Eine Wiese, Berge, Geranien-Balkone, ein See. Leises Plätschern. Badestellen-Gemurmel. Dann ein schriller Schrei. „Ahhhhhhh…“ Einer meiner Söhne liegt auf dem Boden. Trampelt mit beiden Füßen ins Gras. „Mama, Waaaaaaassssseeeerrrr!“, brüllt er.
Erst als ich mich wirklich konzentriere, höre ich raus, dass er gern die Wasserflasche hätte. Und scheinbar schon länger fragt.
Ich hab es hingekriegt, dieses Mal. Ich hab ruhig geatmet. Ihm erklärt, dass er scheinbar schon länger frage und daher sauer wäre. Mich entschuldigt, dass ich ihm nicht gleich zugehört habe. Dann habe ich die Wasserflasche in die Hand genommen, leise erklärt, dass wir freundlich miteinander sprechen. Ihn gefragt, wie man nett nach dem Wasser fragen könnte. Und ihm die Flasche dann gegeben.
Anders ein paar Stunden vorher im Auto: wir hatten alle Riesenhunger, glücklicherweise aber bereits eine Papiertüte voll mit Leckereien fürs Picknick im Supermarkt gekauft. Dann die normale Ankomm-Hektik: Badesee suchen, Parkplatz am Badesee suchen, Sachen im Auto zusammen suchen (die Hälfte nicht finden) – und einer meiner Söhne fragte ständig nach seinem eben gekauften Kuchen. Ich bat ihn abzuwarten, packte, suchte, kramte, er sprach weiter vom Kuchen, ein Kind schrie nach seinen Schuhen, das Baby schrie nach meinem Arm. Ich wusste nicht, wie wir das alles zum See tragen sollten. Als er nochmal nach dem Kuchen fragte – platzte ich. Motzalarm an Badeseegeplätscher.
Ein paar Schritte weiter entschuldigte ich mich. Ich versuchte ihm zu erklären, warum ich so wütend gewesen war. Dass ich mir einfach gewünscht hätte, dass er kurz mit anpackte – und den Kuchen dann gemütlich am See isst. Ich weiß nicht, ob er mich wirklich verstand oder bloß aus Höflichkeit nickte.
Ich fragte mich, ob es bloß meiner Vorstellung von schön und entspannt entspricht, erst gemeinsam alles zu tragen und dann zu essen. Ich überlegte, ob ich nicht öfter auch anstrengend werde, wenn ich so richtig Hunger habe (aber in fast vierzig Jahren gelernt hatte, es besser zu verbergen.) Ich überlegte, ob es nicht genauso okay gewesen wäre, ihm den Kuchen sofort zu geben, mit der Bitte dennoch beim Tragen zu helfen. Eine Hand wäre schließlich noch frei gewesen…
Es ist meine Aufgabe, ihm jedes Mal wieder ruhig zu erklären, dass ich, dass wir, seine Hilfe brauchen, wenn wir sie brauchen. Dass wir alle anpacken müssen. Und vor allem ist es wichtig, dass auch ich in solchen Stress-Situationen nicht noch eben schnell eine Mail zu Ende schreibe, sondern aufmerksam bin. Damit sie es auch sind. Weil es dann normal ist, dass alle gucken, wo sie helfen können. Und helfen. Auch gut: Loben, wenn es klappt. Davon hatten wir im Urlaub etliche Situationen, der eine holt dem Kleinkind den Ball aus den Fluten, der andere holt von sich aus eine Serviette, wenn das Baby spuckt. Diese kleinen Gesten wertzuschätzen, zeigt auf, was mir wichtig ist. Und es nicht einfach unter “sollte doch normal sein” zu verbuchen.
