Könnte ich gerade die Copy-und-Paste-Taste drücken? Wir alle? Weil das schon wieder ein warmes, aufregendes Wochenende war. Schon wieder so viele Termine. Ich war schon wieder unterwegs. Und doch war alles ganz anders. Ein paar Dinge, über die ich an diesem Wochenende nachgedacht habe…
ÜBER MUT: Ich war ganz allein in Berlin. Wieder so eine „Eigentlich“-Geschichte: Eigentlich lohnte es sich nicht, eigentlich hatte ich so viel zu tun, eigentlich könnte ich auch mit den Jungs an die Elbe. Dann machte ich ein „Einfach machen“-Projekt daraus. Aber von Anfang: Vor zehn Tagen trudelte die Einladung zum Sommerfest meiner Literatur Agentur in mein Mailpostfach. Ich kann immer noch nicht glauben, dass dieser Traum wirklich Wirklichkeit wird. Dass mein Buch im Frühling bei Fischer erscheint und ich von einer bekannten literarischen Agentur vertreten werde. Crazy!
Der Plot von „Plötzlich Prinzessin“ klingt für mich unkitschig dagegen.
Das Fest war genau an dem einen Samstag, an dem wir bis Mitte Oktober noch nichts vorhaben. Ich sagte also schnell zu. Als ich dann am Samstagabend ganz allein durch die flirrende Sommerabendluft in Prenzlauer Berg auf die große Menschentraube vor der lässigen Altbaufassade zulief, bekam ich Angst. Ich kannte wirklich niemanden, außer meine Agentin (und die bloß telefonisch). Ich dachte: „Was habe ich mir bloß dabei gedacht? “ Mir wurde noch heißer als ohnehin schon.
Vier Stunden später mein Happy-End: Ich hatte einen wirklich tollen Abend. Habe endlich meine Agentin gedrückt, habe mich super nett dauerunterhalten, habe mich getraut, Leute beim Weineinschenken einfach anzusprechen. Ich habe so viele inspirierende Menschen kennengelernt. Und ich war echt stolz auf mich.
ÜBER ZUFALL: Am Sonntagmorgen hatte ich gerade so noch Zeit, um in Ruhe frühstücken zu gehen. Über Google Maps fand ich ein nettes Café keine fünf Minuten von meinem Hotel entfernt. Ich setzte mich in den Halbschatten, bestellte French Toast und einen Latte Macchiato und starrte die Frau an, die sich in diesem Moment neben mich setzte. Sie starrte auch.
Dann nahmen wir unsere Sonnenbrillen ab und quietschten. Es war Jette vom Blog Mesupermum, eine Blog-Kollegin, die ich schon ewig kenne, aber ewig nicht gesehen habe. Sie, ihr Mann und ich haben also spontan zusammen gefrühstückt und es hätte nicht netter sein können. Ich meine: Knapp vier Millionen Einwohner und ich treffe sie. Und: Im Café Fleury wird French Toast aus Croissants gemacht. Göttlich! Also, falls ihr mal in der Nähe seid.
ÜBER GELD: Mir gegenüber im ICE zurück nach Hamburg saß eine junge Frau. Bei der Ticketkontrolle ermahnte sie der Schaffner, dass sie mit ihrem 9-Euro-Ticket nicht in unserem Zug sitzen dürfe. Sie müsse den Zug im nächsten Ort verlassen und in die Regionalbahn umsteigen – oder ein gültiges Ticket nachbuchen. Sie scrollte erst in ihrem Handy – und stieg dann doch aus. „Hat es nicht geklappt mit dem Nachbuchen?“, fragte ein Mann in unserem Abteil.“ „Doch!“, meinte sie leise, „das ginge schon. Aber es war mir zu teuer.“
Mich hat das sehr berührt. Denn Fakt ist: Ich stecke in einer Lebensphase, in einem Freundeskreis, in einer Bubble, in der die wenigsten über ein Zugticket von Wittenberge nach Hamburg nachdenken würden. Worauf man Lust hat, geht meist. Keine Brillianten, keine Trips auf Luxusjachten. Aber das Essen, auf das wir Appetit haben, der spontane Flug zur einer Freundin nach Mallorca, das Kleid aus dem Schaufenster. Und ja, so stressig wie das Leben gerade ist, so viel, wie André und ich arbeiten, ist es auch das, was mich tatsächlich glücklich macht. Ich brauche keine Brillis. Aber ich bin so dankbar dafür, nach so vielen Jahren Dauerpraktikum nicht auf den Cent gucken zu müssen.
