Ich liebe meinen Garten. Als grüne Oase, als Rückzugsort vom Alltag, Stress und allem, was nervt. Meine Kinder lieben ihren Garten auch: Als Tobeareal, als Fußballplatz, als Ort für ihre private Urschrei-Therapie. Klar, dass das irgendwie clasht…
Ich liebe es, versunken in den Beeten zu puzzeln, zu pflanzen, jungem Grün beim Wachsen zuzusehen. Meine Kinder lieben es, ihren Ball in die Beete zu kicken, beim Ticken wie kleine Bulldozer durch die Rabatte zu pflügen und Blütenstängel mit ihren Holzschwertern zu bestrafen. “So hatten wir uns das doch immer vorgestellt”, sagt mein Mann manchmal verklärt lächelnd, während er ein halbes Dutzend Kinder dabei betrachtet, wie sie im Garten johlend eine Schneise der Verwüstung hinter sich herziehen. Und ich denke: “Echt? In meiner Fantasie war der Garten irgendwie weniger – belebt…”
Ist es spießig, wenn ich möchte, dass meine Jungpflanzen neben meinem eigenen Nachwuchs im Garten bestehen? Vielleicht eher naiv.
Ich meine: Im Haus habe ich ja auch schon auf die harte Tour lernen müssen, dass bereits zwei Jahre nach Bau-Erstbezug Wände und Böden sehr, sehr weit entfernt von fast neu oder – harhar- Insta-kompatibel sind. Dass Zahnpasta in Dielenrillen und Edding rund um die Lichtschalter nichts mit der Vorstellung zu tun haben, die ich mir in der Bauphase so zusammengeträumt habe.
Aber im Garten bin ich irgendwie noch nicht so weit, das Terrain kapitulierend abzutreten. “Ist doch nur eine Phase”, tröstet mich mein Mann immer – der den Garten vor allem deswegen schätzt, weil er unseren überaus quirligen Kindern genügend Auslauffläche verschafft, damit sie im Haus weniger Schaden an Mobiliar und Nerven anrichten. Geht mir grundsätzlich ähnlich – aber ich würde eben auch gern Schaden von meinem frisch gepflanzten Apfelbäumchen abwenden, das beim Kauf irgendwie mehr Äste aufwies… “Dann pflanz es doch lieber an den Rand”, rät der Mann, der keine Ahnung von Gartenplanung hat.
Denn: Ein neuer Garten ohne eingewachsenen Grün-Bestand braucht seine Zeit – und will ich in zehn Jahren eine öde Apfelbaumreihe am Grabenrand und in der Mitte zerwühlten Rasen?
Natürlich nicht! Ich will eine romantische Streuobstwiese, locker über die Fläche verteilt, ich will lauschige Ecken, und überall Beete, um die herum verschlungene Wege aus romantischem Kopfsteinpflaster führen. “Und wo soll dein Sohn Fußball spielen?”, holt mich die Stimme der Vernunft – mein Mann – zurück in die Realität. “Auf dem Fußballplatz!”, raunt meine egoistische Gärtner-Stimme. Aber sagen tu ich’s nicht. Ich will ja nicht die goldene Himbeere für die schlechteste Mutter-Performance des Jahres abstauben.
Wäre unser Garten ein Park, ich würde den Kindern liebend gern eine riesige Fläche zur freien Zerstörung überlassen. Aber wir müssen uns wohl oder übel die Quadratmeter teilen, auf denen mein Daybed eigentlich für die Mußestunden an heißen Nachmittagen steht. Das die Kinder allerdings gern als Hüpfausweichfläche nutzen, wenn unser riesiges Vier-Meter-Trampolin zu überfüllt ist.
Denn: Bei uns spielen nicht nur täglich meine eigenen Kinder entfesselt heiße Kartoffel oder Jedi-Ritter – sondern auch noch drei bis fünf Nachbarskinder.
Ja, ich geb’s zu: Als Kind habe ich mir genau das gewünscht. Aneinandergrenzende Grundstücke ohne Zaun – und jedes bewohnt von einem Haufen Kinder, die nichts lieber tun, als jeden Tag gemeinsam raumgreifend und wild zu spielen. Mein Mutterherz versteht das. Mein Gärtnerherz aber blutet.
Vom englischen Rasen habe ich mich ja schon länger verabschiedet – dass ich aber jeden Busch und jedes Beet so planen muss, dass es nicht in der Schuss- oder Schaukellinie meiner Kinder und ihrer Freunde liegt, hat wenig mit freier Gartenentfaltung zu tun. Was mal ein Bauerngarten werden soll, ist bislang eher eine Art Koppel, auf der sich die Kinder auspowern.