„Wir sind eine Familie, wir sind nett zueinander!“, ist vielleicht einer meiner meistgesagten Sätze. Gerade auch wenn sich meine Kids streiten. Obwohl ich ganz genau weiß, dass auch erwachsene Familienangehörige oft nicht nett zueinander sind. Kein bisschen. Mir ist es aber wichtig, dass meine Kinder höflich und hilfsbereit sind. Das ist mir viel wichtiger, als dass sie in irgendwas der Beste sind. Ich versuche viel mit ihnen darüber zu reden, wie man sich in verschiedenene Situationen fühlt. Frage, was es im Bauch gemacht hat, wenn mein Sohn dem Baby den Ball aus dem Meer geholt hat und das Baby und seine Mama übers ganze Gesicht gestrahlt haben und immer wieder “Merci!” gerufen haben. “Warm, Mama, ganz warm hat sich das angefühlt.“ Oder wie es war, als ein Bande von Kindern sie am Volleyballfeld erst nicht mitspielen lassen wollten. “Das hat richtig komisch gekribbelt im Bauch, Mama!”, haben sie gemeint. “Ganz doof!”
Zum Schluss habe ich dann noch gedacht, dass gelegentliches Gemotze ganz sicher ab und zu mal völlig normal ist. Und auch okay. Vermutlich gibt es in einer großen Familie, ach was in jeder Familie, einfach Situationen, die stressig sind. In denen man sich anfratzt. Wichtig scheint mir, dass ich nicht beinahe persönlich beleidigt bin, wenn ich Hilfe wünsche, der andere – vor allem eins meiner Kinder – das aber nicht von selbst erkennt. Muss ich eben sagen, was ich möchte. Rechtzeitig. Ist in der Paarbeziehung schließlich auch das Beste, was man machen kann.
Das Beruhigende: Eine Stunde später – ach was, viel eher – saßen wir ohnehin am See, der blöde Kuchen längst aufgegessen, plantschten, erzählten, lachten. Gemeinsam.
Wie bringt ihr euren Kindern bei, freundlich zueinander und zu euch zu sein? Aufmerksam? Gegenseitig zu helfen? Habt ihr Tricks?
Ich brenne drauf, von euren Erfahrungen zu hören.
Alles Liebe aus Österreich,
VORLEBEN
Doch auch bei uns schepperts mal und ich oder der Mann werden laut. Meist läuft es wie du beschrieben hast aus dem Ruder, wenn alle hunger haben, wir einen Ort suchen oder müde sind. Doch meist nützt es schon den Kids zu sagen, auch wir müssen uns konzentrieren und seien darum angespannt.
Ich hoffe jedoch, dass obiges Wort genügt und unsere Drei durchs Vorleben ganz viel kopieren.
PS: mag deinen Blog ganz gut ⭐
Danke! Das klingt einfach wunderbar… Herzlichst, Claudi
Jon Kabat-Zinn sagt: Eltern-Sein ist ‘die volle Katastrophe’.
Kinder leben in der Gegenwart , das zwingt uns als Eltern ungekannte Herausforderungen zu meistern. Immer mit voller Aufmerksamkeit und zwangsläufig unter großem Stress. Wir sollten dennoch stets versuchen uns in Achtsamkeit zu üben. Zu uns selbst und zum Kind , und gemeinsam das unbekümmerte Kind-Sein genießen.
Als Mama von drei Kindern bin ich oft in diesen Wahnsinn Situationen dann hilft mir mein credo: wie kann ich sein ? Und nicht : was kann ich tun.
Das spüren die Kinder und ich bin sicher sie lernen so achtsam zu sein.
Schönes Zitat – und Kommentar! Danke dafür… Ich mag deinen Ansatz.
Alles Liebe, Claudi
Hej, stinknormal!
Grämen deswegen völlig unnötig, meiner Meinung nach. Du bringst deinem Kind etwas wichtiges bei: Menschsein!
Wir sind alle menschlich, sprich zu mindestens 50% nicht perfekt. Und genau das müssen unsere Kinder lernen, dass allen mal der Punk abgeht, wenn der Stress überhand nimmt. Wie sollen sie sonst sich selber ihre Fehltritte verzeihen können?! Also ich schließe mich obiger Meinung an, wir sind Vorbilder und darin wirken wir viel nachhaltiger als mit unserem ganzen Geschnacke.
