Whaaat? Ich schließe die Augen und gehe nochmal von der Waage. Stelle sie gerader hin und steige wieder drauf. Okaayyy? Okay! Mein neues Gewicht stimmt. Schon wieder mehr. Während ich dusche, lasse ich die letzten Tage Revue passieren. Habe ich soviel gegessen? Habe ich mich so wenig bewegt? Vielleicht war es von dem einen zu viel und dem anderen zu wenig. Seit einer Weile merke ich das sofort auf der Waage. Und da ist noch mehr, das ich merke…

Essen ist ein Problem – manchmal zumindest.

Da gibt es Tage, da frustriert mich diese Zahl auf der Waage extrem. Meine Vorsätze gleichen dann einer Liste, die man sonst nur an Silvester vor sich hat. Manchmal schaffe ich es, weniger zu essen: Intermittierendes Fasten lässt sich oft gut in meinen Alltag integrieren. Ich lasse das Frühstück weg und esse erst mittags mit den Kindern. Immer öfter ist es aber so, dass ich dann bei der Arbeit Kopfschmerzen bekomme. Also nochmal umdenken…

Inzwischen richte ich mir eine große Box mit Gemüse und Hummus und nehme das zur Arbeit mit. Die Kopfschmerzen sind weg und ich fühle mich viel besser.
Und trotzdem stelle ich mir die Frage: Muss ich ab jetzt ständig verzichten, nur damit ich mein Gewicht halte? Und warum ist das so schwierig geworden?

Mein Körper ist weicher, um es positiv auszudrücken. Meine Stimmung viel zu schnell genervt.

Die grauen Haare sind nicht zu leugnen und lassen sich auch nicht mehr durch geschicktes Frisieren verstecken. Ich schlafe schlechter-die Nächte, nach denen ich erholt aufwache, sind deutlich weniger geworden. Und meine Periode ist anders: immer pünktlich, aber deutlich schwächer und dafür länger als noch vor ein paar Monaten. All das fällt mir tatsächlich erst auf, nachdem ich einen Vortrag über das Klimakterium besucht habe und mir dadurch nochmal deutlich wurde, dass diese hormonelle Veränderung bereits Jahre vor der Menopause im Körper beginnt. Inzwischen dokumentiere ich alles in einer App, was mir erstaunlich hilft, meinen Körper besser zu verstehen.

Ich frage mich: Ist das jetzt also die Prämenopause? Bin ich wirklich schon so alt?

Als ich neulich eine Freundin traf, stellten wir fest, dass sich andere Themen in unser Leben geschlichen hatten: Trauer, Tod, Krankheiten und kleine Zipperlein, die den Alltag erschweren. Irgendwann sagte ich es: „Ich glaube, ich bin in der Prämenopause.“ Meine Freundin schaute mich verwirrt an. „WAS bist du?“ Als ich es wiederholte, fing sie an zu lachen. Jetzt war ich es, die sie verunsichert anschaute. Sie hatte verstanden, dass ich in der “Premium-Phase“ bin. Seitdem lässt mich dieser Begriff nicht mehr los.

Ist die Prämenopause vielleicht wirklich meine Premiumphase?  Manchmal fühle ich mich eher in einer Brüllphase…

Ich bin ziemlich oft genervt. Genervt von meinen Kindern, dem ewigen Streit über Kleinigkeiten, den sie tagtäglich mehrmals ausfechten und das am liebsten schon morgens vor dem Frühstück. Dann brülle ich innerlich wie ein Löwe und manchmal auch laut vor mich hin. Dann bin ich ganz schön genervt von mir selbst. Weil ich cooler sein will, und die Streitereien einfach ignorieren wollte.

Ich bin auch genervt von den Veränderungen meines Körpers, den grauen Haaren, dem schlechteren Schlaf, den Kilos, die einfach nicht mehr verschwinden wollen. Auch dass sich meine Periode verändert hat, nervt mich. Aber am allermeisten nervt es mich, dass ich von all dem so genervt bin. Dann schimpfe ich leise vor mich hin, halte mich für die schlechteste Mutter, die hässlichste Frau und könnte heulen vor Wut über mich selbst.

Manchmal lege ich mich dann hin – ein kleines Nickerchen wirkt oft Wunder.

Manchmal laufe ich am Spiegel vorbei und sehe mich darin, dann muss ich auch mal lauthals über mich lachen und der Ärger ist weg. Manchmal mache ich laut Musik an und singe und tanze dazu in der Küche – sehr zum Leidwesen meiner Tochter, der das extrem peinlich ist. Und manchmal kommt mein wunderbarer Mann, nimmt mich in den Arm und sagt mir, dass alles gut ist. Und dann ist alles gut.

Nach und nach denke ich, dass es okay ist, auch mal genervt von meinen Kindern zu sein.

Alles verändert sich. Und es ist ok, wenn ich genervt bin vom Gezanke meiner Kinder. Dass ich dabei nicht immer ruhig bleiben kann, zeigt einfach meine Grenzen. Es ist auch ok, ein paar Kilos zu viel auf der Waage zu haben. Es ist ok, dass sich die grauen Haare auf dem Kopf vermehren und ich sie nicht mehr färben möchte. Immer öfter schaue ich mit einem Lächeln auf mein Leben und fühle mich angekommen.

Ich schaue öfter, was ich habe: einen wunderbaren Mann, zwei gesunde Kinder, tolle Freundinnen und ich mag meinen Beruf wirklich sehr.

Ich kenne meinen Körper besser denn je, weiß ihn inzwischen zu schätzen und muss nicht mehr dem „perfekten“ Aussehen hinterherrennen. Ich kann ihm inzwischen sogar mit Demut begegnen – schließlich hat er mir zwei zauberhafte Kinder geschenkt und trägt mich jeden Tag gesund durchs Leben. So anstrengend die Veränderungen auch manchmal sind, so viel entspannter ist es aber, gelassener damit umzugehen. Ich spüre eine tiefe Dankbarkeit für all das, was in meinem Leben ist.

Ich bin in mir angekommen, was nicht heißt, dass ich stehen bleiben will. Aber alles darf sich weiterentwickeln. Wenn ich jetzt meine Freundin treffe und sie mich mit einem Augenzwinkern fragt: „Bist du immer noch in deiner Premiumphase?“, so kann ich aus vollem Herzen sagen: „Ja, das hier ist meine Premiumphase.“.

Nadine