Es gibt Freunde meiner Kinder, die kann ich nicht so richtig gut leiden. Weil sie anstrengend sind, vorlaut, fordernd oder weil sich meine Kinder in ihrer Gesellschaft in blöde Blagen verwandeln. Beko ist so ein Freund. Wenn Beko zu Besuch bei meinem Jüngsten ist, gehen zerrissene Bücher, bemalte Wände oder zerbrochenes Spielzeug auf seine Kappe. Oder ihre: Beko ist nämlich je nach Laune männlich oder weiblich. Ich kann den Spielbesuch auch leider nie abwenden, denn Beko kommt und geht, wie es beliebt: Beko ist nämlich ein imaginärer Freund…
Wenn ich so zurückdenke, tauchte Beko das erste Mal auf, als mein kleiner Sohn ungefähr zweieinhalb war. Ich weiß noch, dass ich lange überlegte, was das Wort „Beko“ wohl bedeuten sollte. Dass es sich um einen Fantasie-Freund handelt, darauf kam ich erst später. Wahrscheinlich, weil meine beiden Großen nie ausgedachte Freunde hatten oder zumindest keine, von denen sie mir erzählt haben.
Dass wir als Eltern überhaupt von diesem imaginären Freund erfahren, ist offenbar ein großes Kompliment.
In einem spannenden FAZ-Artikel zum Thema (verlinke ich am Ende des Posts) las ich kürzlich nämlich, dass die meisten Kinder ihre erdachten Spielkameraden eher für sich behalten – und nur, wenn viel Vertrauen da ist, über sie mit anderen sprechen. Und dass imaginäre Freunde ein untrennbarer Wesensteil der Kinder sind – weswegen man besser nicht schlecht über sie sprechen sollte, weil man damit auch immer das eigene Kind kritisiert. Hmpf. Sorry, mein Schatz. Und: Tut mir leid, Beko. Du meist es ja eigentlich gut.
Denn Fantasie-Freunde sind für kleine Kinder das, was später das Tagebuch für Teenies ist: Das Kind erfindet jemanden, der Gefährte, Tröster, Mutmacher (und mitunter auch Sündenbock) ist, um die kleinkindliche Welt zu begreifen und die eigenen Gefühle zu regulieren. Wenn Beko also ein Buch zerreißt, erkennt mein Vierjähriger immerhin, dass er Mist gebaut hat – und schiebt Beko vor, um den Konflikt zu lösen. Ganz schön clever, wenn ich ehrlich bin.
Fantasie-Freunde kompensieren übrigens nicht das Fehlen von realen Kinderfreunden.
Mein Jüngster hat viele Freunde und unter anderem eben auch Beko. Erdachte Kumpels sind kein Zeichen von Nerdigkeit, sondern vielmehr von ausgeprägter Vorstellungskraft und großem Sprachverständnis, so die aktuelle Forschung. Und mehr noch: Solche Brain Bros befähigen das Kind in der eigenen Autonomie und fördern ihre Selbständigkeit.
Das kann ich nur bestätigen: Ob es nun an Beko oder an dem Status „beim letzten Kind lassen wir es laufen“ liegt: Mein Jüngster ist seit Anbeginn an das eigenständigste meiner Kinder, dasjenige, das am wenigsten Hilfe braucht oder überhaupt will. Insofern sollte ich den Brain Buddy wohl schnellstens in mein Herz schließen – auch wenn er mir oft gehörig auf den Nerv geht.
Wobei: Manchmal spielen die beiden sogar ganz schön, zumindest anfänglich: Dann höre ich aus dem Zimmer meines Kleinen, wie er gemeinsam mit Beko irgendetwas ausheckt – bloß, dass am Ende eben meist etwas kaputt ist. Vielleicht erledigt sich das Thema demnächst auch naturgemäß von allein:
Imaginäre Freunde tauchen meist zwischen dem zweiten und dem sechsten Lebensjahr auf – um dann urplötzlich zu verschwinden.
Durchschnittlich zwei bis vier Jahre begleiten die Kopf-Kumpanen die Kinder auf ihrem Weg in die Welt – und das in 20 bis 30 Prozent aller Familien. Ich hatte früher keine erdachten Gefährten und finde das mittlerweile fast ein wenig schade. Es muss ein wenig wie ein Zwilling sein, eine Art Seelenverwandter, mit dem man alles teilt, mit dem man alles gemeinsam erlebt, fühlt, verarbeitet. Kann man sich als Kind ein schöneres Geschenk machen?
