Früher Sonntag Morgen, ich liege noch im Bett. Ein Teil der Familie ist wie so oft schon auf Sportveranstaltungen. Ein Teil der Familie darf eine Folge gucken. Und ich liege da, fühle die Weichheit meines Bettes, beobachte den Ast, der sich vor einem Stück Himmel vor dem Fenster bewegt und lächle bewusst. Weil man das öfter machen sollte, oder? Das eigene Leben anlächeln..
1. Jeder Besuch in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, wühlt mich auf. Mit den Jahren immer mehr. Elternhaus, Eltern, alte Freunde, so viele Hochs und so viele Tiefs, ich weiß nicht, ob es auch ein Teil der Perimenopause (Perimenotät nenne ich es, siehe Reel), dass ich immer nostalgischer denke.
Die Claudi von damals und die von heute knallen aufeinander und tauschen Teile aus.
Szenen wieder sehe, Dinge von früher hinterfrage, mich ärgere, Sachen nicht anders gemacht zu haben. Ein Besuch in der Heimat wird bei mir – aus privaten Gründen – immer trauriger und intensiver – aber auch lustig, weil ich Freundinnen wiedertreffe, die ich jedes Jahr länger kenne. Alte Heimat, seltsam vertraut und doch ganz weit weg. Komisches Ding!
2. Wir waren bei den Karl May Festspielen in Bad Segeberg – darf man sowas noch öffentlich erzählen? Es war auf jeden Fall bunt und laut und ein großer Spaß für alle von 7 bis 46 und es steckt – neben Stereotypen, die ja in vielen Geschichten stecken – ganz viel Nostalgie und Völkerverständigung drin. Passte gut zu diesem Wochenende.
3. Ich muss so viel nachdenken über unser Haus und unseren Garten. Wie ich es immer noch liebe, aber wie sich das Gefühl und die Energie verändert haben. Wenn ich Accounts von jungen Familien sehe, die gerade frisch in frische Häuser einziehen, dann hab ich so krasse Flashbacks.
Wie ich mich über jeden Lichtfleck gefreut habe. Wie Hühner eingezogen sind und ich es gefeiert habe.
Wie alles sauber und magisch und frisch gestrichen war. Wie ich es zelebriert habe, Mirabellen zu ernten und Kuchen daraus zu backen und die Terrasse zu fegen und den Tisch schön zu decken, um einen Kaffeeklatsch zu schmeißen. Ständig war das Haus voll mit Freunden, weil alle gefühlt alle Zeit der Welt hatten. Ich schwanke zwischen nostalgischer Sehnsucht danach und Annehmen, wie es jetzt eben ist. Und wie ich mir trotzdem Leichtigkeit in Sachen Haus zurückhole…
4. Sehr gemocht habe ich diese Woche zwei Zitate von Wigald Boning in der ZEIT. „Ich hab ein erprobtes Talent, mir jede Lebenslage schönzureden.“ Und: „Das Anlegen eines Anekdotenfundus ist mein wichtigstes Kapital“. Wow, mag ich sehr. Und ich arbeite dran…
5. Nach dem Rezept für den köstlichen Käsekuchen, den es am Sonntag bei uns zum Kaffeeklatsch gab, müsst ihr … Coppenrath & Wiese fragen. „Pick you fights“, ihr wisst schon!
Eine schöne Woche euch!
Wahnsinn! Deine Gefühle und Gedanken entsprechen meinem Inneren. Ich finde mich in jedem Blogeintrag wieder und du formulierst meine Empfindungen perfekt! Ich werde mit dem Alter (bin gerade erst 41 geworden😆) wehmütiger aber auch zufriedener und ausgeglichener und verspüre aber trotzdem eine Art Unruhe in mir.
Danke dir fürs Feedback.
Für mich ist das Schreiben hier manchmal auch eine Form von Therapie, glaube ich.
