Kürzlich war wieder einer dieser Tage. Oder eher: Eine dieser Wochen. Ich hatte ein Quarantäne-Kind zuhause. Natürlich das jüngste. Das nicht mit “Teufelskicker”-Binge-Hörspielen zufrieden ist. Sondern das Kind, das Tusche an Wände pinselt, wenn man ihm den Rücken zukehrt. Ich habe mich wie auf einem wackeligen Drahtseil durch die Tage jongliert: Habe versucht zu arbeiten, während ich im Fünf-Minuten-Takt aus meinen Gedanken gerissen wurde. Habe geschrieben, gemahnt, gespielt, getröstet, gekocht. Nur mir selbst für diesen ganzen Wahnsinn auf die Schulter geklopft, das habe ich irgendwie nicht …
Ist es nicht seltsam, wie wir Eltern gerade in Krisenzeiten über uns hinauswachsen? Wie wir zu multiplen Persönlichkeiten mutieren, weil wir Hauslehrer, Krankenpfleger, Kleinkind-Dompteure in Personalunion werden? Und nebenbei noch den vierten Videocall des Tages absolvieren, irgendwie? Wie wir beinahe Übermenschliches vollbringen, ohne uns selbst dafür zumindest ein klitzekleines “gut gemacht” zuzugestehen? Sondern uns lieber darüber ärgern, dass wieder so viel liegen geblieben ist?
Wir agieren oft als Supereltern – und sind am Ende des Tages doch nicht in der Lage, uns selbst ein High Five dafür zu geben.
Vielleicht liegt es schlicht daran, dass wir irgendwann zu erschöpft sind, überhaupt noch den Arm zu heben. Oder unsere unablässig rotierendes Gedankenkarussell so zu fokussieren, dass wir für einen Moment klarsehen, was wir da eigentlich tagtäglich vollbringen. Was schon in normalen Zeiten enorm und beifallswert wäre. Und nach mittlerweile zwei Jahren Ausnahmezustand müsste jetzt mindestens ein Bundesverdienstkreuz für jeden von uns drin sein.
Während ich das schreibe, hämmert der Dreijährige ein Stockwerk tiefer dissonant, dafür umso lauter aufs Klavier. Ich setzte resigniert Kopfhörer aus. Und nehme billigend in Kauf, dass ich Schäden an Hausrat oder Mobiliar schlicht überhöre. Das “Klirr”, wenn ein Teller auf Fliesen zerschellt. Der Lärm, wenn der aufwendige Kapla-Turm des Großen in sich zusammenfällt. Aber ich muss wenigsten noch ein paar Sätze aus meinem Hirn wringen.
Ich werde heute noch jede Menge Streit schlichten, weil das Quarantäne-Kind die Zimmer der großen Geschwister verwüstet hat.
Ich werde beschwichtigen, berichtigen, umarmen, umgarnen. Werde Hausaufgaben betreuen, Teezeit-Teller bereiten, Dramen parieren. Ich werde die Kinder trotz heftigen Protests zu einem Spaziergang ins graue Zwielicht des Februarnachmittags bewegen. Werde auf dem Rückweg den bockenden Dreijährigen wie einen 20-Kilo-Sack mühsam über die Schulter werfen.
Ich werde ein warmes Abendbrot kochen, drei Mal vorlesen, kuscheln, singen. Vier Körbe Wäsche falten, die Präsentation einer Freundin Korrektur lesen und im Halbschlaf meine tägliche Yoga-Einheit absolvieren. Nur loben werde ich mich nicht. Sondern mich darüber ärgern, dass ich mir den verdammt kurzen Restabend mit einem Glas Rotwein und Schokolade versüße – obwohl ich doch eigentlich gerade Genussmittel faste.
Warum nur sind wir oft solche Nieten darin, uns selbst Respekt zu zollen?
Anzuerkennen, dass wir unfassbar Großes leisten, jeden einzelnen Tag: Unsere Kinder lieben, erziehen, beschützen. Hart und oft unter Extrembedingungen arbeiten – ganz gleich, woran oder wo. Dass wir unsere Familie zusammenhalten, an uns arbeiten, an unseren Partner- und Freundschaften. Und all das, obwohl die Welt in Schieflage geraten ist – mehr als die meisten von uns das jemals zuvor erlebt haben.
Vielleicht, weil wir wissen, dass wir damit nicht allein sind. Und dass die anderen es ja auch irgendwie stemmen. Sogar mit mehr Kindern. Sogar alleinerziehend. Weil wir das doch wollten – Familie, Kinder und den ganzen meist wunderbaren Wahnsinn. Weil wir doch so stark sind. Aber unsere Kraft ist endlich, genau wie unsere Motivation.
Von daher noch mal für alle zum Mitschreiben: Elterliches Eigenlob stinkt nicht – es stimmt.
