Jetzt ist er da, der Monat, vor dem mir das ganze Jahr graut. Ein Monat wie das Ausrufungszeichen hinter dem Satz: Der Sommer ist vorbei! Verrückterweise freue ich mich dieses Jahr das erste Mal so richtig drauf…
Wusstet ihr, dass man den November früher Nebelung nannte? Die, die sich das ausgedacht haben, müssen bei uns in Vierlanden gewohnt haben. In diesem allerletzten Zipfel Hamburgs, gleich hinterm Elbdeich, nebenan Schleswig Holstein, gegenüber Niedersachsen und sonst nichts, zieht der Nebel pünktlich zum 1. November auf, nimmt uns ein und gibt uns gefühlt erst ab März wieder frei. Er liegt dick wie Sprühsahne auf dem Deich, den Elbwiesen und vor unseren Fenstern. Ich kann die Straße nicht mehr sehen, den Fluss schon gar nicht und beinahe auch die Häuser unserer Freunde nicht.
Im Winter werden die Wege weiter.
Ich überlege mir zehnmal, ob ich irgendwohin fahre, wenn die Scheiben von außen und innen vereist sind. Wenn ich dank Eisglätte nicht mal die Stegel, also die Auffahrt zum Deich, hochkomme. Wenn die feuchte Kälte selbst durch dicke Daunen zieht. Wenn drinnen die Kerzen brennen und ich sowieso schon wieder müde bin.
Als ich hier herzog, meinte eine Nachbarin: “Ist echt schön hier, aber im Winter braucht man viel Alkohol!” Heute weiß ich: auch ohne ist der Blick den Winter über rauschig. Ich habe es immer verflucht. Bis jetzt.
Dieses Jahr nehme ich es an – und will mich einkuscheln. Die Bäume werfen ihre Blätter ab und ich hoffentlich die Hast. Ich möchte ganz viele Stunden auf dem Sofa verbringen, gemütlich malen, schreiben und Serien gucken. Nicht weil es der November so will, sondern weil ich tief im Inneren spüre, dass es mir gut tun wird. Mehr noch: Dass ich es brauche.
Ein Date mit einem wie keinem.
Ich bin immer noch müde: Von der Pandemie, vom wilden Leben und allem was dazu gehört. Und ich weiß es dieses Jahr zu schätzen, einen ruhigen Typen daten zu dürfen. Einen, der mich nicht ständig an der Hand nach draußen zieht, der brüllt: “Schwimmbad! Sonne! Was erleben!” Sondern einer, der mit mir auf dem Sofa sitzt und chillt. Keine coolen Sprüche macht, keine von mir erwartet. Einer, bei dem ich ich sein kann. Der die meiste Zeit schweigt und mich erzählen lässt. Mein Date mit Mr. November.
Er sieht für mich dieses Jahr nicht aus wie ein Grusel-Greis, mit knöchernen Fingern, dunklen Augenhöhlen und runtergezogenen Mundwinkeln. Sondern eher wie der Typ aus einem dieser Teenagerfilme, der Kerl, den man ersten in der zweiten Hälfte als cool erkennt, wenn er sich die Mütze vom Kopf nimmt und endlich seinen hässlichen Pullover auszieht, so dass man seine kräftigen Oberarme sieht. Der Typ mit den tümpeltiefen, dunklen Augen.
Wenn ich derzeit doch mal rausgehe, raus ins Grau, und bewusst schaue, wie viele Grautöne es da gibt, dann ist das eine echte Entdeckung. Tollerweise sind dann auch all die schönen Erinnerungen in meinem Kopf um so bunter. Ich kann auch endlich mal in fremde Gärten luschern, weil die Hecken kahl sind.
Gegen Abend färbt sich der Himmel einen Streifen lang babyblau und rosa und sieht mit den dunklen, vorbei flatternden Vögeln aus wie ein japanisches Aquarell – bloß ohne Hang zum Kitsch, das überlässt er dem Mai. Wenn die Horden von Wildgänsen über mir kreischen, ist mir fast schon zu viel los. Ich gehe schnell wieder rein. Zum Einnebeln.
Ich möchte ganz viel Schreiben in diesem November, ein bisschen aufräumen. Lesen und Serien schauen. Und möglichst viel Nichtstun. Ich freue mich drauf.
