Nicht nur der Hormonhaushalt gerät irgendwann in Wallung, wenn man die 40 hinter sich gelassen hat. Auch die Gefühle wirbeln ziemlich durcheinander. Und wenn sich die steife Brise wieder gelegt hat, ist alles erst ein wenig chaotisch – aber nicht unbedingt unangenehm. Manches Gefühl ist einfach davongetrudelt, andere hat uns der emotionale “wind of change” frisch vor die Füße gefegt. Ich muss sagen: Es fühlt sich wie ein kleiner Neuanfang an. Aufregend, ungewohnt, manchmal auch ein wenig wehmütig. Aber meistens ziemlich gut…
Kürzlich las ich einen Text über Neid. Was für ein verkanntes Gefühl es wäre, weil es einen doch letztlich anspornen würde, Neues zu erreichen. Über sich hinauszuwachsen. Ehrlich: Ich fand Neid immer ziemlich scheiße. Nicht, dass ich es mir hätte verkneifen können, im Gegenteil. Ich war dauernd neidisch: Auf die Spielzeuge meiner Freundinnen, auf deren Urlaube, Freunde, Klamotten und Stilempfinden. Auf die Körper, Leben, Lieben anderer Frauen. Ich schreibe “war”. Weil:
Neid ist ein Gefühl, das sich aus meinem Leben davongeschlichen hat.
Ich weiß nicht mehr wirklich, wann ich das letzte Mal auf jemand anderen neidisch gewesen bin. Klar habe ich zwischendurch mal gedacht: “Wäre schön, das auch zu haben. Das auch zu erleben.” Aber dieses bohrende Gefühl, das sich irgendwie toxisch anfühlt, weil es meilenweit entfernt von nett, von Gönnung ist?
Das einen mit miesen Emotionen flutet, das einen mit bösem Blick auf andere schauen lässt? Verdammt lang her! Und definitiv kein Gefühl, dass ich vermisse. Oder jemals wieder spüren möchte.
Unsicherheit ist auch so eine lästige Empfindung, die davongeweht wurde.
Dieser bange Zustand, der sich immer dann einstellte, wenn ich mich in neuen Situationen wiederfand. Wenn ich mich selbst nicht so recht leiden konnte – und reflexhaft davon ausging, dass es anderen genauso gehen müsste. Dieser Zustand, der “Wer bin ich?, Was kann ich?, Was will ich? (Und was denken eigentlich die anderen gerade über mich?”) ” auf ungute Weise miteinander vermengte. Und mir jede Menge Handlungsspielraum klaute.
Es ist ja nicht so, das mir das Leben jenseits der 40 nichts Neues mehr bieten würde. Dass ich nicht auch jetzt noch immer wieder in mir unbekannte Situationen gerate. Aber all das macht mich heute viel weniger nervös als früher. Vielleicht, weil ich das Leben in sehr vielen Facetten kennen gelernt habe – in schönen genauso wie in schrecklichen. Weil mich nichts mehr so schnell ängstigt, weil ich weiß, was ich aushalten kann. Was ich bewältigen kann. Und was wirklich zählt im Leben.
Ein Gefühl, das ich wirklich vermisse, seitdem es sich verabschiedet hat? Die Unbeschwertheit.
Dieser flirrende was-kostet-die-Welt-Zustand, in dem ich überzeugt war, dass es das Leben gut mit mir meint. Immer und überall. Ein Gefühl wie früher vor den großen Ferien: Es wird so viel passieren, so viel Schönes, Aufregendes, Prägendes, das ich es nicht erwarten kann, bis es endlich los geht.
Aber die Realität kann auch ein unangenehmer Zeitgenosse sein. Und heute weiß ich so viel mehr: Dass das Leben eben kein weißes Blatt Papier mehr ist, das ich nur mit all meinen Wünschen, Hoffnungen und Träumen füllen muss, damit es das beste aller Leben wird. Ich sag zum Abschied leise “Tschüss”. Und erfreue mich an der Unbeschwertheit meiner Kinder.
Ich mag diese Kampagne der Brigitte Woman, die genau mit diesen konträren neuen Gefühlswelten spielt.
Da prangt in großen Lettern die eigene Sorge: “Ab 40 ist es zu spät…” und im Kleingedruckten steckt das wirklich wichtige: “…seine Zeit mit Selbstzweifeln zu verschwenden.” Oder “Ab 40 ist man alt…” und auf den zweiten Blick entdeckt man “…genug, um das Glück zu erkennen.” Und “Ab 40 legt man… zu” und klein dazwischen “…sich eine beneidenswerte Gelassenheit…”.
Für mich steckt sehr viel Wahres in diesen Zeilen. Gelassenheit ist genau eines dieser großen neuen Gefühle, die plötzlich mein Leben mit prägen. Ich bin gelassener als Mutter (Ja, das Kind überlebt auch Kika-Binge-Watching!), als Frau (Ich mag nicht mehr so knackig sein wie mit früher – aber, hej, der Typ im Supermarkt hat trotzdem mit mir geflirtet…), als Partnerin (Unser Streit war scheiße, aber wir rocken das garantiert wieder zurecht.). Die Unsicherheit hat Platz gemacht für eine Umsicht, die vieles oftmals für mich leichter macht.
Wir sind die Summe unseres Lebens – und das hat uns schon viel gelehrt.
