Zwischen großer Liebe und großem Abscheu liegen oft nur Sekunden: Der Beziehungsstatus von Geschwistern ist häufig kompliziert, weil unstet – zumindest bei meinem Trio. Gerade noch ein Herz und eine Seele – um im nächsten Moment erbitterte Gegner um lebenswichtige Fragen wie “wer darf vorne sitzen”/”wer hat das vermeintlich größere Stück Schoko ergattert” zu sein. Stets begleitet von einer Extraportion Emotion, die uns täglich lautes Geschrei und Türenknallen beschert. Und doch würde der eine für den anderen durchs Feuer gehen, das sie nicht selten vorher selbst entfacht haben…

Junge trägt Mädchen Huckepack, sie haben Spaß

Meine Kinder sind als Geschwister engste Verbündete oder ärgste Feinde, dazwischen existiert meist nichts. Sie kennen die Vorzüge und Schwachstellen des anderen wie niemand sonst – und sie bohren ihre Finger immer ganz genau dahin. Was genauso schön wie schmerzhaft sein kann.

Ich glaube, meine Tochter ist nicht nur die Schwester, sondern auch die beste Freundin meines Sohnes.

Und doch ist ihr zweiter Vorname “Nervensäge”, zumindest für ihren großen Bruder. Je nach Momentaufnahme. Sind sie gerade Komplizen oder konkurrieren sie um wasauchimmer? Vielleicht würde ich hier kein Wort darüber verlieren, wenn ihr aktueller Beziehungsstatus nicht auch immer etwas mit der Familiendynamik machen würde. Denn zwei (oder mitunter sogar drei) harmonisch spielende Geschwister sind für unseren Alltag eine ganz andere Nummer als entfesselte Streithähne, die sich gegenseitig an die Gurgel gehen, während sie uns Eltern lautstark als Schiedsrichter anfordern.

Nichts zerrt gerade mehr an meinen Nerven als der markerschütternde “Mama”-Ruf, wenn Kind X und Kind Y wieder mal in einem undurchsichtigen Handgemenge verstrickt sind. Und nichts macht mich glücklicher, als zu sehen, wie sehr sie einander eben doch lieben und brauchen: Wenn der Große die Kleinere ungelenk, aber innig umarmt, nachdem sie sich ein paar Tage nicht gesehen haben. Wie die Schwester für den Bruder in die Bresche springt, wenn es Stunk mit uns Eltern gibt.

Geschwister-Allianzen sind hochgradig emotional und selten durchschaubar – vor allem aber nicht vorhersehbar.

Hätte ich noch vor ein paar Monaten geschworen, dass die Paarung Schwester plus kleiner Bruder ein Selbstläufer ist, werde ich gerade täglich eines Besseren belehrt. “Der nervt nur!”, brüllt die Mittlere, die sich noch vor kurzem geradezu mütterlich um ihren süßen kleinen Bruder gekümmert hatte. Der jetzt mit gefletschten Zähnen als gefährlicher T-Rex auf sie zustürmt und – zugegeben – so gar nicht mehr niedlich wirkt.

Familie ist immer im Fluss, immer im Wandel. Gerade sind sich die beiden Großen näher, was Interessen und Temperament angeht. Was immer auch wieder nach hinten losgeht, weil dadurch die Konkurrenz größer wird. Dafür finden sich plötzlich der große und der kleine Bruder, die mit sechs Jahren Altersunterschied bislang eher nebeneinanderher existierten. Aber jetzt darf der Fünfjährige plötzlich beim Elfjährigen übernachten und ist stolz wie Bolle, endlich die Gunst des großen Bruders erworben zu haben.  Das schmälert den Schmerz um die Schwester, die kein Kindermädchen mehr sein will, sondern lieber groß und ohne Geschwister-Ballast am Bein.

So sehr sich die Beziehungen der Geschwister oft untereinander verschieben – so sehr bleiben sie dabei doch ihren Rollen treu.

Der Große, der das Erstgeborenen-Abo auf alle ersten Male hat und naturgemäß der Schnellste, Stärkste, Schlauste sein will (und furchtbar fuchsig wird, wenn ihn die anderen doch überflügeln). Das Sandwich-Kind, das oft als Mentorin der Familie den Ausgleich sucht – und zwischendurch von ihren eigenen Emotionen überrollt und zur Furie in alle Richtungen wird. Und der Jüngste, dem wir schon lange eine große Zukunft am Zirkus prophezeien, weil er uns alle immer verlässlich zum Lachen bringt.

Das geht in den unterschiedlichen Konstellationen mal mehr und mal weniger gut. Und doch: So sehr ich mitunter an den Nichtig- und Streitigkeiten meines Trios untereinander verzweifle, desto sehr bin ich doch überzeugt, dass das Band zwischen ihnen so stark und belastbar ist, dass es halten wird – auch über unseren Familienalltag hinaus. Dass sie einander mehr sind und sein werden als eine familiäre Zwangsgemeinschaft.

Dass sie nicht nur miteinander aufwachsen, sondern aneinander wachsen – an ihren unterschiedlichen Temperamenten, Macken, Wesenszügen.

Dass sie irgendwann in die Welt gehen, nicht nur bestens geschult darin, sich schnell die besten Stücke vom Büffet zu sichern, nie um einen Disput verlegen und zwangsläufig mit einer gewissen Kompromissbereitschaft ausgestattet. Sondern auch mit dem starken Gefühl, Teil einer Bande zu sein, die sich immer kümmern wird, ganz gleich, was ist.

Selbst wenn sie sich danach wieder wegen irgendwelchen Blödsinns in die Wolle kriegen. Und das macht mich verdammt glücklich. Und meine Kinder auch, selbst wenn sie es natürlich nie so benennen würden. So sagte mein nun Fünftklässler vor den Sommerferien über seine Schwester: “Ich werde sie in den Pausen bestimmt vermissen – weil ich sie dann nicht mehr ärgern kann…”

Geschwister-Beziehungen treiben mich auf dem Blog häufiger um: Hier habe ich schon mal über Gerechtigkeit unter Geschwistern geschrieben und hier darüber, ob ich mit meiner Schwester freiwillig befreundet wäre. Und hier – damals noch unter Pseudonym – warum sich Geschwister battlen müssen und trotzdem cool sind.

Wie erlebt ihr das bei euren Kindern?

Alles Liebe,

Katia