Aber was einen das Gärtnern ja lehrt, ist Geduld. Dass sich die Dinge langsam entwickeln und in einem Tempo, das man nicht beeinflussen kann.
Passt ganz gut mit Kindesentwicklung zusammen. Was bei beidem hilft, ist der selektive Blick: Okay, meine Rispenhortensie-Reihe mickert dank vieler Ballberührungen noch ziemlich – aber die Clematis ist schon ein üppiger Traum aus ross Blüten – und weit genug entfernt vom Tor! Okay, mein Jüngster köpft zwar gerade mit der gemopsten Gartenschere meine tollen Tulpen – aber immerhin, weil er sie so schön findet.
Vielleicht ist noch nicht alles verloren. Vermutlich muss ich die Kinder noch mehr zu meinen Verbündeten machen: Gerade ist mir wieder dieses schöne Buch zum gemeinsamen Gärtnern in die Hände gefallen. Nicht, dass meine Kinder je mit Blumenkränzen im Haar über unser Grundstück schweben würden. Aber die Idee, mit ihnen gemeinsam Beete anzulegen, die ihnen bestenfalls selbst etwas bedeuten, könnte der Zerstörung zumindest in Teilen entgegenwirken.
Als ich mit meinem Vierjährigen also sein eigenes Staudenbeet bepflanzte, betrachtete er anschließend unser Werk und fragte mich: “Darf ich das jetzt wieder kaputt machen…? Ich fürchte, es ist noch ein langer Weg bis zu meinem üppigen Bauerngarten.
Hier und hier gibt es noch mehr Gartenthemen (und wenn Ihr in die Suchleiste “Garten” eingebt, dann kommt Ihr aus dem Lesen nicht mehr raus).
Habt Ihr Euren Garten auch den Kindern überlassen?
Alles Liebe,
Liebe Katia,…darf ich das wieder kaputt machen…Das ist so süß und wahr und nicht so trügerisch wie die kleinen Mädchen mit den süßen Gänseblümchen im Haar auf Instagram. Lass die Kinder hüpfen. Liebe Grüße von Elke
Hej liebe Elke, danke für deinen Zuspruch! 🙂 Ich lass sie hüpfen – mir bleibt gar nichts übrig: Die Kinder sind bei uns immer in der Überzahl 😉 Das echte Leben ist eben genau so. Alles Liebe, auf bald, Katia
Haha, ich kann es nachfühlen! Ganz soo wild ist es bei uns allerdings nicht. Wir haben hinter dem Haus knapp 800 Quadratmeter und als Kompromiss schön geschwungene Beete an den Grundstücksgrenzen. In der Mitte ist noch eine recht große Fläche frei für Federball-Spiele oder Wikingerschach. Dazu haben sie einen Kletterturm mit heißgeliebter Schaukel und ein Trampolin. Fußball wird auf der Wiese hinterm Haus mit den Nachbarskindern gespielt. Nicht bei uns. Da bin ich streng. Liegt aber auch an unserem großen Hund, der sonst einfach mitspielen würde. Und dann müsste täglich ein neuer Ball her. 😆
Bei uns war es allerdings einfacher, die Pflanzen anwachsen zu lassen. Wir sind mit unserem Ältesten ins Haus gezogen, als er ein Baby war. Somit wurde nicht gleich alles neu Gepflanzte umgenietet. Das gab uns etwas Vorsprung 😅. Bei uns ist es am Ende dann oft der Papa, der unsere Rosen köpft, weil er aus lauter Lust am Ball spielen, dann doch ziemlich stark schießt – und dann die Rosen trifft. Naja, Schwund ist überall. Liebe Grüße
Hej liebe Juliane, oh, ich beneide Euch um den Pflanzvorsprung! 🙂 Ich find mich selbst nämlich mitunter spießig, wenn ich ermahne, nicht durch die Beete zu trampeln oder dem Baby-Baum die Ästchen abzureißen. Wäre einfacher mit bereits robusterem Gartenbestand… Aber das ist eben das echte Leben mit Kindern und nicht das, was wir uns erträumen. 😉 Haha, der Mann, der die Rosen köpft, auch nicht schlecht. Mag dein Motto: “Schwund ist überall” – hilft generell, durch den Alltag mit den kleinen vandalen zu kommen. Alles Liebe, ich geh jetzt pflanzen. Katia
Herzlichen Dank für deine ehrlichen und ungefiltert Einblicke!
Das tut gut.
Alles Liebe
Sina
Hej liebe Sina, immer wieder gern 🙂 Alles Liebe, Katia
Ich vermisse etwas Gespür für die eigenen, immensen Privilegien, die das Team von was fürmich hat.
