Ich hatte mal eine Schülerin in der Klasse, es ist schon eine Weile her, aber ich erinnere mich noch ganz genau. Nennen wir sie Johanna. Johanna trug ein Blumenkleid an ihrem – und meinem – ersten Schultag, zwei Affenschaukeln in den blonden Haaren und grinste so breit, wie die Mickey Mouse auf ihrer riesigen Schultüte. In den ersten Wochen malte und lachte und spielte und erzählte sie, dass es eine Freude war – sie strahlte von ihrer Sandale bis zur Haarspitze und es machte unglaublich Spaß, ihr dabei zuzugucken. Doch dann, heimlich und leise, wurde sie immer stiller…
Am Anfang fiel mir auf, dass ich sie weniger lachen hörte. Dann meldete sie sich kaum noch und wenn ich sie mal dran nahm, schwieg sie – sogar dann, wenn sie nur ein einfaches Wort von der Tafel vorlesen sollte. Sie hatte immer öfter keine Hausaufgaben und ihre beiden Sitznachbarn fingen an, sich zu beschweren, sie würde immer nur abgucken. Manchmal lag sie während der Stillarbeit teilnahmslos auf ihrem Tisch – als sei sie unglaublich müde. Ich rief sie zu mir, blieb mit ihr in der Pause drin, fragte sie was los sei – aber sie zuckte bloß mit den Schultern – und schüttelte ihre dunkelblonden Haare. Sie trug sie neuerdings öfter offen. Ich lud ihre Mutter zum Gespräch ein – auch sie nahm mit Schrecken die Veränderungen wahr, war aber ebenso ratlos.
In einer der nächsten Stunde beobachtete ich Johanna dabei, wie sie beim Abschreiben von der Tafel einmal mehr über ihrem Tisch hing, mit hängenden Schultern und in sich zusammengesunken. Ihr langes Haar hing wie ein Vorhang um ihr Gesicht herum, bloß ihre kleine Stupsnase guckte zwischen den langen Strähnen hindurch und dann entdeckte ich ihre Augen, die weit aufgerissen und furchtbar angestrengt auf das Heft ihres linken Sitznachbarn starrten – das Mädchen auf ihrer rechten Seite hatte ihre Federtasche als Schutzwand aufgestellt. Plötzlich ahnte ich, was los war, – nämlich keine Probleme zuhause, kein Mobbing, keine Lernschwierigkeiten, nichts von alledem. Gleich mittags rief ich die Mutter an und empfahl ihr für ihre Tochter dringend einen Augenarzttermin.
Ich mache hier nur sehr selten bei riesigen Blogger-Kampagnen mit – und noch viel seltener erzähle ich hier von meiner Arbeit als Lehrerin: aber dieses Mal muss es sein, weil mir das Thema so wichtig ist. Von heute an bis zum 15. Oktober findet in Deutschland die “Woche des Sehens” statt, die das Thema Augengesundheit in den Mittelpunkt rücken möchte. Eine brilliante Idee, wie ich finde. Auf der Internetseite des Kuratoriums für gutes Sehen Sehen.de finden Eltern wichtige Informationen rund um das Thema Kinder und Augen, unter anderem zum Thema Schulkind und Sehen und sogar Anregungen für einen kleinen Test, den man daheim beim Spielen mit seinem Baby machen kann, als kleinen Hinweis, ob das Kind eventuell eine Brille brauchen könnte. Ein gute Sache, wie ich finde – und eine wirklich gut gemachte und sehr informative Seite.
Johannas Mama machte einen Termin beim Augenarzt. Obwohl sie meinen Verdacht kein Stück teilte, wie sie mir hinterher verriet. Schließlich hatte sie das Sehvermögen ihrer Tochter bereits einige Male vor der Schule bei einem Optiker überprüfen lassen. Sie hatte, wie ich, damals noch nie gehört, dass Kinder fehlendes Sehvermögen beim Sehtest durch ihre elastische Linse oft noch ausgleichen können, Sehfehler daher häufig bis zum elften oder zwölften Jahr unentdeckt bleiben. Mit oft dramatischen Folgen für die Psyche und die Schulleistungen – siehe Beispiel Johanna, die immer stiller wurde, weil sie einfach nichts sah, was sie selbst aber gar nicht bemerkte. Die verzweifelt versuchte, die Wörter von der Tafel bei ihren Nachbarkindern abzuschreiben, die dieses lästig fanden und sie immer mehr ausschlossen.