Fotos: Louisa Schlepper (1), Rest WASFÜRMICH
Freut ihr euch mit?
Liebe Claudi, du hast es wieder mal auf den Punkt gebracht. So schön geschrieben. Und ich muss zugeben, aus der Ferne sieht eure Nebelsuppe sehr idyllisch und gemütlich aus!
Mir ging es dieses Jahr übrigens ähnlich. Als alle Angst vor dem Herbst hatten, habe ich immer gesagt: „Also ich bin Herbst-positiv!“. Und tatsächlich konnte ich sogar die grauen Tage genießen, weil das bunte Laub sie eben doch schön macht. Konnte bei meinen morgendlichen Laufrunden am See die Luft draußen einatmen, wie einen vertrauten Duft auf den ich mich schon lange gefreut habe. Wir haben keinen Garten, aber unseren überdachten Balkon habe ich mit Freude herbstfein gemacht. Mit Herbstpflanzen, neuen Windlichtern, ganz viel Kerzen und Fellen, damit man auch bei Kälte gerne mal draußen sitzt, mit einer dampfenden Tasse Tee in der Hand. Meine Leseliste ist sehr lang, genau so lang wie sie bei dem bevorstehenden Herbst und Winter sein sollte. Dazu möchte ich noch ein neues Brettspiel kaufen, für gemütliche Spieleabende. Und endlich kann man wieder deftig kochen. Herrlich! Also alles absolut Herbstpositiv hier!!
(Nur auf die Schnupfnasen, auf die könnte ich doch verzichten – haha!)
Ich sende dir beste Herbstvibes!
Sabrina
P.S.: Ich würde riesig mich freuen, wenn du im Herbst/Winter ab und an Büchertipps, Serientipps o.ä. teilst, denn Inspirationen für‘s Einkuscheln kann man nie genug haben und deine schätze ich immer besonders. Montags bei Monica wird übrigens mein nächstes Buch ;-)! Gerade lese ich „Wo der Wolf lauert“ und kann es sehr empfehlen.
Liebe Claudia,
Ich liebe den November. Schon immer, erstens weil er mein Geburtstagsmonat ist (44) eine schöne Zahl. Zweitens kann man ihn gut zum Ausruhen vom wilden und lauten Sommer (ich mag den Sommer auch sehr) nutzen. Einfach mal ein wenig runter schalten und das Sofa so richtig nutzen für Buch, Zeitschrift, Tee und Kerzenschein…und drittens stimmt er uns doch schon ein bisschen auf die Adventszeit ein (mit viiiielen Kerzen)…
Also ich liebe den November 🍁🫖🍂
Ich wünsche dir einen schönen Tag
LG Annett
Liebe Claudia, du sprichst mir aus der Seele. Ich freue mich auch sehr auf Kaminstunden mit Tee/Kaffee und guter Musik oder einem ebensolchem Buch. Gemütliche Abende mit Soulfood, Wein und Kerzenschein, Spielenachmittage, Filme … und den langsam näher kommenden Advent. Zudem liegt die Natur so ruhig im Nebel da und ob mit oder ohne Sonnenschein hat es seinen Zauber. Es kommt immer darauf an, wie man es betrachtet. Ich wünsche euch eine tolle Zeit! Lieben Gruß Maria
Ich bin gespannt darauf wie du den November im Nachhinein wahrgenommen haben wirst😍 ich LIEBE übrigens schon immer den Herbst und Winter. Es gibt einfach nichts vergleichbares, das mich so sehr erdet und mich in mir selbst ankommen lässt.
Liebe Claudia, dein Text inspiriert mich sehr und ich hätte Lust mich auch darauf einzulassen…. tolle Idee, und mit dem heutigen Tag beginne ich mit chillen auf der Couch, nachdem ich heute schon mit einer lieben Kollegin Brunchen war. Hier ist heute Feiertag.
Herzliche Grüße aus Mülheim an der Ruhr
Claudia
Auch ich freue mich dieses Jahr ganz bewusst auf den ruhigen Monat November. Ich werde lesen, spazieren gehen, Teetrinken, vor dem Kamin sitzen, malen und einfach nur entspannen.
