Was ich in der Schwangerschaft gerne gelesen habe? Geburtsberichte. Jede Geburt ist so individuell, so magisch. Ich habe nichts als stärkender und wichtiger für mein positives Mindset empfunden, als die Erzählungen von Geburten. Hier kommt meine…

Meine zweite Geburt – eine Geburt in Zeiten der Pandemie. Nervös war ich bereits Tage vor Weihnachten. Mein erster Sohn war in der 39. Woche auf die Welt gekommen, daher war ich ab dann bereit. Alle Vorkehrungen getroffen. Der bald große Bruder ging seit Wochen nicht in den Kindergarten, der Mann arbeitete nur im Homeoffice, damit wir bloß alle gesund blieben.

Wir warteten. Und warteten. Alles zog in Zeitlupe dahin.

Weihnachten feierten wir extra im ganz kleinen Kreis. Aber nichts passierte. Silvester hatten wir gar nichts mehr geplant – und saßen schließlich zu zweit auf dem Sofa. Wir feierten mit Kerner und Kiewel ins neue Jahr. Es machte mich wahnsinnig.

Gleichzeitig war ich glücklich, denn über die Feiertage hätte ich keine Betreuung im Wochenbett gehabt und hätte nicht ambulant entbinden können. Und überhaupt: Weihnachten oder Silvester Geburtstag haben? Nicht ideal. Es war eine seltsame, isolierte Zeit, wochenlang bloß warten. Da ist dieser neue Mensch, noch nicht auf dieser Welt und doch schon taktgebend.

Dann kam der errechnete Stichtag, und um nicht nervös zu werden bekam ich die Hausaufgabe meiner Hebamme dieses Video zu schauen.

Dass es da einen Chefarzt gab, der aufgrund der Gewichtsschätzung meines ungeborenen Babys am liebsten bereits vor Weihnachten eingeleitet hätte, versuchte ich zu verdrängen. Ich wollte es nicht. Hörte lieber auf mein Bauchgefühl. Da war dieses tiefe Vertrauen in die Natur und meinen Sohn, dass er allein schon wissen würde, wann er auf die Welt kommen möchte. Ich wollte keinen Kaiserschnitt, ich wollte keine Einleitung. Ich wollte eine natürliche, selbstbestimmte Geburt. Aber am allermeisten wollte ich ein gesundes Kind in den Armen halten.

Als es Mitte der 41. Woche endlich im Rücken zog, war meine Freude größer als die Sorge.

Ich hatte ein paar Tage vorher eine Karte gefunden. Auf dieser stand: „You & me = Dreamteam“. Diese Affirmation sollte mich bitte durch die Geburt bringen. Es begann am Abend mit einem leichten Ziehen. Nachts wurde es heftiger und regelmäßiger. Ich konnte nicht mehr schlafen, lag zwei Stunden wach, bis ich um 5 Uhr entschied, dass ich ins Krankenhaus fahren sollte. Ich weckte meinen Mann mit ein paar sanften Küssen und flüsterte, dass es losginge. Dann rief ich meine Mutter an, die auf unseren großen Sohn aufpassen sollte.

Sie war sofort hellwach – und stürmte wenig später zur Tür rein. Kaum war sie da, gingen die Wehen. Es war wie verhext. Ich wartete, ich fühlte. Keine Wehe mehr. Nichts. Wir saßen also um halb sechs in der dunklen Küche gemeinsam beim Frühstück und ich fühlte nichts. Ich wollte nicht zur Sicherheit ins Krankenhaus. Ich vertraute meinem Körper. Ich ging spazieren. Ich ging in die Badewanne. Ich ging schlafen. Keine Wehe, nichts. Außer dass ich ein kleines schlechtes Gewissen hatte wegen des Fehlalarms hatte, schlief ich total entspannt ein.