Nur ein Augenarzt kann mit Augentropfen das Ausgleichen verhindern – und so die tatsächliche Sehleistung testen. Die deutschen Optiker haben sich übrigens bereits seit einer ganzen Weile von selbst verpflichtet, keine Kinder unter 14 Jahren mehr zu untersuchen. Noch ein Tipp: Besonders gut aufgehoben sind Kinder bei einem Augenarzt mit integrierter Sehschule.
Ach ja, die kleine Johanna sprang ein paar Tage später sehr fröhlich in die Klasse, mit zwei wippenden Affenschaukeln und einer weinroten Brille – passend zu ihrem Blümchenkleid. Sie lachte und lernte sich quietschvergnügt durch ihre restliche Grundschulzeit und es machte riesig viel Spaß, ihr dabei zuzusehen.
Dieser Post entstand in Kooperation mit dem Kuratorium Gutes Sehen. Vielen Dank für das in mich gesetzte Vertrauen. Und die kleine Johanna hieß in Wirklichkeit ganz anders – Affenschaukeln hatte sie aber wirklich. Habt ihr schon einen Augenarzttermin gemacht?
Liebe Grüße,
Liebe Claudia,
toll, dass du bei der Kampange mit- und darauf aufmerksam machst. Kinder sind in dieser Hinsicht, wie auch in anderen Dingen, sehr auf aufmerksame Erwachsene angewiesen. Die kleine Johanna hätte ja bei bestem Willen nicht erklären können welches Problem sie hat. Auch bei älteren Kindern und Jugendlichen kann es zu so einer Situation kommen, das kenne ich aus eigener Erfahrung. Im Alter von 12 Jahren wurden meine Augen bei einem Augenarzt untersucht, als Kontrolle ob sich eine Krankheit auf meine Sehleistung ausgewirkt haben könnte. Zu dem Zeitpunkt war aber alles perfekt, der Arzt meinte ich würde niemals eine Brille brauchen, so gut wäre meine Sehleistung. Drei Jahre später sprach mich mein Lehrer in der Schule an, ob ich Probleme mit den Augen hätte, ich würde sie immer so zusammenkneifen wenn ich zur Tafel gucke. Ich selber habe das kein Stück wahrgenommen. Der Augenarzt hat dann bei mir Kurzsichtigkeit mit bereits -2 Dioptrin festgestellt. Im Rückblick und dank Gesprächen mit anderen musste ich feststellen, dass ich schon seit mindestens einem Jahr mit einer nicht ausreichenden Sehleistung rumlief. Sowas schleicht sich tatsächlich sehr unbemerkt ein. Und meinem Lehrer bin ich für sein aufmerksames Beobachten total dankbar.
Langer Kommentar, also kurz: tolle Kampange, toller Artikel, wichtiges Thema!
Lieben Gruß, Christine
Eine Freundin von mir brauchte in der Uni plötzlich eine Brille und als sie dann erstmals eine aufhatte war ihr Kommentar: “Die Bäume haben ja Blätter!” Das wusste sie natürlich vorher auch, aber ihr war nie klar gewesen, dass man sie von unten auch an den Bäumen sehen kann. Sie hatte immer einfach grün gesehen…
Von daher finde auch ich es verdamt wichtig, dass man, gerade auch bei Kindern, darauf achtete, denn heutzutage ist es ja weder ein Problem noch ein optischer “Makel” sich eine Brille oder Kontaktlinsen verschreiben zu lassen.
Lieben Gruß
Sarah
Ich finde auch das Kinder und Menschen mit nicht vorhandenem Sehvermögen gefördert werden sollten. Sie verdienen es auch genau so wie wir im Leben voran zu kommen. Vielen dank für die Informationen.
Gruß Anna
Prima Aktion, ich möchte ergänzen, dass ab der U6 ( ca 12 Monate) bereits ein Sehscreening beim Kinderarzt gemacht werden kann. Es zeigt innerhalb
von Sekunden eine Fehlsichtigkeit oder auch Hornhautverkrümmung an. Die
weitere Behandlung u Austestung findet – wenn Auffälligkeiten bestehen- beim
Augenarzt statt.Sind keine Auffälligkeiten wird das Sehscreening jährlich
bei den weiteren Vorsorgen ( U7/ U7a usw. )
beim Kinderarzt wiederholt.
Gruß Gundi
Es ist wichtig, Ihre Kinder auf Sehkraft zu prüfen. Sehstörungen können sich schnell verschlimmern. Ich bringe meine Kinder jedes Jahr zum Augenarzt.