbar.
Was ich sehr empfehlen kann, ist seinen Kompost im Hühnergarten zu integrieren. Täglich wird gewühlt und gegraben und die Bioabfälle verspeist.
Auch wir hatten im Sommer mit Milben zu kämpfen und mussten regelmäßig die Blumenbeete der Nachbarn retten. Zum Glück nehmen sie es leicht.
Wir sind gespannt, was der Winter für Überraschungen bereit hält.
Viele liebe Grüße von einer sonst stillen Leserin.
Liebe Claudi,
Wir haben auch eine Hühnerschar und lieben jedes Einzelne!
Allerdings gab es auch bei uns schon Dramen, der Nachbarskater jat schon ein Huhn schwer verletzt und ein Küken entführt aber wir konnten beide retten. Allerdings hat das Lieblingshuhn meiner Tochter den Marderangriff nicht überstanden.
Nach einer großen Beerdigung in einem sehr tiefen Loch haben wir auch diesen Tiefpunkt durchschritten.
Inzwischen haben wir einen Hahn der langsam weiß das er stärker wie unser Nachbarskater ist.
Dafür gibt es um 5 Uhr ein Konzert von den anderen drei Hähnen in Hörweite aber daran werden wir uns auch noch gewöhnen.
Trotz allem Dramen überwiegt das Schöne und wenn wir noch den Zaun fertig haben werden die Häufchen auf der Terrasse verschwinden.
Viele Liebe Grüße Sandra
Liebe Claudia, jetzt muss ich dir doch so einiges aus unserem Hühnerleben erzählen. Das Kieselgur ist Gift für die Lunge, auch für Hühnerlungen. Man nimmt das nur gerne dort, weil Hühner eh nicht alt werden, saublöde Einstellung, wir hatten schon Hühner mit Husten! Wir hatten auch schon Fuchs und Greif zu Besuch. Den Fuchs haben wir mit Bauzaun und Elektrozaun erfolgreich abgehalten, die Greifer hatten wir auch erst mit Netz vergrämt, bis wir hier und dort Spatz und Meise aus dem Netz puhlen mussten, oft schon tot… Nicht schön. Jetzt haben wir seit Jahren mit gespannten Maurerschnüre unsere Hühner geschützt. Und die Idee mit Busch und Baum ist eh viel schöner. Und der letzte Tipp, öfter die Tierchen entwurmen! Der Wurmbefall kann die Tiere ebenfalls so sehr schwächen, in Verbindung mit Milben doppelt mist! Wir entwurmen immer rechtzeitig vorm impfen, sonst wirkt der Impfstoff eh nicht. So, das war’s von mir, bin eine begeisterte stille Leserin deines Blogs , weiter so und lasst euch nicht entmutigen mit der Hühnerhaltung, das sind tolle Tiere. Und wenn erstmal die kleinen Küken hinter ihrer Glucke herpipsen, da geht einem echt das Herz auf😍… Liebe Grüße..🐓
Wir haben auch seit Jahren Hühner – zwischen vier und sechs, immer noch einen Hahn dabei. Alle paar Jahre verlieren wir auch eins an andere Beutetiere… Trotzdem lassen wir sie jeden Abend aus ihrem (200qm großen, mit vielen Büschen und Bäume) Gehege. Sobald es dämmert, gehen sie freiwillig zurück in den Stall. Je später wir sie aus ihrem Gehege lassen, desto weniger Gelegenheit haben sie, es bis zu den Nachbarn zu schaffen. Unser Gemüsegarten ist extra eingezäunt, aber durch ihr Picken auf dem Grundstück und um den Gemüsegarten herum haben wir weniger Schnecken! 🙂 (Sie fressen Nacktschnecken, wenn sie noch sehr klein sind)
Liebe Grüße,
Andrea
Huhu Claudi,
irgendwann will ich ja die Hühner von meinem Schwiegervater übernehmen und bin froh, dass er da schon sehr viel Erfahrung hat.
Ihr könnt aus größeren Ästen “Tipi’s” bauen und im Hühnergarten aufstellen, da können die Hühner sich auch vor Greifvögeln verstecken.
Mein Schwiegervater macht außerdem jeden Tag das Kotbrett sauber, damit er dann nicht soviel auf einmal wegmachen muss und streut anschließend ganz feine Sägespäne (bekommt er vom örtlichen Baumarkt aus der Zuschnittabteilung kostenlos) darüber.
Liebe Grüße
Sharon
P.S. Der Fuchs lässt sich bestimmt nicht wieder blicken 😉
Hi, bin nochmal zu diesem/deinem Artikel zurück gehüpft. Hühnerhaltung …immer wieder ein Thema in meinem Leben und Haus und jetzt wieder aktuell. Kannst du vielleicht noch ein paar Infos zu euren Rassen sagen ( möchte unbedingt u.a. auch Grünleger 🥰 ) und vielleicht einen link zu eurem Stall ..verknüpft mit Vor- und Nachteil….denn hübsch ist er auf jeden Fall- was ja auch ein wichtiger Aspekt ist 😅🤭 . Lieben Dank im voraus…Gruß Claudia
Liebe Claudia, guck mal, hier stehen ganz viele Infos drin: https://wasfuermich.de/zuhause-ist-wo-die-huehner-sind-die-ersten-wochen-mit-chicka-co-enthaelt-werbung/
Alles Liebe,
Claudi