Mit der Hand an der offenen Kühlschranktür stehe ich da und schaue. Und versuche zu denken. Ich sehe: Kühlschrank voll. Ich merke: Gehirn leer. Nicht den Hauch einer Idee, was ich hier eigentlich wollte. Gerade vergesse ich gefühlt alles – was mir sonst eher selten passiert: Arzttermine mit den Kindern, was ich eben dringend noch sagen wollte und was unbedingt in die Einkaufs-App schreiben. Ich nenne es mein Nebelhirn – kennt ihr das vielleicht auch…?

Klar, ich hatte auch schon Stilldemenz, Wortfindungsstörungen nach fiesen Zahnungs-Nächten. War als Kleinkind-Mutter so müde, dass ich vergaß zu essen, mir der Namen meiner eigenen Katze entfiel und sowieso generell all das, was nicht überlebenswichtig war. Nur: Mit den Kindern sind wir eigentlich aus dem Gröbsten raus. Wenn ich zu wenig schlafe, liegt das mittlerweile meist an mir und meiner Leselust – und nicht an brüllenden Babys. Wenn ich am Tisch “Gib mir mal die… Dings” statt Butter sage, wenn ich mir für diesen Text jedes Wort aus meinem Hirn wringen muss, kann ich das nur bedingt jemandem in die Schuhe schieben.

Ganz offenbar bin ich aber nicht allein mit diesem “Brain Fog”.

“Mein Kopf ist wie in Watte gepackt”, seufzte kürzlich eine Freundin, als wir zusammensaßen und uns erzählten, was für einen Berg Dinge wir noch bis zu den ersehnten Sommerferien zu erledigen hätten. “Je mehr Aufgaben reinkommen, desto mehr tritt mein Gehirn in Streik”, sagte eine andere. Ich konnte nur vielsagend nicken – kam mir alles leider sehr vertraut vor.

Einerseits kenne ich das Phänomen: Gerade vor eigentlich schönen Auszeiten, vor Urlauben, vor langen Feiertagswochenenden oder zum Jahresende häufen sich die To-dos auf unseren beruflichen und privaten Listen – und wir fühlen uns wie erschlagen davon. Sprinten in Höchstgeschwindigkeit durch 1001 Aufgabe – und sind zum Ferienbeginn so urlaubsreif, dass eine Woche Nordsee nicht reicht, um die Akkus wieder aufzuladen. Oder den Kopf wieder annähernd in regulären Betriebszustand zu bringen.

Andererseits hat auch die Forschung diesen besonderen Hirnzustand gerade auf dem Radar.

In jüngerer Vergangenheit zunächst als akute Begleiterscheinung von Pandemie und Lockdown-Gefühlen (“Corona Brain”) – und seit einiger Zeit auch als eine mögliche Post-Covid-Folge. Nicht, dass ich glaube, Long Covid zu haben – dafür scheint mir mein Leidensdruck zu gering. Vielleicht ist es eher eine Verkettung vieler Umstände, die diesen Waber-Zustand in meinem Kopf verursachen:

Zwei Jahre Pandemie, die unser Leben komplett auf den Kopf gestellt haben. Doppelt und dreifach so viele Aufgaben und Funktionen, die wir zu erfüllen hatten, während wir in Sorge waren und Zuversicht ausstrahlen wollten. Zwei Jahre, in denen wir von so vielen neuen Gefühlen und Gedanken überrollt wurden, dass wir irgendwann nicht mehr wussten, wo uns der Kopf steht. Buchstäblich. Und statt aufatmen dann weltpolitische Krisen, eine Inflation aus der Hölle – und Corona geht auch schon wieder los. Kein Wunder, dass das Hirn dabei irgendwann in den Streik geht. Und sei es nur aus Selbstschutz.

Was mir gerade hilft? Meinen Alltag zu entrümpeln – auch von schönen Dingen.

Ja, es ist verlockend, in den kurzen Monaten zwischen Corona-Frühjahr und -Herbst all die Treffen und Termine zu packen, auf die wir in den letzten Monaten pandemiebedingt verzichten mussten. Aber ich merke gerade ganz deutlich: Mein Maß ist voll. Ich habe gar nicht die Energie, all das nachzuholen, was ich vermeintlich verpasst habe. Ich halte es gerade lieber mit Astrid Lindgren: “Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach da zu sitzen und vor sich hinzuschauen.”

Nicht jeden sowieso schon hobbybesetzten und von Arzt- und Orga-Terminen durchsetzten Nachmittag noch mit einem kurzen Kaffee-Date überfüllen. Nicht jeden zweiten Sommerabend auf einer anderen Terrasse in Gesellschaft sitzen – sondern lieber ganz für mich mit einem Buch auf dem Daybed der Nachtigall lauschen. Derzeit brauche ich viel mehr Zeit für mich, für Ruheinseln, als ich selbst wahrhaben will. Denn eigentlich liebe ich das doch alles: Dauernd in Aktion sein, Sachen machen, Freunde treffen, bis in die Morgenstunden quatschen, lachen, Pläne schmieden. Aber mit dem weißen Rauschen im Kopf fehlt dem irgendwie die Lässigkeit.

Es ist wirklich spürbar: Je weniger ich tagtäglich auf meinen imaginären Listen habe, desto mehr lichtet sich mein Nebelhirn.

Wenn ich es dann noch schaffe, meinen Morgen wieder mit Yogaroutine statt mit Familienhamsterrad zu starten, wenn ich mich darauf konzentriere, eine Sache nach der anderen zu machen statt alle Tages-To-dos parallel zu jonglieren – dann kann ich auch wieder allmählich klarere Gedanken fassen.

Vor allem aber, wenn ich nicht permanent das Handy in der Hand habe. Denn mein Mobile frisst nicht nur verdammt viel Lebenszeit – sondern auch Energie und Fokus. Verschluckt Wörter und Gedanken, Impulse und Ideen. Wie sehr, konnte ich gerade in diesem spannenden SZ-Artikel (€) nachlesen. Analog scheint dem Gehirn jedenfalls deutlich besser zu tun als digital.

Mir ist dann später übrigens doch wieder eingefallen, was ich am Kühlschrank wollte: Schokolade! Wie kann man das bloß vergessen…

Kennt ihr diesen Brain Fog auch? Und was tut euch gut?

Foto: Shutterstock

Alles Liebe,

Katia