Alles Liebe,
Claudi
Ich finde wir schauen zu wenig mit Stolz zurück. Wenn wir zurückschauen, dann immer in so einer “hach war das schön mit den kleinen Kindern und als alles aufregend und neu war als junge Familie”-Brille. Dass auch viele scheiße schwer war, wir keine Ahnung hatten und oft viel zu aktionistisch unterwegs mit den Kindern, das übergehen wir gern. Und wir glorifizieren die Babyphase ganz schön doll. Ich habe mir vorgenommen, viel öfter stolz und zufrieden zurückzuschauen auf das Große Ganze, das als Familie mit etwas größeren Kindern schon hinter uns liegt. Wie gut wir es im Nachhinein in vielen Bereichen hinbekommen haben. Und auch ganz persönlich wie stolz ich bin, wie ich vieles hinbekommen habe, wie ich gewachsen bin innerlich und wie gut ich in manchen Dingen mit den Kindern war, ohne es richtig bewusst so geplant zu haben. Was auch toll ist: Die Vergangenheit ist “sicher”, die haben wir quasi im Sack. Also wir müssen Nicht mehr bangen, ob das Kind signifikanten Schaden bekommt, wenn Beikost erst mit 1 eingeführt wird oder gar nicht. Wir haben Wutanfälle und Autonomiephasen überstanden und begleitet. Kindergarten war gut, Grundschule läuft schon. Klar kommt die Pubertät noch, aber davor gibt jetzt einen Moment des Durchatmens, des Bewusstwerdens, was alles einfach gut war und was wir gut hinbekommen haben. Das machen wir viel zu wenig, so zurückschauen. Ich mache das grade immer öfter und merke, wie gut das tut, das ohne (oder nur mit wenig) Wehmut zu machen und auch nicht zu denken „sie werden zu schnell groß“, sondern eher „alles passiert in dem Tempo wie es soll, das Leben ist eben dauerndes Weitergehen, kein Stehenbleiben, es muss auch nicht jeder Moment golden glitzern und wir müssen auch nicht jede Sekunde genießen, sondern einfach die, bei denen es uns von alleine kommt, dass das jetzt schön ist, nicht bei denen, bei denen wir denken also von außen sieht das jetzt schön aus also los, genieß es jetzt, obwohl wir viel zu fertig überreizt oder einfach schlecht gelaunt sind. Das nimmt viel druck raus.
Das sind wirklich ganz wunderbare Worte, die mich gerade richtig erwischen.
Wow, danke dafür,
alles Liebe,
Claudi
sehr gern, danke für eure tolle Arbeit hier! ich glaube ganz oft arbeiten wir (und vor allem auf social media) mit superlativen und absoluten emotionen (als würden die immer einzeln und lupenrein auftreten), und das echte leben ist aber immer eine gemischtwarenhandlung, vieles fühlt man doch gleichzeitig. dabei ist das, was wir haben, ganz ganz selten bis nie nur schön, nur wehmut, nur perfekt, nur kacke. damit fein zu sein und das als gelungen zu erleben, wo man sagen konnte ich hab es mit dem herzen gemacht (nicht ich hab es 100 prozent ausgekostet, genossen oder richtig gemacht), also sagen zu können ich hab in dem moment das gegeben und getan, was ich konnte, das gefühlt, was ich gefühlt habe, das reicht aus für ein gelungenes, echtes leben. es ist immer wieder ein balanceakt zwischen annehmen was ist und ändern, was zwickt, ich glaube wider aller “du kannst alles haben du musst es nur wollen” attitüden ist ein gelassenes abwägen (manchmal auch ein wütendes oder trauriges) viel befriedigender. ich bin jedenfalls gespannt, was das leben noch so bringt ()erstaunlicherweise ist es mit 40 wohl noch nicht vorbei, bin ich noch nicht fertig (in der entwicklung, mit der welt, mit den kindern, mit dem beruf). 🙂
O mein Gott, ich liebe diesen Kommentar. So inspirierend. Danke!!!
Ja, schon verrückt, was sich da noch alles für Lebenräume auftun, wenn man hinter die angelehnte Tür der 40 schaut.
Hoffentlich noch ein ganz langer Flur!!
Alles Liebe,
Claudi
Ach Claudi, wie mich deine Antwort freut, einfach weil ich dann merke, dass meine eigenen wirren Gedanken wohl doch irgendwie auch bei anderen ähnlich sind, dann fühlt man sich gleich weniger allein 🙂
…Karl May Festspiele sind großartig- auch wenn es vielleicht nicht sooo insta-tauglich ist! Inhalte waren bisher ok, witzig & mit Lockerheit zu nehmen.
Unsere Kids von klein bis Teenie freuen sich, wenn sie die Karten als Weihnachtsgeschenk bekommen & fiebern schon jetzt, ob es nächstes Jahr wieder hingeht.
Die Stimmung ist lässig & so Menschen/Familienfreundlich.
Selten sowas erlebt in D-Land.
Tipp: Vorher Kaffee & Pommes beim Cafe am See (Goldmarie)
Grüße