Ich bin gerade überaus lebenshungrig. Könnte gefühlt jeden Tag spontan ausgehen, ins Kino, an die Bar, in den Beach Club. Die Betonung liegt auf “könnte”, Konjunktiv. Laut Duden ein Ausdruck des nur Vorgestellten, des Irrealen. Denn von nichts ist mein Alltag gerade so irreal entfernt als von dem vermeintlich kleinen Wort “spontan”…
Kürzlich stolperte ich wieder darüber, als ich mit einer Freundin sprach, die deutlich ältere Kinder hat. Ich schwärmte inbrünstig im Konjunktiv von all den herrlichen Dingen, die man im Spätsommer in Hamburg so alle machen könnte – OpenAir-Kino, dieses neue PopUp-Restaurant aufsuchen, Picknick bei den Wasserlichtspielen – und sie ließ sich von meiner Begeisterung mitreißen und sagte irgendwann: “Au ja, sag mir unbedingt Bescheid, wenn du was vorhast – auch gern spontan!” Und da fiel es mir wieder ein: Wir leben freizeittechnisch derzeit in unterschiedlichen Galaxien…
In meinem Leben ist seit über zehn Jahren nichts mehr spontan.
Kein Date mit Freundinnen, mit meinem Mann schon gar nicht, kein Kino- oder Barbesuch, nicht mal ein Arzttermin ist ohne sorgfältige Planung möglich. Jede Abweichung von unserer Alltagsnorm als Fünfer-Familie fordert einen logistischen Planungs- und Umverteilungs-Aufwand, der seinesgleichen sucht. Bei uns werden nicht nur Wochenend-Trips ohne Kids mit kompletten Tagen der Vor- und Nachbereitung getaktet (hier habe ich schon mal aufgeschrieben, welche organisatorische Meisterleistung mein Mann und ich für 48 Stunden ohne Familie vollbringen müssen).
Nein, nahezu jede Aktion von Friseurbesuch bis hin zu Wocheneinkauf erfordert einen komplex strukturierten Projektplan, damit unser fragiles Familiengefüge nicht zusammenkracht. Bevor ich also zu meinem wöchentlichen Workout gehe, das leider mit dem Hobby meines Mannes kollidiert, muss ich die Kinder mit großen Mengen Essen und einem Film, den alle mögen, versorgen. Muss meiner Nachbarin Bescheid geben, dass sie Ansprechpartnerin für etwaige Krisen der Kinder ist, um dann eine Minute vor Workout-Beginn abgehetzt auf dem Fahrrad loszustrampeln. Spontan? War ich in einem anderen Leben.
Als ich noch spontan sein konnte, wusste ich es nicht mal wirklich zu schätzen.
Spontan auf einen Drink nach Feierabend, auf ein Konzert, in den Urlaub – klar, gern! Dass es ein Privileg ist, von Jetzt auf Gleich alles stehen und liegen zu lassen, sich seinen Launen und plötzlichen Einfällen einfach hinzugeben, war mir damals nicht klar. Es war der Modus, wie die Welt eben funktionierte, die sich nur um mich und meine Bedürfnisse drehte. Und die abrubt stoppte, als das erste Kind kam.
Ich weiß natürlich, dass es ein endlicher Zustand ist. Dass ich wie meine Freundin irgendwann auch einfach wieder sagen kann “Gib mir gern spontan Bescheid – ich bin dabei!” Kein Konjunktiv. Sondern die feste Überzeugung, dass es real wird. Nur: Ich habe jetzt schon solche Sehnsucht danach. Und vermutlich nicht nur nach all den schönen Sachen an sich – sondern vor allem nach dem Gefühl, dass damit einhergeht:
Diese Leichtigkeit und Unbekümmertheit, sich einer Laune, einer Idee einfach sofort hinzugeben, ohne vorher noch einen kompletten Plan B für alle anderen Familienmitglieder zu entwickeln.
