Wie war das nochmal? “Homeschooling und Homeofficing macht Homenervenzusammenbruching?” Ich weiß nicht, wie oft mein Mann und ich uns gegenseitig diesen großartigen Satz von Marlene Hellene zurufen. Falls wir nicht selbst dafür zu müde sind. Tausende Eltern quälen wohl genau jetzt an deutschen Küchentischen wieder ihre Kinder – und sich. Es gibt aber auch Menschen, die unterrichten ihre Kinder freiwillig jeden Tag selbst. “Oh Gott, die Armen!”, seufzt ihr gerade? Oder raunt ihr doch: Die Glücklichen…”? Ich habe bei Homeschooling-Mama Betti nachgefragt…
Nach einer langen Reise im Wohnmobil lebt Betti mit ihrem Mann Henning und den drei Kindern nun auf Bornholm in Dänemark. Betti ist Ernährungsberaterin und entwickelt für ihren Blog und E-Books vegane Rezepte. Eindrücke aus ihrem Leben teilt sie auch auf ihrem Instagramaccount @thatfuelforlife. Ihr Mann arbeitet als Unternehmer, frei und ortsunabhängig.
Er hatte es satt, abends nach einem Job im Angestellten-Verhältnis bloß noch müde auf dem Sofa zu liegen und maximal fernzusehen. Heute haben sich Betti und Henning ein Lebensmodell entwickelt, dass sie selbstbestimmt leben und arbeiten lässt. Diese Lebensfreude wollen sie auch ihren drei Töchtern vermitteln. Im Leben – und im Homeschooling.
WASFÜRMICH: Sag doch Betti, wie ging das bei euch los mit dem Homeschooling?
Betti: Alles fing mit unserer großen Tochter an, also vor zehn Jahren. Die ersten drei Jahre mit Marit waren sehr intensiv, sie war und ist immer noch hochsensibel, was sich damals unter anderem in abendlichen Schreianfällen, Unwohlsein bei Lautstärke und Trubel bemerkbar machte. Anstelle sie dafür zu verurteilen und den Fehler bei ihr zu suchen, haben wir uns darauf eingelassen sie zu verstehen und gemerkt, dass sie einen eigenen Rhythmus und ihre Geschwindigkeit hat. Marit weiß ganz genau, was gut für sie ist und was sie will, da steht sie zu 100% dahinter. Zum damaligen Zeitpunkt war Kindergarten kein Thema für sie, wir haben uns als Eltern dann darauf eingelassen und für uns war es der einzig richtige Weg unsere Tochter nicht zum Kindergarten zu zwingen. Wir dachten einfach, vielleicht braucht sie noch etwas Zeit.
WASFÜRMICH: Der Wunsch nach mehr Freiheit wurde also schon lange vor der Schule deutlich?
Durch Marits Bedürfnisse hat sich unsere Einstellung zum Lernen & Schule geändert. Wir haben angefangen uns mit Homeschooling zu beschäftigen und viel gelesen. Wir waren bei Gesprächsabenden mit Jasper Juul und Andre Stern zum Thema: Kindliche Entwicklung. Dadurch haben sich ganz neue Wege und Perspektiven aufgetan. Als das Einschulungsjahr immer näher rückte, war uns klar, dass wir den schulischen Weg, wie er in Deutschland Pflicht ist, nicht gehen wollten, weil er für unsere Tochter einfach nicht passte. Und für uns inzwischen auch nicht mehr. Wir haben also vor viereinhalb Jahren unsere Wohnung gekündigt, haben uns aus Deutschland abgemeldet und sind mit einem Camper für eineinhalb Jahre durch Europa gereist.
Es war eine schöne und intensive Zeit für uns alle. Nach eineinhalb Jahren im Camper sind wir dann nach Österreich gezogen und hatten dort zwei wunderschöne Jahre. Die Kultur und die Natur sind wundervoll. Die Kinder haben das Ski fahren gelernt, Wandern, die Natur erkunden, die Geschichte und all die Bräuche. Wir haben natürlich auch Kontakte & Freunde in Österreich gefunden – allerdings nicht in dem Maße, wie wir uns das wünschten. Wenn man sich für Homeschooling entscheidet, bedeutet es, viel Zeit für und mit der Familie zu verbringen, was wunderschön ist und dennoch auch anstrengend.