Man vergisst so schnell, wie gut man es hat. Ich auch.
Alles kann so schnell wieder anders sein. Das Sommerloch auf dem Blog und Social Media erinnert mich an die Endlichkeit dieses Zustands. Und auch meine Lust aufs Bücherschreiben ist einem vollen Konto nicht gerade förderlich.
Unheimlicherweise hatte mich das Leben einen Abend vorher schon mal daran erinnert. Da wollte ich beim Spazierbummel zu der Party noch kurz eine Tasche kaufen, weil ich meine in der Hektik zuhause vergessen hatte. An der Kasse ging die EC-Karte nicht. Schweißausbruch! Ich hatte nicht mal mehr fünf Euro im Portmonee für ganz Berlin. Mit feuchten Fingern rief ich zuhause an, wir stellten fest, dass ich eine andere Karte eingesteckt hatte. Mein Mann löste mein Problem mithilfe einer Sofortüberweisung. Das schale Gefühl blieb. Ich kaufte die Tasche, die ich zurückgelegt hatte – aber das weiche Leder fühlte sich nicht mehr so weich an wie vorher.
Geld ist ein riesengroßes Thema. Und manchmal, wenn es gerade ganz gut läuft, vergisst man, wie viele Bauchschmerzen, Schweißausbrüche und Tränen keins einen kosten kann. Ich habe spontan beschlossen, wieder sparsamer zu sein. Kein fröhliches Vorhaben so kurz vor dem Urlaub. Und doch eins, was sich gut anfühlt.
ÜBER DANKBARKEIT: Wir fahren in acht Tagen in den Urlaub und ich freue mich so. Gleichzeitig wage ich kaum, mich richtig zu freuen. Weil gerade so vieles blöd ist: Schießerei in Kopenhagen, Gletscherabbruch, Krieg, Inflation, Corona. Weil wir nicht wissen, was kommt. Dazu habe ich privat gleich mehrere Baustellen, die jeden Tag eine Vollsperrung in meinem Leben auslösen könnten. Freude ist so fragil derzeit.
Und doch blitzt sie immer wieder auf, diese magische Vorfreude aufs Meer, auf sechs Wochen kein Schulabfertigungschaos, kein Brotdosen, keine Hausaufgaben. Auf mindestens zwei Wochen richtigen Urlaub auch für mich. Und auf ein bisschen Unbeschwertheit.
ÜBER LIEBE. Ich gebe es zu, ich liebe Liebesgeschichten. Die im wahren Leben – und die getippten auf Papier. Sie streicheln meine Seele besser als Serie, knutschen meinen Frust gekonnt weg. Sie sind mein Eskapismus aus dieser Welt.
Besonders schnell schlägt mein Herz, wenn sich in Liebesromanen nicht bloß die Protagonisten lieben, sondern auch der Autor die Sprache. Wenn die mich überrascht, wenn sie einfach Spaß macht. Und wenn es keine 0815-Liebe ist, sondern einen coolen Twist hat. “Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe” klingt genau danach und muss daher unbedingt noch mit auf meinen Sommerbuchstapel. Ich freue mich drauf.
Und wie war dein Wochenende?