Die meisten Familien haben keinen Garten und können sich auch nicht leisten, zwischendurch eine Woche Reiterferien an der Ostsee oder in Schweden zu machen.
Sind alle anderen Leser von wasfuermich außer mir so wohlhabend?
Hej liebe Anna, danke dir sehr für deinen wichtigen Einwand. Wir bei Wasfürmich versuchen den Alltag von Familien und mit Kindern abzubilden – wie wir ihn erleben. Und ja, hier draußen auf dem Dorf leben wir in Häusern mit Garten, das ist sicherlich ein Unterschied zum Leben in der Stadt. Tatsächlich wirken die punktuellen Ausschnitte unseres Lebens vielleicht anders als es in der komplexen Wirklichkeit ist: So haben meine Familie und ich beispielsweise gerade entschieden, unseren bereits gebuchten Sommerurlaub im Süden zu canceln, weil uns die Kosten mit Treibstoff und Inflation gerade über den Kopf wachsen. Der Reiterhof-Urlaub war tatsächlich der erste dieser Art, den ich mit meinen Kindern bislang gemacht habe – und wird sich vermutlich nicht so schnell wiederholen. Aber wir werden in Zukunft gern noch mehr versuchen, alle möglichen Realitäten abzubilden. Alles Liebe, herzlichen Dank für deinen Fingerzeig, Katia
Hallo Katja,
Vielen Dank für den stimmigen Text. Es ist immer interessant von euch zu lesen.
Es scheint so, als würde es in eurem Garten manchmal wirklich ziemlich wild zu und her gehen. Ich möchte dich bestänken deinen Garten zu verteidigen, denn ich finde ,dass gerade eben der Garten eine gute Möglichkeit bietet um
den Kindern aufzuzeigen, was Grenzen, Respekt gegenüber Natur Mensch und Tier und Rücksicht bedeutet. Ich bin mir im klaren, dass Kinder Platz zum Toben brauchen, aber nicht auf Kosten von Anderen ( Mensch, Tier, Pflanzen) . Wenn es bei uns zu wild wird und ich befürchten muss, dass die Jungs ein Feld der Zerstörung hinterlassen würden, dann schicke ich sie auf den Fussballplatz. Denn ich finde, dass es nicht sein kann, dass sie ihren vollen Spass haben und ich danach traurig bin, weil all die schönen Pfanzen platt gewalzt sind. Die Kinder respektieren das ganz gut.
Übrigens meine Tochter hat eine zeitlang stundenlang Blumenkränzchen gemacht, auch das kann es in einem Garten wirklich geben…
Nur Blumenkränzchen Stimmung gibt es sicher nicht, aber ständig immer plattwalz Aktionen geht, in meinen Augen,auch nicht.
Verteidige deinen Garten, er ist für alle da !
Alles Liebe
Christina
Hej liebe Christina, danke dir für dein nettes Feedback. Ja, der Garten ist auch bei uns für alle da – und ich such mir meine Nischen. Wenn es passt, mal vormittags – da ist die Ruhe himmlisch. Oder ich versuche die geballte Energie der Kinder einfach auf die Nachbargrundstücke umzuleiten 😉 Kommt wahrscheinlich auch immer auf meine eigene Stimmung an: Oft bin ich ziemlich glücklich darüber, welche Möglichkeiten unsere Kinder hier draußen haben. Und manchmal möchte ich die Möglichkeiten zumindest für ein paar Stunden mal für mich allein. Alles Liebe, freu mich, hier wieder von dir zu lesen, Katia
Hallo Katia,
nicht die „Bad mom“ sein zu wollen ist wahrscheinlich der entscheidende Punkt. Viele Mütter wollen zu sehr immer die netten, lieben, verständnisvollen Mamis sein, warum eigentlich? Ist eine Mutter wirklich so schlimm, wenn sie nicht Bäume zerschießen lässt? Ich finde tatsächlich, dass nicht im Garten Fußball gespielt werden muss, wenn dabei Pflanzen zerstört werden und wenn es doch bestimmt einen Bolzplatz in der Nähe gibt. Ich erlebe leider als Lehrerin zu viele Schüler, die kaum Respekt und Rücksichtnahme kennen und nur nach sich und ihren Bedürfnissen gucken. Vermutlich kommt daher auch meine skeptische Sichtweise dazu, alles den Bedürfnissen der Kinder unterzuordnen. Immer wieder muss ich über Rücksichtnahme, Respekt vor den Sachen anderer, Lautstärke usw. reden, als ob in der Hinsicht kaum was von Zuhause kommt. Das ist echt ermüdend.