Deshalb erschien es uns umso wichtiger, diesen Weg mit Gleichgesinnten zu gehen. Fakt ist: Es gibt Länder, in denen Homeschooling eine lange Tradition hat. England und Dänemark zum Beispiel. Homeschooling ist dort kein unglücklicher Umstand, der durch Corona entstanden ist. Es ist eine echte Option. Und es gibt öffentliche Einrichtungen, die einen dabei supporten. Deutschland ist eines der wenigen Länder, in denen es eine Schulpflicht gibt, sprich, die Kinder eine Anwesenheitspflicht in der Schule haben. Letztes Jahr im September sind wir deswegen, nach Dänemark gezogen. Wir leben jetzt in einem Ort, an dem viele Homeschooler leben.
Homeschooling ist hier eine bewusste Entscheidung – kein Corona bedingtes Notprogramm.
WASFÜRMICH: Was macht ihr anders – besser – als wir und viele andere verzweifelte Homeschooler an deutschen Küchentischen?
Wir machen es anders. Vor allem: Bei uns ist es eine bewusste Entscheidung. Kein Corona bedingtes Notprogramm, bei dem Eltern und Kinder von heute auf morgen in diese Rolle schlüpfen mussten. Und Homeschooling noch dazu unter schwierigsten Bedingungen in der Familie ausgeübt werden soll. Uns ist wichtig, dass unsere Kinder nach ihren Interessen lernen dürfen. Dann fällt Lernen leichter und macht Spaß.
Unsere große Tochter Marit (10 Jahre) lernt gerade total gerne Englisch und Dänisch und die Freude am Lernen ist so groß, dass es mit einer Leichtigkeit passiert und die Entwicklung ganz deutlich für mich zu erkennen ist. Eben auch durch die neue Situation mit internationalen Freunden, ist Sprache momentan sehr im Fokus, damit sie sich verständigen kann. Unsere mittlere Tochter Anni (7 Jahre) lernt gerade Lesen und Schreiben. Sie fängt an, erste Bücher zu lesen und es ist für mich eine unglaublich schöne und lebenserfüllende Aufgabe sie darin zu begleiten. Ich versuche dabei nicht die Lehrerrolle einzunehmen, vielmehr möchte ich Mama sein und sie dabei unterstützen und begleiten, ähnlich wie es in einer Freien Schule der Fall ist.
WASFÜRMICH: Wie sieht ein typischer Tag bei euch aus?
Unsere Mädels sind Langschläfer und daran ändere ich auch nichts. Ich wecke sie also gegen 8 Uhr. Vorher ist hier selten jemand wach. Für uns ist es enorm wichtig den Tag mit möglichst wenig Stress zu starten.
Erstmal frühstücken wir ganz ausgedehnt und gemütlich. Danach treffen wir uns alle gegen halb zehn am großen Esstisch im Wohnzimmer. An diesem Tisch spielt sich eigentlich der ganze Tag ab, er ist der große Mittelpunkt in unserem Alltag. Ich schaffe eine gemütliche Atmosphäre, stelle einen kleinen Snackteller auf, stelle Tee oder Wasser bereit oder zünde an dunklen Tagen Kerzen an.
Außerdem lege ich benötigte Materialien, wie Stifte, leere Blätter und eine Anlauttabelle bereit. Eigentlich alles, was aktuell von den Kindern benötigt wird. Das Ganze schaut dann so aus, wie eine schöne Einladung zu einem Spiel. Dann schau ich mit den Mädchen gemeinsam, mit welchen Themen sie sich, beziehungsweise wir uns beschäftigen wollen: Welche Aufgabe in welchem Arbeitsheft? Wollen sie an einer Geschichte weiterschreiben? In einer Lern-App arbeiten? Oder lesen…?