Fotos: Louisa Schlepper, privat
Alles Liebe,
Vielleicht eine der schönsten “Fünf-Dinge”-Sammlung, die ich seit langem bei Dir gelesen habe. Weil sie nachdenklich macht, dankbar, glücklich, demütig und lächelnd. Danke, dass Du Deine Gedanken so mit uns teilst und mir den Start in die neue Woche noch ein bisschen mehr versüßt!
Ganz lieben Dank für dieses Feedback!
Ich wünsche dir eine schöne Woche,
beste Grüße,
Claudi
Vielen Dank für diesen schönen Beitrag – ich liebe diese Wochenende-Sammlungen sehr.
Und ich kann dir sagen – das Buch ist ein Glücksgriff. Ich habe es während unseres Pfingsturlaubs gelesen und hatte so viel Freude damit. Und falls noch Platz auf deinem Bücherstapel ist, kann ich dir “Eine Frage der Chemie” sehr ans Herz legen. Seit “Der Gesang der Flusskrebse” hat mich kein Buch mehr so bewegt wie dieses. Ich habe jede Seite gefeiert und es klingt immer noch leise in mir nach. Es wird wohl mein meist empfohlenes und meist verschenktes Buch des Jahres 2022 werden.
Liebe Grüße, Sabrina
Liebe Sabrina, das liegt hier tatsächlich auch noch. Oh je, ich werde nicht alle schaffen.
Aber dann habe ich guten Stoff bis Weihnachten.
Liebste Grüße,
Claudi
Sehr schöner Text zum Nachdenken. Herzlichen Dank.
Sehr gern. Tut auch gut, schreibend zu denken.
Alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudi,
Dein Beitrag hat mich tief berührt. Die Eigentlichs weglassen und Neues wegen, auch wenn man kurz zuvor Bauchweh bekommt.
Das Thema Geld und wie unfassbar gut es uns geht.
Und Urlaub bei all den schlimmen Dingen, die im Moment passieren. Mit so einem leisen Gefühl man muss es besonders genießen und schätzen, weil man nicht weiß was da in nächster noch so alles auf uns zukommt und auch unsere Bubble betreffen könnte.
Vielen Dank für deine Worte!
Und dein Feedback berührt mich gerade sehr. Ich danke dir, dass du die die Zeit dafür genommen hast.
Liebe Grüße,
Claudi
Deine Ehrlichkeit tut einfach so so gut❤
Ja, ich denke auch, eine große Portion Ehrlichkeit können wir gerade alle gut gebrauchen.
Es steckt einfach hinter allem so viel mehr dahinter, als es oberflächlich scheint.
Ich danke dir für dein Feedback!
Herzlichst,
Claudi
Danke, dass du nicht einfach schreibt, dass du auf einem tollen Event warst, sondern wie es dir wirklich damit ging. Von der Überwindung, über die Aufregung bis zu dem guten Gefühl danach. Das ist viel ehrlicher als so vieles was man so auf Insta mitbekommt, Danke dafür!
Oh ja, es steckt doch immer so viel mehr dahinter.
Ich danke dir für dein Feedback!
Alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudi,
bin eigentlich eine stille Leserin aber jetzt muss ich mich trotzdem mal melden. Ich danke dir für deine vielen lieben und vor allem ehrlichen und natürlichen Beiträgen. Bin auch Mama von 3 Kids und Arbeit und die ganzen Termine der Kinder ….. manchmal wirklich nicht leicht und doch sitzen wir alle im gleichen Boot und immer mit dem dumpfen Gefühl was uns die nächsten Monate bringen werden. Ganz liebe Grüße aus der Oberpfalz in Ostbayern. Tanja
Eine tolle Sammlung! Das Lesen hat gut getan!