Auch, dass nicht alles gegeben und gerecht verteilt ist: Familie, Zufriedenheit, Gesundheit. Und deswegen gehört Dankbarkeit auf einmal zu meinem Gefühlsrepertoire. Vieles, was ich früher als selbstverständlich hingenommen habe, steht nach meiner Erfahrung auf viel wackeliegeren Beinen als ursprünglich gedacht.
Und deswegen bin ich seit einiger Zeit von Herzen dankbar: Für meine tollen Wildfang-Kinder, für meinen Mann, meine Freunde, meine Stärken und Fähigkeiten. Noch vor kurzem wäre ich nie auf die Idee gekommen, mir dessen so bewusst zu werden. Aber es ist ein verdammt gutes Gefühl, sich an dem zu erfreuen, was man hat. Und sich nicht an dem zu stoßen, was einem fehlt. Vielleicht ist Dankbarkeit das, was ich gegen den Neid eingetauscht habe.
Wieder da ist plötzlich meine Neugier.
Auf die Welt und das Leben, das sich nicht mehr ausschließlich um die Bedürfnisse kleiner Kinder dreht. Auf einen Alltag, der wieder mehr mich in den Fokus nimmt, der erwachsener ist. Reifer und auf eine neue Art reicher. Neugier ist ein Motor, der zwischendurch ins Stottern geriet – und irgendwann seinen finalen “Spotz” tat. Was fehlte, war die Energie, der Tatendrang.
Die sind jetzt mit Wucht zurück – und katapultieren mich mitten in mein neues (Gefühls-)Leben. Feeling so… forty. Und das richtig gern.
Welche Gefühle sind für euch neu? Und welche vermisst ihr?
PS: Hier bin ich kürzlich auf eine ziemlich spannende Seite gestoßen, die sich ganz generell mit den Wechseljahren und all ihren Begleiterscheinungen befasst.
Alles Liebe,
Ich liebe diesen Artikel, liebe Katia, und habe das Gefühl, du seist ich!
Ich bin 41 und mir fehlt auch die Unbeschwertheit des Jungseins, dieses Gefühl, die ganze Welt liege vor mir. Und manchmal vermisse ich die Möglichkeit, so richtig machen zu können, was ich will – wie zum Beispiel wie früher nochmal ins Ausland zu gehen. Mit drei relativ kleinen Kindern schwierig.
Aber ich vertraue darauf, dass das später noch möglich sein wird. Ja, ich vertraue auf die Zukunft und das Älterwerden. In der Hinsicht bin ich auch gelassener geworden. Ich kenne so viele schöne und tolle Frauen jenseits der 50, dass mich das Älterwerden nicht mehr schreckt.
Was ich tatsächlich immer noch üben muss, ist den Moment mehr zu genießen, mehr im Jetzt zu leben und zu denken. Auch was das Zusammenleben mit den Kindern angeht. Deshalb bin ich so dankbar für Wasfürmich und eure lebensnahen Artikel, die mir das Gefühl vermitteln, nicht die einzige unperfekte Mama zu sein 😉
Ich drücke euch aus der Ferne und schicke liebe Fan-Grüße!
Christiane
Hej Christiane, zuallererst ein dickefettes Dankeschön an dich und dein bezauberndes Feedback! Ich freu mich immer so, hier auf Gleichgesinnte zu treffen! 🙂 Ja, der Moment… Habe ich gerade eben wieder drüber nachgedacht, dass ich das auch wirklich ein wenig runder schleifen könnte 😉 Bestimmt ein guter Ü-40-Posten! Und wie du sagst: Auch jenseits der 50 geht noch so einiges. Ich sehe immer Gilian Anderson und Julianne Moore vor meinem gesitigen Auge und denke: Wow, was für tolle Frauen!. In diesem Sinne: Wir arbeiten dran! Alles Liebe, auf bald
Liebe Katia, ich danke dir von Herzen für diesen wundervollen Artikel. Ich bin letzte Woche 40 geworden, und ich muss gestehen, es hat mich vor etwa einem halben Jahr richtige erwischt- eine Lebenskrise. Ich bin immer noch mitten drin, dabei mich wiederzufinden, neu zu entdecken, mehr das Hier und Jetzt zu genießen. Vor allem wenn die Kinder noch klein sind, wird so viel von FRAU verlangt, da vergisst man leicht, wer FRAU ist, was FRAU möchte.
Nun da die Kinder größer werden, ist da plötzlich wieder ein Raum für mich, und der möchte erst wieder gefüllt werden. Alles sortier sich neu, manches passt nicht mehr. Artikel wie deiner helfen mir dann sehr, auch in dem Wissen, es geht mir nicht alleine so.
Dann lass uns die 40 zusammen rocken 🙂
Liebe Grüße
Britta
Hej Britta, dann erst Mal alles Liebe nachträglich! 🙂 Ich kann das so gut nachvollziehen: Mich hatte diese mini Midlife Crisis auch von Jetzt auf Gleich am Wickel – und es hat mich komplett überrumpelt. Aber das ist jetzt schon vier Jahre her – und ich kann dir sagen: Es wird wieder besser. Anders, aber vieles gefällt mir wirklich gut. Es ist ein Prozess, bei dem wir uns endlich wieder mit uns selbst, mit unseren Bedürfnissen, Wüschen befassen. Und das tut verdammt gut! Viel Vergnügen auf deiner REise 🙂 Alles Liebe!