Hej liebe Franzi, ich glaube in Sachen Bad mom bin ich oft ganz weit vorn 😉 Hier ist es natürlich auch eine Altersfrage: mein Jüngster baut den meisten Mist und ist gerade so sehr in seiner Trotzblase, das ihn nichts erreicht. Die beiden Großen sind generell vernünftiger, aber je mehr Kinder, desto lebhafter geht es eben zu, das entwickelt oft eine eigene Dynamik. Generell gebe ich dir absolut recht, dass es nicht darum geht, die Kinder einfach komplett frei entfalten zu lassen – es geht immer darum, einen guten gemeinsamen Kompromiss zu finden. Danke für deine guten Gedanken! 😊 Alles Liebe, Katia
Hallo, also ich sehe es vermutlich komplett anders und Edding am/um Lichtschalter etc. das ist für mich ein no-go! Wir haben unser Haus mit viel Kraft, Energie und persönlichem Einsatz renoviert und da erwarte ich von meinem Kind oder Gästen einen respektvollen Umgang damit. Wieviel Ärger gibt es in den Schulen, dass die Toilettenanlagen beschmiert und demoliert werden? Wo sollen die Kinder denn lernen, dass man sorgsam damit umgeht und sich ggf . selbst schadet, wenn nicht bereits zu Hause?
Wir hatten die letzten 10 Jahre, vor allem Wiese/Rasen zum Spielen, toben fürs Planschbecken etc. Jetzt wird die Planung langsam umgestellt, aber auch hier finde ich, liebe Katia, einen respektvollen Umgang mit deinen Pflanzen kannst du erwarten und einfordern! Ehrlich gesagt hätte ich gedacht, dass dein Kleiner sein Beet nun vor anderen “schützt”. Dass er stolz zeigt, was er geschafft hat und wie es wächst. Und wenn andere Mütter oder Väter es nun total spießig finden, dass eben nicht alles erlaubt sein muss, ergänze ich noch, dass ich es genauso unmöglich finde, wenn Kinder in öffentlichen Verkehrsmitteln mit ihren Schuhen auf den Sitzen rumlaufen. Der nächste Fahrgast wird sich bedanken.
Hej liebe Ani, ja, ich hab auch schon den ein oder anderen Wutanfall deswegen bekommen… Ehrlicherweise ist es momentan vor allem unser Jüngster, der seinem Spitznamen als kleiner Zerstörer alle Ehre macht. 😉 Ich versuche es nebem meinem Erziehungsauftrag – was man so tut und was eben vor allem NICHT – möglichst mit Humor zu nehmen. Deswegen ist mein Text ja auch mit Augenzwinkern formuliert 🙂 Es gibt solche und solche Tage – aber in Summe ist diese Lebensphase gerade ziemlich rummelig und geht mit viel Schwund einher. Eine Leserin schrieb gerade, dass sie mittlerweile mit ihren Teen-Kindern auf den gartenliegen entspannt, wo früher Abenteuerspielplatz war – eine schöne Aussicht, wie ich finde. 🙂 Danke für deine Gedanken dazu, ich freu mich, dass du du hier so regelmäßig mitliest, -schreibst, -denkst. Alles Liebe und schönes langes Wochenende! Katia
Guten Morgen 🙂 Wie herrlich, diese Überlegungen – die hatten wir auch und haben den Garten damals unseren Mädchen überlassen. Unsere Töchter sind jetzt 13 und 16 und manchmal denke ich wehmütig an die Zeiten des vollen Gartens mit der Geräuschkulisse aus quietschender Mehrkindschaukel, schlagenden Springseilen und rhythmischen Trampolindopsern. Es klingt uralt, aber die Jahre gehen so schnell vorbei 🙂 Lasst sie hüpfen….Wir haben jetzt tatsächlich noch 2 Liegestühle dazu gekauft, weil unsere Mädchen sich dann jetzt einfach lieber mal zu uns legen und lesen – auch schön, und es hat eben alles seine Zeit ;-). LG Ellen
Hallo liebe Ellen, für mich klingt das nicht alt, sondern nach einem herrlichen Ausblick 😉 Und ja, ich würde nicht ausschließen, dass ich in ein paar Jahren wehmütig innehalte, während ich mit Muße meine Rosen stutze und denke – “Auch ein wenig still hier…” 🙂 Alles hat seine Zeit und jetzt ist eben die Zeit, in der alles alles wild und parallel läuft. Danke für deine Gedanken 🙂 Alles Liebe, schönes, entspanntes Pfingstwochenende im Garten 😉 Katia