Als ich kürzlich auf LinkedIn unterwegs war, überkam es mich wieder: Ich las von diesen ganzen offenbar top qualifizierten Menschen, von ihren irre anspruchsvollen Jobs – und dachte sofort: “Gottseidank muss ich mich gerade nicht bewerben – ich könnte so was nicht machen.” Weil: Ich kann ja nichts. Oder zumindest viel zu wenig, um auch so eine anspruchsvolle Position auszufüllen. Weil ich weniger klug, strategisch, verhandlungssicher bin als alle anderen. Was natürlich vollkommener Blödsinn ist…

Ich meine: Ich bin Mitte 40, habe jede Menge Berufserfahrung in diversen Branchen – und fühle mich dennoch immer wieder wie eine Anfängerin. Als hätte ich kein Vertrauen in all meine Fähigkeiten, die ich mir in den vergangenen 30 Jahren angeeignet hätte.

Warum denke ich immer und immer wieder, ich bin nicht ausreichend qualifiziert?

Als wäre ich sowas wie eine Hochstaplerin, würde ich mich tatsächlich auf eine Stellenausschreibung wie “Senior-Copywriter” bewerben. Ich meine, um den ganz großen Bogen zu schlagen: Ich habe ein Einser-Abi gemacht, mein Studium in Rekordzeit absolviert, habe einen von zwei bundesweit ausgeschriebenen Volontariatsplätzen bei einem internationalen Verlag ergattert. Ich sollte Textchefin werden und war eine Weile sogar auf Chefredaktionskurs. Ich habe als PR-Beraterin und in der Internen Kommunikation gearbeitet und weiß spätestens seit meinem Job hier, dass ich verdammt gut schreiben kann. Und doch: Ich kann ja eigentlich nichts. Ist das nicht verrückt?!

Liegt es an den Pausen, die man als Mehrfach-Mutter zwangsläufig macht? Die ich übrigens immer gern gemacht habe – zumindest für eine Weile. Sind es die Kinder und der ganze Care-Arbeits-Irrsinn, der uns Frauen glauben lässt, dass unsere Gehirne plötzlich nicht mehr die gleichen Kapazitäten haben wie früher? Oder ist es vielmehr die gesellschaftliche Haltung, dass Kinder und Karriere einfach nicht kompatibel sind? Nicht unwahrscheinlich:

Als ich das erste Mal schwanger war, flog ich im Verlag sofort aus allen Förderprogrammen raus.

Wurde ich vorher als hoffnungsvoller Führungsnachwuchs zu Kamingesprächen mit den wichtigen Chefredakteuren und der Verlegerfamilie geladen, war ich plötzlich Luft für alle, die in mir etwas gesehen hatten. Eine Mutter war es offenbar nicht. Wenn man als Frau Kinder bekommt, geht das direkt mit einer joblichen Unsichtbarkeitsmachung einher.

Obwohl es mich damals nicht so wahnsinnig gejuckt hat, weil ich mich so über meine Schwangerschaft gefreut habe, wirkt ein Teil davon bis heute nach. Dieses unausgesprochene: “Du musst dich schon entscheiden – willst du Kinder oder willst du Karriere machen.” Beides ist in den meisten Köpfen nicht vorgesehen. Und Erfolg in Teilzeit geht schon mal gar nicht.

Mittlerweile definiere ich Karriere und Erfolg für mich anders.

Also eigentlich. Wenn ich mich nicht gerade auf LinkedIn kirre machen lasse von all den Content-Strategien, Digital Consultants und Veränderungsmanagement-Prozessen, die andere so selbstverständlich in ihre Vita schreiben, das mir allein beim Lesen der kalte Schweiß ausbricht. Sind diese ganzen Business-Berserker alle Hochstapler – oder stapele ich einfach chronisch zu tief? Scheint übrigens nicht mein individuelles Problem zu sein: Ich habe eine Freundin, die nach ihren Kindern eine steile Karriere in einem Großkonzern hingelegt hat – und dennoch bis heute das Gefühl hat, gleich merkt irgendjemand, dass sie diesen krassen Führungsjob eigentlich nicht kann. Ohne Worte!

Wenn ich all das Gepose der anderen ausblende und nur auf mich sehe, habe ich schon das Gefühl von persönlichem Erfolg. Dass ich gerade etwas tue, was mich total erfüllt. Mehr als alles, was ich vorher getan habe. Dass ich schreiben kann, dass ich schreiben WILL – und nicht managen, beraten, strategisch sein. Vielleicht ist dieses “Ich kann das nicht!” in meinem Fall viel mehr ein “Ich will das nicht!”. Aber es wäre natürlich viel stärker, das mit breiter Brust zu sagen, als kleinlaut zu behaupten, ich könnte es nicht.

Vielleicht steckt hinter diesem Tiefstapeln auch der leidige Anspruch, sich dauernd optimieren zu müssen.

Sollte nicht gerade ich, die eben nicht kontinuierlich am Arbeitsmarkt zugange war, mich dauernd weiterbilden? Neue Skills erwerben, damit ich meiner Business-Vita ein paar mehr Bullshit-Bingo-Begrifflichkeiten hinzufügen kann? Sollte ich mich mehr mit KI beschäftigen, mich um Content Creation, Reels-Business, TikTok kümmern…? Damit ich auf Stand bin, für jede Anfrage gewappnet, die da kommen könnte?

Und sofort spüre ich in mir eine bodenlose Erschöpfung. Eine große Abneigung. Weil ich für mich ganz persönlich den Sinn darin nicht sehe. Weil ich nicht alles machen kann – und deswegen selektieren muss, womit ich meine Zeit verbringe. Vielleicht ist das auch so ein Thema der Wechseljahre: Muss ich wirklich Dinge machen, die mit “Ich muss…” anfangen? Oder will ich viel lieber Dinge tun, bei denen ich ein “Ich will…” denke? Am besten wäre vermutlich ein “Ich kann das – wenn ich will…”

Kennt ihr dieses dämliche Gefühl auch…?

Alles Liebe,

Katia