Jedem, der viel mit Kinden zu tun hat, ergeht es mal so: Man motzt wegen einer stressigen Situation ein Kind an und hinterher schämt man sich in Grund und Boden und findet sich ziemlich uncool. Denn eigentlich möchte man doch Ghandi-like allen Stress weg atmen und lächelnd völlig geduldig bleiben. Soviel zur Theorie…
Ich finde es immer gut, seinen Fehler hinterher mit Ruhe und in Respekt einzugestehen, so lernt das Kind „Aha, Fehler machen ist nicht toll, sondern eher unangenehm und man kann sie einsehen und die Situation ins Gute wenden. Alles klar!“ Na, wenn das nichts wert ist 😉
…Mann, was bin ich froh, dass es bei euch auch mal diese weniger erfreulichen Situationen gibt…Eigentlich weiß ich ja, dass es in keiner Familie immer nur Friede, Freude, Eierkuchen gibt, aber hin und wieder kommen dann doch mal diese Zweifel auf…gerade, wenn man eure wunderschönen Bilder sieht, denkt man alles ist immer so perfekt…aber es ist halt auch ganz normal und menschlich, dass Eltern mal an ihre Grenzen kommen und nicht so reagieren, wie es eigentlich richtig wäre. Wichtig ist, dass man sich reflektiert und ggf. entschuldigt, auch bei Kindern, denn nur auf diese Weise fühlen sich die Kleinen respektiert, geachtet und auf Augenhöhe. Das ist uns im Familienalltag sehr wichtig und mit drei kleinen Mäusen geht es ziemlich oft hoch her. In unserer Erziehung, eigentlich mag ich das Wort nicht – ich würde es eher als ein „An die Handnehmen“ bezeichnen – gibt es ein paar feste Werte, die sich wie ein roter Faden durchziehen. Dazu gehören Ehrlichkeit, Respekt, Hilfsbereitschaft & Freundlichkeit. Das gilt für den Umgang innerhalb der Familie, genauso wie für den Umgang mit
Freunden, Bekannten oder auch fremden Personen. Bei uns daheim wird sehr viel geredet und wir erklären den Kindern die Dinge, anstatt einfach zu sagen „das wird jetzt so gemacht, weil ich es sage“. Es soll ja schließlich „Klick“ machen bei den Kleinen und ein Verständnis geschaffen werden für bestimmte Situationen und Emotionen. Alleiniges „Ansagen“ bringt im besten Fall eine Verhaltensänderung in der aktuellen Situation, aber doch nicht auf lange Sicht. Unser Wunsch ist es, starke und selbstbewusste Menschen in die Welt zu entlassen, aber genauso wichtig ist es uns, dass sie respektvoll, umsichtig und freundlich mit Menschen, Tieren und der Natur umgehen. Das ist nicht immer einfach, aber es hat ja auch niemand behauptet, dass es einfach ist, Kinder auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben zu begleiten…dafür macht es aber irrsinnig Spaß und man bekommt so, so viel zurück…
Danke für dein Feedback! Ganz genau: nicht immer einfach – aber immer öfter schön.
Alles Liebe,
Claudi
Huhu, ich nochmal… wie kann ich dir denn auf deinem Blog folgen? Für den NL hatte ich mich schon angemeldet, aber konnte nirgends was zum „folgen“ finden… Lieben Gruß, Nicolle
Liebe Nicolle, wie schön, der Newsletter ist schon eine Weile in Planung – einge ganze Weile. Es gibt immer noch so viele andere Dinge.
Aber wir sind dran.
Vielleicht magst du mir auf Instagram oder Facebook folgen – dort wirst du regelmäßig über neue Posts informiert.
Alles Liebe,
Claudi
Bei uns ist immer ziemlich viel los mit vier Kindern. Und oft bin ich wirklich mit meinen Nerven am Ende, Arbeit, Haushalt, Kinder. Es ist oft schwierig allem gerecht zu werden. Aber Du kennst das sicher. Ich lebe meinen Kindern wirkliche, echte Reue vor. Ich entschuldige mich für ungeduldige oder laute oder im Ton vergriffenen Reaktionen meinerseits.
Mann darf Fehler machen, aber man muss sich dessen auch bewusst sein. Und sich zu entschuldigen oder zu erklären was da eben los war macht das eigene Verhalten vielleicht ein bisschen verständlicher. Außerdem lernen die Kinder ihre eigenen Fehler klarer machen zu können, um sich evtl. auch dafür entschuldigen zu können.
Liebe Grüße