Ich bin die ganze Zeit dabei und stehe für Fragen bereit. Unsere Lernzeit am Tisch beträgt etwa zwei Stunden, je nach Kind variiert es etwas. Unsere Kleinste malt während dieser Zeit meist auch am Tisch oder spielt in unserer Nähe mit Bausteinen oder Holztieren. Ich versuche die ganze Zeit über für eine ruhige Umgebung zu sorgen. Diese zwei Stunden sind die Basis und nur ein Teil unseres Homeschooling Alltags. Marit turnt momentan zusätzlich an einem Vertikal-Tuch und lernt das Klavierspielen. Anni hat sich ebenso angesteckt und so spielen sie gemeinsam am Klavier und kommen mit Musikgeschichte in Kontakt.
Wer hat schon immer Lust?
WASFÜRMICH: Hach, das klingt wirklich schön. Aber mal ehrlich, haben die Kinder nicht auch mal keine Lust? Was machst du dann?
Solche Tage gibt es auch, das ist ganz normal. Wer hat schon immer Lust? Manchmal schiebe ich dann die Lernzeit etwas nach hinten oder ich greife ein interessantes Thema in der Lern-App auf, wie Biologie, Sachkunde oder Geographie. Dort schauen sie sich Videos mit anschließenden Aufgaben an, das ist oft eine gute Alternative für sie. Wenn mal gar nichts geht, dann hilft es einfach nur rauszugehen in die Natur, danach sind oft alle wie ausgewechselt.
Manchmal kommt es vor, dass ich nur mit unserer großen am Tisch sitze und die beiden Kleinen spielen und oft passiert es auch, dass Anni dann von ganz alleine kommt und sich dann ein Arbeitsheft schnappt und mit uns mitmacht. Ich versuche da so wenig wie möglich Druck auszuüben, denn das macht den Spaß am Lernen oft kaputt. Homeschooling findet auch statt, wenn wir etwas backen, gemeinsam kochen, Klavier spielen, im Garten Beete anlegen, Hochbeete bauen, in den Wald gehen, Bäume kennenlernen. Homeschooling muss nicht nur am Tisch stattfinden. Abwechslung ist absolut wichtig.
WASFÜRMICH: Wo findet ihr Material?
Das ist heutzutage das geringste Problem, dank Google. Überall gibt es Videos, Tools, Arbeitsblätter die ausgedruckt werden können. Wenn sich ein Kind für ein bestimmtes Thema stark interessiert, dann schauen wir in der Bibliothek nach geeigneten Büchern, besuchen Museen oder schauen, was es sonst noch für Möglichkeiten gibt. Außerdem benutzen wir eine Lern App, Sprach Apps für Englisch und Dänisch, Arbeitshefte nach Klassenstufen, Dokumentationen und Bücher. Hier in Dänemark gibt es eine große Homeschooling Gruppe, wo regelmäßig Treffen mit Schwerpunkten stattfinden. Zum Beispiel Theaterbesuche, Mikrobiologie, Yoga und noch viel mehr. Das ist eine echte Bereicherung für die Kinder – und für Henning und mich. und große Inspiration für Groß und Klein.
“Sie haben zwar weniger Freunde als Schulkinder, dennoch sind die Beziehungen, die sie haben, tief und innig.”
WASFÜRMICH: Sorgt ihr euch nicht, dass die Kinder zu wenig Kontakte knüpfen könnten?
Wir leben ja nicht abgeschottet. Wir haben viel Kontakt zu anderen Familien und Freunden. Unsere Kinder treffen auch Freunde im Turnverein, beim Reitunterricht, im Chor oder sonstigen Workshops, die sie allein besuchen. Auch Freunde besuchen sie regelmäßig alleine, haben Übernachtungsparties. Sie haben immer auch mal Zeit ohne uns, wenn sie es möchten.
“Papa und Mama lernen auch eine Menge!”
WASFÜRMICH: Wir organsiert ihr euch als Eltern? Wer macht was in Sachen Homeschooling?
Ich übernehme den Hauptpart, da Henning in der Woche arbeitet. Er macht das zwar von zu Hause aus, hat aber in der Woche dennoch selten die Möglichkeit, mich dabei groß zu unterstützen. Er macht dafür Projekte mit den Kindern: Hasenstall, Hühnerhaus und Baumhaus bauen. Morgens fahre ich sie zu Terminen, nachmittags übernimmt das oft Henning. Außerdem lernen Marit und Henning gemeinsam Gitarre spielen. Das finde ich auch unglaublich wertvoll, solche Schritte gemeinsam mit dem eigenen Kind zu erleben. Dann lernen nicht nur die Kleinen von den Großen sondern auch umgekehrt. Aber vor allem dann, wenn man seinem Kindern auf Augenhöhe begegnet!