Einfach wieder draufloszuleben, ohne den Familienkalender zu konsultieren und im Zweifel komplett umplanen zu müssen. Keine Rücksicht nehmen zu müssen auf irgendwelche Hobbys, Verabredungen, Launen anderer. Sondern einfach aus dem Moment heraus loszulegen. Wär’ das schön!
Klar, es ist eine Altersfrage: Meinen Ältesten kann ich auch schon mal allein zu Hause lassen – aber die beiden anderen eben noch nicht. Da werden noch ein paar Jahre ins Land ziehen müssen. Und was, wenn ich dann zu alt für spontan bin? Wenn ich dann gar keine Lust und Energie mehr habe?! Wär’ das schade – und ein furchtbares Timing…
Nein, darauf kann und will ich nicht mehr so lange warten! Also muss ich notgedrungen noch eine Zeit lang den steinigen Mittelweg gehen: Lauter schöne Sachen planen – und meine große Familie irgendwie drumherum. Weiterhin Babysitter, Nachbarn und Freunde mit einspannen, Wochen im Voraus Verabredungen fixen und alle Eventualitäten mit einkalkulieren, um dann kurz dem Alltag zu entwischen. Das immerhin dann ganz real und nicht nur vorgestellt.
Wärt ihr auch gern mal wieder ganz spontan…?
Alles Liebe,
Vielleicht ist für die Zeit bis Du alleine (oder mit Mann) wieder wirklich spontan sein kannst die Lösung, spontan mit Kindern zu sein. Dann entfällt ein Teil der Organisation und Planung.
Spontan ein Abendessen als Picknick mit allen im Grünen oder spontan länger aufbleiben und Sterne angucken, spontan ein Eis essen gehen, spontan in die Stadt fahren und mit allen ins Museum gehen… auch was zuerst vielleicht nach Anstrengung klingt, kann sich “ganz spontan” als schönes kleines Abenteuer mit positiven Erlebnissen für alle Beteiligten erweisen. Spontan eine Verabredung ausfallen lassen und statt dessen die Kinder auf den Spielplatz schicken, vielleicht gibt’s auf der Bank nebendran für die Erwachsenen/Dich einen Kaffee, Zeit für ein Buch oder einen Feierabend-Drink!
Manchmal reicht es vielleicht schon, ganz spontan mal die lange Liste im Kopf auszublenden und “alle fünfe gerade sein zu lassen”!
Hej liebe Susanne, ja, das ist auch ein Kompromiss, den ich öfters versuche zu realisieren: Gestern haben wir ein zeitraubendes Hobby sausen lassen, um stattdessen einen Strandnachmittag zu machen – war herrlich! Aber manchmal wäre ich eben auch gern nur für mich allein spontan 😉 Ein guter Kompromiss sind tatsächlich Orte wie unser liebstes Strand-Café an der Elbe, wo wir Eltern unseres machen und die Kids nebenan auf dem Spielplatz toben… Alle fünfe gerade sein lassen ist aber generell ein guter Plan. 🙂 Danke für deine Gedanken, alles Liebe und ein schönes Wochenende, Katia
Liebe Katia!
Das kann ich so sehr verstehen!
Ich glaube, dass es ein wenig die aktuelle Lebensphase oder das Alter ist, in der/dem man steckt.
Ich habe diesen Hunger auch! Zum Glück kann ich ihn zumindest jedes zweite WE stillen – der Vater meiner Tochter und ich sind getrennt und das ist neben viele Nachteilen einer der Vorteile.
Mit meinem Freund lasse ich mich oft treiben. Durch die Stadt, durch die Restaurants, spontan noch mit dem E-Scooter an einen anderen Ort… immer mit dem Wissen, dass man am nächsten Tag ausschlafen kann… ich genieße das sehr.
Für dich wünsche ich mir viele helfendes Hände in deiner Umgebung, damit du sowas auch möglichst oft erleben kannst.