Liebe Claudia. Jedes Jahr begegnet mir kurz der November als endgegner. Nach kurzer Zeit hatte ich mich immer mit ihm angefreundet….dieses Jahr fand ich ihn herzlichst willkommen. Da ich das Gefühl für Ruhe und Zeit für mich selbst mehr als nötig empfinde…. genieße es
Das klingt nach einem tollen Plan 😍
Mir hat es auch lange gegraut vor dem November… ich glaube auch wegen der vielen kirchlichen Feiertage rund um den Tod. Dann hab ich irgendwann gemerkt, dass es ja vielleicht ganz gut sein könnte, wenn ich die Einladung annehme und den Monat nutze um mich mit Tod, Verlust und Trauer zu beschäftigen (Themen, die mir viel Angst machen). Jetzt ist der November für mich der Zeitpunkt im Jahr, an dem ich genau das mache. Nicht viel, aber hier und da etwas: ein Podcast, ein Buch, ein Spaziergang über den Friedhof mit den Kindern… und es tut mir sehr gut!
Und wenn der November dann vorbei ist, kommt der tröstliche, hoffnungsreiche, lichterhelle Advent <3
(Was der November für mich auch ist: Weihnachtsvorbereitungs- und Geschenkebesorgungsmonat, damit ich die Adventszeit dann wirklich genießen kann 🙂 )
Ich bin mir sicher, wenn ich jedes Jahr den Nebel ertragen muesste haette ich auch genug davon und wuerde mir anderes Wetter wuenschen. Aber ich habe ueber die Jahre hinweg etwas gelernt. Nach Kindheit in Rumaenien und in Oberbayern, zwei Jahre Australien, fuenf Jahre London und jetzt elf Jahre Australien gibt es ueberall etwas zu bemaengeln. In Rumaenien war’s toll. Ich verspuere nur Kindheitsnostalgie. Als ich sechs war zogen wir nach Deutschland und da fing es an mit dem Wetter verfluchen. Ich mochte die nebeligen Herbsttage nicht, die verregneten Sommer erst recht nicht. Ich wollte Sonne. In London regte mich die Nebelsuppe auf und der extreme Wind, wo man staendig kaputte Regenschirme ersetzen musste und die Muelleimer in den Strassen von ihen ueberflutet waren. Und dann kam ich wieder nach Australien. Die vielen Sonnenstunden sind toll. Das will ich nicht leugnen. Ich weiss, ich wuerde die Sonnentage vermissen. Aber, die Winter sind extrem unangenehem, denn die Haeuser sind nicht fuer Temperaturen unter 20 Grag gebaut und im Sommer krieg ich die Kraetze, wenn das Thermometer oft ueber 40C und Nachts nich unter 30C liegt. Was ich gelernt habe, ist, dass es ueberall Vor- und Nachteiele gibt, und man muss einfach lernen die Schoenheit auszuschoepfen. Denn, ich muss dir sagen, ich wuerde alles fuer den Nebel und die verregneten Sommer geben, nur dass ich wieder zu Hause leben koennte. Mir fehlt das Vertraute sehr.
oh diese Zeit ist so wundervoll. Ich konnte noch nie die Leute verstehen, die den November nicht mögen. Ewiger Sommer wäre doch langweilig. Auf dem Sofa sitzen, draußen grau und Niesel, drin Kamin, “Coco” (jedes Jahr wieder:) und Zimtschnecken. Und nicht Raus-müssen. Perfekt.
Wenn der November kommt, kommt mein Geburtstag. Da hab ich mich als Kind natürlich immer sehr darauf gefreut. Dass es nie ein Draussen-Fest sein konnte hat mich ab und zu betrübt. Da fand ich die Frühlings und Sommergeburtstage schon viel toller. Dann wurde ich schwanger und meine Tochter wurde ein Novemberkind. Genau eine Woche vor meinem Geburtstag kam sie an einem strahlendsonnigen Tag zur Welt. Nie vergesse ich den blauen, südlichen Himmel. Nun feiern wir doppelt im November. Die grossen Sommer-Blumensträusse gibt es nie. Das weiss ich nun 🙂
Aber Kerzen und gemütliche Sofastunden und Zeit, mit Freunden zusammen zu sein. Ein Nebelfest zum Geburtstag mit langem Tisch, einer grossen Pfanne Kartoffeln und Raclette, bis die Bäuche voll sind. Da freu ich mich jedes Jahr wieder drauf.