Für uns ist es total okay so, keiner von uns fühlt sich benachteiligt oder hat das Gefühl irgendwie zu kurz zu kommen. Und Henning räumt mir auch für meine Projekte Zeit ein. In der schreibe ich dann ein Kochbuch oder kümmere mich um unseren Instagram Auftritt.
WASFÜRMICH: Sollen eure Mädels irgendwann mal eine Schule besuchen?
Sobald ein Kind den Wunsch äußert, in die Schule zu gehen, werden wir es auch auf diesem Weg unterstützen und ihm zur Seite stehen. Homeschooling ist jedoch für uns keine vorübergehende Situation und Schule ist in unseren Augen nicht nur die einzige Option auf Bildung. Das ist in Deutschland so, aber nicht im Rest der Welt. Unsere Kinder haben Zugang zu Bildung und können einen Abschluss machen.
Unsere Kinder sollen die Möglichkeit haben, sich ihrer Persönlichkeit entsprechend zu entwickeln und ihre Interessen auszuleben. Es gibt tolle, freie Schulen die ähnliche Konzepte verfolgen. Wir haben schon zwei mal eine freie Schule in Italien, in Südtirol besucht, weil sie eine Option gewesen wäre. Die Kinder können auch dort ihre Interessen verfolgen.
WASFÜRMICH: Wie unterscheidet sich Homeschooling in Deutschland und in Dänemark?
Da gibt es ganz große und grundlegende Unterschiede. In Dänemark ist Homeschooling erlaubt und in Deutschland verboten. Nur jetzt gerade findet es dank Corona statt. Einmal im Jahr gibt es in Dänemark ein Tilsyn, wo jemand zur Familie nach Hause kommt und schaut, wie es dem Kind geht. Zur Zeit macht das jemand von der Schule. Diese Leute gucken dann, die das Kind Zugang zu Bildung hat, Fortschritte macht uns sich allgemein gut entwickelt. Es werden aber keinerlei Tests durchgeführt. Dadurch ist eine individuelle und auf die des Kindes abgestimmte Bildung möglich, was ich als großen Pluspunkt sehe.
“Jede Homeschooling-Familie gilt in Dänemark als eigene Schule.”
Sollte der Eindruck vom Kind nicht gut sein, sollte sogar das Kindeswohl gefährdet oder die Möglichkeiten zum Lernen nicht gegeben sein, ist es auch hier so, dass das Kind eine Schule aufsuchen muss.
Wir lernen nicht nach Lehrplan. Dennoch schreibe ich für jedes Jahr Ziele der Kinder auf und wir orientieren uns am Lehrplan der Waldorfschule. Oft passiert es allerdings, dass sich im Laufe des Jahres ganz neue Ziele herausbilden. Jetzt gerade die dänische Sprache und das Klavierspielen, das neu dazugekommen sind. Wir halten nichts dogmatisch fest, alles kann, nichts muss.
Danke Betti! Habt ihr Fragen? Dann schreibt sie uns gern in die Kommentare!
Alles Liebe,
Das ist ein sehr schöner Beitrag! Vielen Dank für das Aufgreifen dieser Thematik, die ja gezwungenermaßen alle Familien hierzu Lande zur Zeit betrifft. Auch wir müssen uns mit unserem Sohn (5. Klasse) coronabedingt damit beschäftigen. Es gibt hier positive Fortschritte zu verzeichnen, aber auch oft Rückschläge und Tage, die mächtig an die Substanz gehen. Meiner Meinung nach liegt das aber auch daran, dass wir als Eltern gar nicht die Zeit haben die „Lehrerrolle“ nebenbei zu übernehmen, da die Arbeitsstunden im Angestelltenverhältnis ja auch geleistet werden müssen. Wie schafft man das? Außerdem würde mich interessieren wie man den Kindern z. B. kompliziertere mathematische Ansätze näher bringt, die einem vielleicht selber Probleme bereiten würden?
