Küssen ist eine Kunst für sich. Da kann ich einen Kerl noch so attraktiv finden – wenn er schlecht küsst, katapultiert er sich innerhalb von Sekunden ins Aus. Küssen ist so viel mehr als der Anfang von etwas anderem, vermeintlich größerem – sprich: Sex. Ich finde ja eher: Küssen IST das Größte. Wie viel aufregender ist ein erster Kuss, in dem sich alle Spannung entlädt – als der nachfolgende Sex? Wie viel Lust, wie viel Zärtlichkeit und Liebe in einer Kuss-Choreografie stecken kann, ist zum Verrücktwerden schön. Was ich sagen will: Lasst uns bitte viel mehr knutschen – vor allem jetzt im flirrenden Frühjahr…!
Küssen
Ich habe als Teen Stunden, vermutlich Tage damit verbracht, nur zu knutschen. Scheue Küsse, feuchte Küsse, leidenschaftliche Küsse, Küsse mit Zungenakrobatik, am Hals, am Ohr – o Himmel, das hat mich immer komplett willenlos gemacht! Ich hatte sogar mal einen Freund mit einem Zungenpiercing. Wie unfassbar gut sich das beim Küssen anfühlte! Und übrigens nicht nur im Mund, aber davon will ich heute nicht berichten.

Und doch ist ausgiebig Küssen das, was in einer langen Beziehung leider am Ehesten flöten geht.

Die leidenschaftlichen Küsse im Türrahmen, an der Hausecke, ganz gleich wo, weichen unmerklich den deutlich kürzeren und zahmeren Begrüßungs- und Gutenachtküssen, die im Laufe der Zeit von den Lippen Richtung Mundwinkel und irgendwann eher auf die Wange rutschen. Wild geknutscht wird meist nur noch als Vorgeplänkel zum Sex – und das ist so verdammt schade! Das wird der Sache nicht annähernd gerecht.

Ich meine: Beim ersten Date mit meinem heutigen Mann ging dem erlösenden Kuss eine SlowMo-Choreografie aus Berührungen an eigentlich unkritischen Stellen wie Unterarmen und Händen voraus, die plötzlich allesamt erogene Zonen waren. Bis wir uns zu den Lippen des jeweils anderen vorangetastet haben, verging eine Ewigkeit, die so unglaublich aufregend war, dass ich mein Herz noch heute in meinen Ohren schlagen höre. Es war wie ein Rausch – und der erste Kuss wirklich magisch. Für den wir übrigens Szenenapplaus bekamen, weil sich unsere Kuss-Performance in einem recht belebten Croque-Laden abspielte…

Küssen war mal so was wie mein Hobby – und ich vermisse diese Knutsch-Selbstverständlichkeit gerade wirklich sehr.

Irgendwie scheint es fast Konsens, dass Langzeitpaare sich nur noch im Schlafzimmer wilder küssen. Oder wie viele Paare kennt ihr, die noch nach Jahren viel und gern knutschen? Dabei kann man mit einem Kuss so viel sagen. Er kann wie ein Quickie ohne Fummeln sein. Ein Kuss kann eine Liebeserklärung to go sein, ein Laune-Booster, eine Verabredung für später. So oder so: Ein guter Kuss kann einen gewöhnlichen in einen großartigen Tag verwandeln.

Vielleicht ist Küssen und die Lust darauf einfach immer wieder eine Frage der Perspektive. Wenn ich in meinem Mann gerade nur den Sparring-Partner in Alltagsfragen sehe, denke ich eher an To-do-Listen als an Zungenküsse. Wenn ich aber hinter all dem Familien-Wahnsinn den Mann sehe, der mir mal nur durch einen Seitenblick weiche Knie machen konnte, dessen Lippen so etwas wie der Mittelpunkt meiner serotoningepushten Welt waren – dann möchte ich mich endlich wieder fallen lassen in dieses Gefühl, das einem nur ein Kuss geben kann.

Lippen auf Lippen, vorsichtig tastend oder forsch fordernd.

Ein Seufzen, ein Loslassen. Und dann nur noch Lust.

Vielleicht müssen einfach mal wieder einen Croque essen gehen.

Küsst ihr auch so gern?

Foto: Shutterstock

Alles Liebe,

Lale