Nennt mich Lale, obwohl ich anders heiße. Ich bin Anfang 40, Mutter von zwei Mädchen, habe einen Job, den ich mag und einen Mann, den ich liebe. Vielleicht muss ich das präzisieren: Ich habe einen Mann, den ich begehre. Mein Mann ist nicht nur der Vater meiner Kinder, mein frustrationstoleranter Partner im Alltag – es ist vor allem der Mann, mit dem ich sehr gern Sex habe…

Mit dem ich WIEDER sehr gern Sex habe, um genau zu sein, nach Jahren der Flaute. Er ist der Mann, der mir Lust verschafft – nie gekannte, in all ihren Facetten. Und genau darum soll es in dieser Kolumne gehen: Um guten Sex für Frauen, die in ihrem Leben schon jede Menge gerissen habe – beruflich und familiär. Und die sich jetzt endlich mal wieder um ihr Sexleben kümmern dürfen. Hast du auch Lust…?

Ich hatte früher an vielen Orten Sex:

Im Schwimmbad, auf einer Waldlichtung, unter der Dusche, auf dem Küchentisch, dem Fußbodenflur und im Stehen an der Wand während eines Gewitters – der Typ damals behauptete, das mache einen besonders horny (also das Gewitter, nicht unbedingt die Position). Warum ich das erzähle? Weil sich das im Laufe meines Lebens verändert hat, sehr sogar.

Dabei fand ich dieser Sturm-und-Drang-Sex immer fantastisch: Dieses Prickeln im Nacken, wenn mir klar wurde, dass ich jetzt gleich und sofort Sex haben würde. Die fiebrigen Hände, die Kleidungsstücke von Körperteilen zerren. Die hungrigen Küsse, diese allumfassende Sehnsucht nach Berührung…

Nur: Mit zahnendem Kleinkind hat man eben nicht mehr spontan Sex im Vorbeigehen. Man hat weder Fantasie noch Energie oder überhaupt noch Lust.  Kommt euch vermutlich vage vertraut vor. Wenn ich mich dazu aufraffen konnte, dann nur abends im Schlafzimmer, wo ich todmüde eher vom tiefen Schlummern als vom zügellosen Vögeln fantasierte und den Sex in Missionarsstellung im Dunkeln möglichst schnell hinter mich bringen wollte.

“War es das jetzt mit der Lust?”, fragte mich mein Mann irgendwann, als die Kinder aus dem Gröbsten raus waren. “Sind wir zu bequem für guten Sex geworden…?”

Ich dachte spontan “Ja.” und danach “Nein, das will ich nicht, so wollte ich, so wollten wir als Paar doch nie werden…” Ich dachte daran, wir mir früher seine Berührung, manchmal nur ein einziger Blick einen Schauer über den ganzen Körper laufen ließ, wir gern ich von ihm geküsst wurde, überall.

Wie fantastisch es sich anfühlte, sich einfach fallen zu lassen, nicht den Kopf, sondern dem Körper die Kontrolle zu überlassen, nicht Gedanken, nur Gefühlen, die in Dauerschleife “Hör nicht auf, hör nicht auf…” skandieren. Ich wusste, davon sind wir Welten entfernt. Aber ich wusste auch: Da will ich wieder hin. Und so sagte ich: “Nein.” Und “Hast du heute Abend schon was vor…?”

Wenn wir jetzt miteinander ins Bett gehen, dann eben nicht ins Bett. Irgendwie ist das für uns der Ort, wo Sex etwas von seinem Zauber verloren hat.

Die Macht der Gewohnheit mag in Familiendingen, bei Erziehung und Einschlafritualen von Vorteil sein – bei Sex ist es genau andersherum. Natürlich basiert auch Sex auf Vertraulichkeit, auf Verlässlichkeit – aber eher, dass der andere den eigenen Körper mit all seinen Lustpunkten kennt, dass Grenzen respektiert werden. Darüber hinaus soll gern experimentiert werden, auch und gerade, was die Location anbelangt.

Wie anders es sich anfühlt, sich nicht im Stockdunkeln unter der schützenden Bettdecke aneinander heranzutasten. Sondern sich bei indirektem Licht betrachtet vor der Couch gegenüberzustehen und sich langsam gegenseitig auszuziehen. Ja, das erfordert im ersten Moment ein wenig Mut, ich weiß. Und die Bereitschaft, störende Gedanken beiseite zu schieben – Steuererklärung, Kindergeburtstag, Körperscham.

Aber allein das Entkleiden wieder dem anderen zu überlassen, ist schon ziemlich sexy.

Und dann weiß man eben nicht, wie es gleich weitergeht, weil Schema F im Schlafzimmer geblieben ist. Lasse ich mich aufs Sofa sinken und spreize die Beine? Dreht er mich um, suchen wir im Stehen Halt an der Wand…? Plötzlich kann wieder alles passieren. Glaubt mir, das ist verdammt reizvoll!

Ich hatte ganz vergessen, wie heiß ich meinen Mann immer fand. Wie heiß ich es fand, dass er mich attraktiv findet, immer noch, immer wieder. Auch wenn wir uns beide verändert haben. Aber je weniger ich mir einen Kopf um Schwangerschaftsstreifen, Dellen oder Speckröllchen mache, desto mehr kann ich mich der Lust überlassen. Und vor allem tagsüber – Homeoffice sei Dank…

Kürzlich hatten wir im Arbeitszimmer Sex auf dem Fußboden – das vollständige Entkleiden haben wir uns gespart.

Es war schnell, spontan und ziemlich spannend. Unser Sex lebt wieder mehr von der Überraschung. Natürlich ist es dennoch ganz anders als früher, wir haben Kinder, die zu unpassendsten Zeiten auftauchen. Unser gemeinsamer Dusch-Quickie endete damit, dass unsere Tochter an die Tür hämmerte und brüllte: “Ich muss aufs Klo – was macht ihr denn so lang da drinnen…?!” Wir mussten so lachen, dass wir es natürlich nicht zu Ende brachten. Aber das machte nichts.

Unser Sex hat eine neue Leichtigkeit wieder, die uns lange Jahre gefehlt hat. Das heißt nicht, dass wir jetzt täglich übereinander herfallen. An vier von fünf Abenden bin ich immer noch zu müde. Aber wir sind aufmerksamer miteinander geworden. Erlauben uns im Alltag, uns als Paar zu betrachten, nicht nur als Eltern-Guerilla für die rudimentäre Ordnung unseres Familienlebens. Manchmal trifft mich am Kühlschrank dieser eine Blick, von dem ich weiß: Später könnten wir genau hier am Küchentresen Sex haben. Und dann male ich mir das schon mal ein wenig detaillierter aus, denn Kopfkino ist eine feine Sache beim Sex. Dazu beim nächsten Mal mehr.

Traut euch: Wo habt ihr am liebsten Sex?

Foto: Shutterstock

Habt Spaß, alles Liebe,

Lale