Liebe Grüße
Schön geschrieben und Hut ab für die Einstellung und die Leichtigkeit, die daraus klingt!
Aber das, was in D gerade stattfindet, hat mit Homeschooling nichts, aber auch gar nichts, zu tun. Ich finde es unglücklich, dass der Begriff häufig auch in den Medien benutzt wird. Distanzlernen oder Lernen zu Hause trifft es besser. Das Homeschooling zeichnet es aus, dass interessensbasiert gearbeitet wird unter Berücksichtigung der Tagesform und mit großer Flexibilität. All das begleitet von einem Erwachsenen, der das Kind sehr gut kennt, sich freiwillig dazu entschieden hat und in der Regel nicht noch obendrein berufstätig ist.
Derzeit arbeiten die meisten Familien zwangsweise von Schule gestellte Aufgaben mehr oder minder stupide und alleingelassen ab unter der Mehrfachbelastung von eigenem Homeoffice oder Betreuungsnöten und weggebrochenen gewohnten Strukturen für alle.
Danke für den spannenden Beitrag! Es hört sich nach einem tollen, wenngleich arbeitsintensiven Modell für die Familie an. Hut ab vor den Eltern, die so etwas ermöglichen mögen. Das würde ich, ganz ehrlich, nicht dauerhaft machen wollen. Meine Kinder sind noch im Kindergarten, aber selbst da liebe ich es, wenn sie mit neuen Eindrücken zurückkommen, zB aktuell das Thema Karneval. Dazu hab ich keinen Bezug und freue mich, dass die Erzieher da begeistert zu basteln. So kann ich mir den Luxus rausnehmen, nur die Themen extra zu bearbeiten, auf die ICH auch Lust habe. 😉
Homeschooling und Homeoffice sind zwei Dinge, die definitiv nicht zusammen passen. Zumindest nicht auf Dauer und schon gar nicht mit kleineren Kindern.
Bei uns zu Hause kann eigentlich nur einer arbeiten und einer ist für die Kinder da.
Vielleicht klappt es auch mal eine Stunde zu zweit, aber mehr geht da auch nicht.
Beim Homeschooling brauchen die Kinder meine völlige Aufmerksamkeit und die möchte ich ihnen auch geben.
In De wird enorm viel Druck auf die Familien ausgelegt und das hat wirklich nichts mit Homeschooling zu tun.
Homeschooling sollte vor allem auch an die Familien oder Kinder angepasst sein und es muss auch nicht zwangsläufig nur am Schreibtisch vor Arbeitsblättern passieren. Die Abwechslung bringt Spaß am Lernen, interaktiv beim Backen, Hühnerhaus bauen oder auch in der Natur.
Ich versuche da so kreativ wie möglich zu sein, was in diesen Zeiten natürlich auch nur bedingt möglich ist.
Ich wünschte, die Familien hätten mehr Entscheidungsfreiheit, um das Homeschooling angepasst an das individuelle Familienleben zu ermöglichen, denn eigentlich kann das wirklich für alle Beteiligten viel Spaß machen.
Bisher konnten wir alle Fragen ( mit Hilfe von Internet oder Büchern) unserer Kinder beantworten, sollte es doch mal schwieriger werden, kann ich mir sehr gut vorstellen auch mal Hilfe von außen zu holen, wie Mathelehrer oder ähnliches.
Ich glaube, dass das grundlegende Problem ist, dass wir derzeit in Deutschland ja gar kein “homeschooling” machen – auch wenn das überall so benannt wird – sondern ein “Lernen auf Distanz”.
Zum “homeschooling” entscheidet man sich bewusst. Man richtet sein Leben so ein, dass ein Lernen gemeinsam mit den Kindern darin Platz hat. Die Themen können – in einem gewissen Rahmen – frei gewählt werden. Interessen der Kinder (und auch der Eltern) können berücksichtigt werden. Flexibilität ist da wohl das große Stichwort.
Im Lernen auf Distanz hingegen, haben sich die Eltern mit Nichten dafür entschieden ihre Kinder zu Hause unterrichten zu wollen.