Es ist essenziell. Und wir würden uns sicher alle einen großen Gefallen tun, zumindest einmal täglich “Chapeau” zu uns zu sagen. Bei ausreichend Energie gern auch mit Hurra und Konfetti. Denn jeder Seiltänzer, und sei er noch so professionell, freut sich am Ende der Show über tosenden Beifall. Gerade klatscht meist niemand anderes für uns. Also müssen wir es selbst tun. Aber vielleicht sind auch nur wir Eltern genau dafür prädestiniert: Weil niemand außer uns besser weiß, wie sehr wir dieses Lob verdient haben.
Hand aufs Herz: Klopft Ihr Euch häufig genug selbst auf die Schulter?
Alles Liebe,
Jaaaaa, genau so ist es. Als Eltern/Mutter ist man häufig für alle da, funktioniert, gibt Alles und vergisst am Ende sich selbst. Dabei ist auch das so wichtig. Doch selbst wenn die Ratio es weiß – am Ende des Tages bleibt dafür kaum Kraft. Vllt immer zwischendurch dran erinnern?!
Hej Scarlet, unbedingt immer, wenn man daran denkt! Es ist so wichtig, das anzuerkennen. Wir sind großartig. Gar nicht so schwer, oder 😉 Alles Liebe von Katia
Liebe Katja,
es ist so schön, dass ihr wieder da seid! Ich liebe deine Texte sehr und fühle mich da immer so abgeholt.
Vielen Dank!
Ganz liebe Grüße
Guten Morgen, Dani, ach – das ist das schönste Feedback gerade…! 🙂 Liebsten Dank und schönes Wochenende!
Liebe Katia,
ich habe Tränen in den Augen. Meine Kraft ist tatsächlich bald aufgebraucht. Mich um mich sorgen, nach 2 Jahren Wahnsinn, etwas, dass ich noch lernen darf. Ich werde in 2 Wochen auf eine Mutter-Kind-Kur gehen, werde mich bekochen lassen, keinen Alltag managen, keinen KlientInnen auf der Arbeit zuhören sondern für mich und meine Kinder eine Auszeit schaffen.
Ich danke Dir für deine wunderbar ehrlichen Worte. Sie ermutigen mich, geben Kraft, lassen mich zustimmend nicken, lassen mich lächeln und (fast) weinen. Sie sind aus dem Leben.
Ich wünsche allen Mamas weiterhin Kraft und ermutige Jede, Pausen einzulegen. Erlaubt es euch! Denn es ist so wichtig.
Wunderbare-Kümmert-euch-um-euch-Grüße, Chrissi
Liebe Chrissi, das klingt nach einem wichtigen Schritt für dich und deine Familie! Wenn man so erschöpft ist, wie du es beschreibst, hilft nur eine radikale Auszeit. Dafür soltest du dir auch unbedingt auf die Schulter klopfen – schließlich ist es auch immer schon ein Schritt, sich einzugestehen, was man gerade braucht. Vor allem, wenn es um Hilfe geht – da sind wir Mütter auch oft schlecht drin. Insofern: Komm gut wieder auf die Beine! Alles Liebe von Katia
Hallo Katia,
ich muss mich da Dani anschließen, wie wunderbar wieder von Dir und Euch zu lesen!
Ich habe mir in der letzten Zeit tatsächlich immer wieder auf die Schulter geklopft – etwas das ich in dieser ganzen Seuchen-Zeit gelernt habe (mag ich gar nicht ausschreiben, aber das ist tatsächlich etwas Gutes was ich mitgenommen habe)…ich erinnere auch gerne meine fellow-Moms daran!
Herzliche Grüße – früher immer vom Bodensee, nun von der Ostsee, wir sind wieder in den Norden zurück migiriert!
Habt ein schönes Wochenende, Grüße an Claudi und Dich,
Astrid
Hallo liebe Astrid, o wie toll – herzlich Willkommen zurück im Norden. Wo hat es Euch hinverschlagen? Und allerliebsten Dank für deine und Eure Empathie hier mit unserer Arbeit. Ich habe es richtig vermisst, mich hier mit Euch allen ein wenig auszutauschen! Alles Liebe und auf bald! Katia
Danke, Katia, für die “Lizenz zum Loben” 🙂
Bei den Kindern betet man es rauf und runter: weg von der Defizitorientierung, schau auf die Stärken deines Kindes! und bei sich selbst? Tja. – Ich übe mich gerade darin und schreibe mir jeden Abend eine Sache auf, die an dem Tag gut gelaufen ist. Das bringt mich weg vom ständigen Blick auf alles Unerledigte.
…und ich gönn dir den Rotwein und die Schokolade von Herzen! Ich finde, wir Eltern “fasten” seit zwei Jahren alles Mögliche – für mich zumindest ist im Moment Pause mit Selbstoptimierung 😉
Alles Liebe
Sina
Hej liebe Sina, wie schön, hier gleich wieder von dir zu lesen – freue mich sehr über die treue Leserschaft! 😍
Lizenz zum Loben – das gefällt mir! Hätte auch eine sehr schöne Überschrift abgegeben.
Und ich mag die Idee mit dem Aufschreiben – das hab ich viel zu lange vernachlässigt… Und danke auch für die Rotwein-Absolution 😉
Alles Liebe, auf bald! Katia