Gut finde ich die Idee, auch die Spontaneität mit Kindern mehr zu zelebrieren. Ich habe da oft eine Schranke im Kopf und denke, es müsse so oder so laufen. Dann mal vom üblichen abzuweichen tut so gut und macht glücklich.
Pack doch heute einen Picknickkorb und esst an der Elbe und die Wasserlichtspiele sind doch auch tagsüber (dann aber ohne Musik).
Alles Liebe
Biene
Hej liebe Biene, ja, da hast recht: Es ist diese Lebensphase, die einen ziemlich ein- und anbindet. Dein Modell klingt nach guter Abwechslung – wenn auch die Umstände zuvor sicher herausfordernd waren. Aber genau, was du beschreibst, würde mir zwischendurch so gut tun: Dieses Treibenlassen können durch Tage, die nicht getaktet sind von tausenderlei To-Dos. Aber ich weiß, dass das alles wiederkommt, irgendwann. Und klar versuche ich auch, mit den Kindern aus diesem täglichen Einerlei auszubrechen, aber manchmal steht mir der Sinn einfach nach mir selbst ohne Familienanhang… 😉 Danke für deine lieben Worte, ein schönes Wochenende, Katia
Oh ja, da fühle ich jede Zeile! Vor allem dieses, wenn ich etwas vorhabe, plane ich die anderen Familienmitglieder glücklich… das nervt mich auch so! Einmal im Jahr fahre ich deswegen mit meiner Freundin übers Wochenende weg! Da sind wir dann spontan und leben nur für uns! Das tut so gut! Manchmal (mit den Jahren allerdings immer seltener) sind unsere Kinder bei den Großeltern und da lassen sich mein Mann und ich auch einfach mal treiben! Und manchmal sind mein Mann und ich einfach spontan und die Kinder „müssen“ mit! Das gefällt Ihnen nicht immer, doch oft wird es sehr schön!
Hej liebe Kathrin, die anderen Familienmitglieder glücklich planen – das merk ich mir 😉 Genau so ist es nämlich!Ja, ich versuche mich auch an kleinen Auszeiten für mich (oder zumindest ohne Kinder). gerade war ich mit meinem Papa und meiner Schwester in Wien, das war herrlich – und Städtetrips mit Kindern kann man ja echt vergessen. Da sind wir viel und gern spontan irgendwo eingekehrt, hingelaufen, shoppen gewesen. Könnte ich mehr von haben! Danke für deine Inspiration dazu, alles Liebe und schönes Wochenende, Katia
Oh ja, ich versuche auch spontan mit Kindern, leider echt schwierig bei großer Streuung an Alter und Interessen plus langwierig krankem Mann. Die Großeltern sind mittlerweile dezimiert, sowieso zu weit weg und könnten auch nicht mehr unterstützen in dem Maß, wie es nötig/schön wäre.
Auch mir war vor dem ersten Kind, und selbst mit Kind und zwei Paar motivierten Großeltern nicht bewusst, was für ein Luxus das ist.
Und wie viel Nerven einfach all die Organisation kostet. Noch ist mir leider völlig unklar, wie alleine spontan mal wieder klappen konnte.
Da hilft ein gut gemeintes „fahr dich mal alleine weg“, oder „nimm dir Zeit für dich“ auch nicht, mehr schon das Wissen, wie vielen es leider auch so geht. Aus weichen Gründen auch immer.
Hej liebe Annie, diese Phase gerade hat es wohl einfach in sich… Ist natürlich gut zu wissen, dass man damit nicht allein ist, aber anstrengend bleibt es so ode so. Ich wünsche uns allen kreative Lösungen und hochmotivierte Mitmenschen aus Familien- und Freundeskreis, die uns dabei unterstützen, ab und an sponatan sein zu dürfen – in einem sehr eng gesteckten Rahmen 😉 Immerhin haben mir mehrere Eltern älterer Kinder glaubhaft versichert, dass auch diese Phase endlich ist. Alles Liebe, bon courage, Katia