Das Leben ist eben nicht darauf eingerichtet. Auch sind die Themen nicht frei wählbar, sondern werden von den Schulen vorgegeben. Ebenso Umfang der Aufgaben und Abgabefristen.
Die grundlegenden Unterschiede sind m.E. dass, was es für viele derzeit so schwierig macht.
Ich glaube, dass es im Gefühlschaos der ständigen Überforderung an allen “Fronten” hilft, wenn man sich das nochmal klar macht.
Was ich bei all den Herausforderungen am “Lernen auf Distanz” aber zu schätzen weiß, ist dass es eben doch ein bisschen Flexibilität gibt, nämlich bei der Zeiteinteilung des Tages. Und das meine Kinder deutlich selbstständiger geworden sind.
Liebe Grüße!
Danke für das tolle Interview!
Andere Kommentatorinnen haben es schon gesagt: das, was Familien in D zurzeit machen müssen, hat mit dem, wozu Betti und ihre Familie sich entschieden haben und was sich wunderbar und stimmig anhört, nichts zu tun.
Ich finde es schlimm, dass das dt. Schulsystem diesem legitimen Wunsch von Familien, die Schulbildung zu Hause stattfinden zu lassen, überhaupt keinen Platz einräumt. Es gibt Kinder, die in dem etablierten System nicht gedeihen, das sehen auch Lehrer_innen und Bildungsexpert_innen so. Dennoch sollen alle Kinder am Ende irgendwie darin klarkommen – oder Familien wandern aus bzw. unterrichten heimlich ihre Kinder selbst und müssen ständig befürchten, entdeckt zu werden.
Meine Frage an Betti: Eltern in D sind zwar stark eingeschränkt darin, wie wir im Moment die Schulaufgaben und den Distanzunterricht unserer Kinder gestalten. Hast du dennoch einen Tipp für uns, diese Notsituation für alle Beteiligten so angenehm und frei wie möglich zu gestalten? Wo würdest du ansetzen?
Danke!
Hallo Sina,
danke für dein Feedback!
Sehr schwierig ich habe grade lange überlegt, wie man den Druck, den ihr ausgesetzt seid, etwas entspannen kann.
Auf jeden Fall, den Druck den ihr als Eltern bekommt, nicht an die Kinder weitergeben.
Was wirklich nicht einfach ist. Ich weiß!
Versucht nicht die Lehrerrolle einzunehmen, bleibt Mama und Papa und versucht vielmehr ein Begleiter zu sein und unterstützend sie darin zu begleiten.
Außerdem hilft es vielleicht den Kindern Entscheidungsfreiraum zu geben, mit welchen Aufgaben wollen sie als erstes Anfangen, wollen sie die Lernzeit lieber aufteilen…? Manche Kinder sind tatsächlich am Morgen noch nicht in der Lage gut zu lernen, da sie noch müde sind und einfach mehr Zeit benötigen, um wach zu werden.
Die Lernzeit so gemütlich wie möglich gestalten, mit Tee, Kerze und Obstteller. Zwischendurch mal raus an die frische Luft wenn’s gar nicht mehr geht.
Mit dem Partner viel Kommunikation halten über die Tagesplanung. Wer hat wann etwas Wichtiges vor? Wer kann die Kinder wann übernehmen? Gegenseitig Pausen schaffen zum Durchatmen. Ganz wichtig!
Ich wünsche dir viel Kraft.
Hallo Betti,
ja, den Druck nicht weiterzugeben ist die größte Herausforderung…
Vielen lieben Dank für die ausführliche und hilfreiche Antwort!
Sehr schöner und interessanter Beitrag! Vielen Dank dafür! Ich frage mich aber, wie es weitergeht, wenn die Kinder älter sind. Unsere Kinder sind in der 7. und 11. Klasse. Beim Jüngeren kann ich noch mithalten, aber irgendwann steige ich bei einigen Themen komplett aus. Mathe, Physik, Chemie, Latein Grammatik…. könnte ich auf keinen Fall mehr erklären. Wie ist es da umzusetzen, dass sie ihr Abitur machen können? Mit Privatlehrer? Klar, Abitur muss jetzt nicht jeder machen, aber es würde mich mal interessieren wie es weitergeht. Liebe Grüße