Mitten in der Nacht weckte ich meinen Mann wieder. Dieses Mal kein Geflüster, kein Geknutsche. Stattdessen schrie ich: „Ruf Mama an, ich muss sofort ins Krankenhaus!“

Während meine Mutter bei der Generalprobe sofort da war, dauerte es nun eine gefühlte Ewigkeit.

Ich stapfte in Birkenstock und Strickjacke in der kalten dunklen Winternacht auf und ab. Die Wehen überrumpelten mich.  Sie waren so kräftig und in so kurzen Abständen, dass ich mich kaum auf den Beinen halten konnte. Als wir  endlich losfahren konnten, war es kurz nach Mitternacht. Ich sah mein Leben wie einen Film. Ich klemmte zwischen Sitz und Frontscheibe und veratmete japsend heftige Wehen.

Die Straßen waren leer, die Ampeln dunkelgelb und das Krankenhaus nicht weit. So ein Glück. Ich telefonierte in
einer Wehenpause mit dem Kreissaal – es war alles vorbereitet. Als wir da waren, erklärte mir der Pförtner den Weg und ließ mich dann im langen, dunklen Krankenhausgang allein. Mein Mann musste draußen warten. Er durfte wegen Corona erst nachkommen, wenn der Kreißsaal grünes Licht geben würde. Also wenn die Presswehen begonnen hatten.

Ich brauchte ein gefühlte Ewigkeit für den Weg, kam immer nur ein paar Schritte voran, bis ich wieder an die Wand gelehnt eine Welle veratmen musste und mich gedanklich an meinen Kraftort beamte.


Den Fahrstuhl genommen, den Klingelknopf schon im Blick, schien der letzte Weg über den Gang unmöglich. Wieder atmen. Wieder Kraftort. Als ich endlich da war, nahm mich eine Hebamme in Empfang und wollte, dass ich mich aufs Bett im Vorwehenzimmer lege. Ich schüttelte heftig den Kopf. Ich hatte bereits das Bedürfnis zu pressen. Es ging in den Kreissaal.

Irgendwann war eine Wehenpause so lang, dass mein Muttermund untersucht werden konnte. Da griff ich zum Handy, rief meinen Mann an und brüllte ins Telefon: „Du musst kommen!“ Ich wusste, dass es losging. Und ich sehnte mich so danach, ihn an meiner Seite zu haben. Hoffnungsvoll blickte ich zur Tür.  Aber nach dem Türquietschen kam bloß eine weitere Hebamme dazu. Ein Klopfen – die Oberärztin. Beim nächsten Türöffnen kam er…

Seinen Blick werde ich nie vergessen.

„Oh, soweit ist es schon!“, raunte er, dann wurde die Welt um mich herum unscharf, ich spürte bloß noch, dass Unterlagen und Tücher ausgelegt wurden und dann, um 1.05 Uhr, keine halbe Stunde, nachdem wir das Krankenhaus erreicht hatten, hielt ich meinen Sohn in den Händen.

Er war perfekt. So klein und zart  und doch so winzig mit seinen über vier Kilo. Ich bin unendlich dankbar für diese schnelle, für mich perfekte Geburt. Sie machte es möglich, dass wir zum Frühstück schon wieder zu Hause beim großen Bruder auf dem Sofa sein konnten. Gemeinsam in das leckerste Käsebrötchen der Welt bissen.

Den eisigen Morgen, an dem die Sonne so besonders hell strahlte, die Luft so klar war wie selten, werde ich nie vergessen.  Während „Wenn der Morgen beginnt, dann bin ich schon da!“ aus den Boxen lief, liefen uns die Tränen. Wir waren gesund, wir waren zusammen, wir sind komplett. “You  & me = Dreamteam”, dachte ich und schaute rüber zu meinem Mann, zu Sohn eins und Sohn zwei.

Danke liebes Leben, für dieses Glück. Man hat es nicht selbst in der Hand. Man kann nur ganz fest daran glauben.

Pina