Liebe Claudi,
Danke für die fünf Dinge vom Wochenende, die lassen mich jedes mal überlegen, was ich auswählen würde:) und dein Schreibstil ist so toll, fühlte mich eben wie in Berlin 🙂
Den Text habe ich jetzt schon 3 x gelesen. So toll geschrieben 👏👏👏 und es passt perfekt in die jetzige Zeit und kommt mir so bekannt vor. 😀 Die Wochenenden sind gerade so voll, aber auch so schön 🤩 ich wünsche euch einen schönen und erholsamen Urlaub 🧳 viel Spaß beim 📚👓
Ich finde mich in deinen Gedanken sehr gut wieder.
Es wird mir zur Zeit auch immer wieder bewusst, wie unglaublich gut es uns geht, die wir gesund sind, nicht reich sind, aber doch keine Geldsorgen haben und vor allem in einem friedlichen und freien Land leben. Aber die Sorge, was die Zukunft uns und vor allem auch unseren Kindern noch bringen mag, ist doch immer sehr präsent gerade. Die Pandemie mit all ihren gesellschaftlichen Folgen, Krieg, die Bedrohung der Demokratien und der Verlust von Freiheiten und sicher geglaubten Rechten in vielen Ländern und immer auch der Klimawandel stimmen nicht gerade optimistisch.
Umso mehr Grund, die Eigentlichs wegzulassen und dankbar für alle Möglichkeiten zu sein. Vielen Dank für diese Erkenntnis.
Ach Claudi, danke für diesen Text mal wieder. Ich lese schon so viele Jahre hier und immer noch berühren mich deine Worte. Über das Thema Geld hatte ich in letzten Zeit exakt deine Gedanken. Wie gut es uns geht, nicht jeden Cent umdrehen zu müssen. Und ich möchte noch ergänzen: Ich habe immer immer immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich eben nicht jeden Cent umdrehen muss. Ich kenne es von zu Hause anders (waren nicht arm, haben schon Urlaub gemacht und so, aber ich weiß, dass es oft knapp war) und irgendwie frage ich mich, warum ich bzw. wir als Familie uns das alles leisten können, keine Sorgen haben müssen, wenn mal die Waschmaschine kaputt geht, aber meine Eltern, die ebenso fleißig gearbeitet haben, es eben nicht so komfortabel hatten. Dieses Womit-habe-ich-das-verdient-irgendwann-kommt-der-Einbruch-Gefühl ist stark – und gleichzeitig auch Quatsch, das weiß ich ja. Ich komme dann nach einigem Nachdenken immer drauf: Demut und Dankbarkeit sind das A und O. Und die Verantwortung, die mit Geld-Haben einhergeht auch: Wo kann ich was abgeben? Wohinein investiere ich, was ich habe, sodass es sozial und nachhaltig ist? Das ist meiner Meinung nach die Verantwortung, die damit einher geht. Ich weiß, Nachhaltigkeitsthemen sind nervig und ich verstehe, dass du hier nicht drüber schreiben willst, ganz klar. Aber im Kommentar darf es sicher vorkommen 🙂
Danke für deine Gedanken! Alles Liebe
Mimi
Wow, ganz lieben Dank für dein Feedback. Diese Montags-Kolumne macht schon daher so viel Spaß, weil sie mich so schön durchs Schreiben nachdenken lässt.
Und ja, Verantwortung übernehmen ist so wichtig.
Ganz liebe Grüße,
Claudi
Was für ein schöner, nachdenklicher, aber auch Freude vermittelnder Text.
Ich fand es auch total nett und inspirierend, mich am Samstag mit dir zu unterhalten. 🙂
Liebe Grüße aus Berlin!
Liebe Yasemin,
danke für deinen lieben Kommentar! Was hatten wir für einen schönen Sommerabend.
Ich habe übrigens angefragt. Vielleicht liest du hier also auch bald deine Worte.
Schönes Wochenende!
Claudi
Der Text bringt mich ganz schön zum nachdenken…
Super Webseite, danke für die tollen Einblicke… werde hier auch in Zukunft zurückgreifen 😉 DANKE !!!! Liebe Grüße Mia