Weil unser Hausfreund jetzt schon länger nicht mehr vorbeigeschaut hat, fragte ich meinen Jüngsten heute beim Mittag, was eigentlich mit Beko sei? “Beko ist tot”, lautete die knappe Antwort. Mein Sohn schien darüber aber wenig erschüttert zu sein. Vielleicht hat Beko jetzt seinen Zweck erfüllt – und mein Kleiner ist jetzt so groß, dass er niemanden mehr als Stütze braucht, um die Welt zu erobern…
Haben eure Kinder auch Fantasie-Freunde – oder hattet ihr als Kinder welche?
PS: Lest unbedingt den ausführlichen FAZ-Artikel dazu – gibt’s hier.
Alles Liebe, es lebe die Fantasie,
Oh ja, ich hatte viele und lange imaginäre Freunde! Da konnte ich ganz anders sein, als im echten Leben und mich vor allem viel mehr trauen, daran erinnere ich mich gut.
Mein Sohn hatte auch einen Freund, ungefähr im Alter von 2 – 5, genau weiß ich das nicht mehr. Äußerte sich ähnlich wie von Dir oben mit Beko beschrieben und von einem auf den anderen Tag war er verschwunden.
Ich fand’s toll, weil ich diese Phantasie und daraus folgenden Entwicklungsmöglichkeiten für sehr wichtig halte. Und zu viel Unfug hat er bei uns zum Glück nicht gemacht 🙂
Hej liebe Susanne, im Rückblick hätte ich so gern auch Fantasie-Freunde gehabt! Vielleicht waren Dick und Dalli (die aus “Immenhof”) so was ähnliches, ich habe jedenfalls eine Weile exzessiv TrippelTrappelPony gespielt und mich sehr als Teil dieser fiktionalen Welt gefühlt. Aber komplett frei erfunden habe ich niemanden. Ich freue mich jetzt noch mehr für meinen Jüngsten, dass er so einen Gefährten erschaffen hat. 🙂 Alles Liebe, schönes Wochenende, Katia
Francello macht bei uns keinen großen Unsinn, aber meist schaut er vorbei,wenn das Wetter schön ist und die Kinder im Garten spielen. Dann fordert er meine Tochter auf nach Eis zu fragen…mal sehen,ob er dieses Jahr wieder kommt,wenn es sommerlich wird 😉
Hej liebe Lilian, Francello – ich schmeiß mich weg!! Dass er auch gleich einen italienischen Namen weg hat, wenn es um Gelato geht – Kinder sind so verdammt plietsch! Spendier Fancello unbedingt eine Waffel – guten Freunden gönnt man das 😉 Alles Liebe, Katia
„Beko ist tot!!!“! 😅 Sind Kinder nicht großartig?!
Mein Neffe hatte eine Freundin namens „Margarine“, die auch stets solchen Unfug getrieben hat. Manchmal real, manchmal auch nur in seinen Erzählungen. Meine Schwester nahm es gelassen und hat eben manchmal einen Teller mehr auf den Mittagstisch gestellt, wenn Margarine zu Besuch war.
Als wir ein paar Monate nichts mehr über diese Freundin gehört hatten und meinen Neffen drauf ansprachen schien er keine Idee zu haben, worüber wir sprachen. Margarine war ebenso plötzlich verschwunden wie sie gekommen war. 🤷🏻♀️ Fast schon gruselig! 🫣
Wieder mal ein toller Artikel, danke!
Alles Liebe,
Jule
Hej liebe Jule, absolut großartg, was diese Kinderköpfe so an Gedanken (und Gefährten) produzieren! 🙂 Margarine klingt wie die Schwester von Beko, der auch gern große Portionen Nudeln mit uns am Mittagstisch vertilgt… Ich neide diese überbordenede Fantasie den Kindern fast ein wenig – wir herrlich, wenn man sich so sehr seine eigene Welt erschaffen kann! Danke dir für dein liebes Feedback, wie immer! Alles Liebe, auf bald und schönes Wochenende, Katia
Mein Jüngster, der mittlerweile schon 10 Jahre alt ist, hatte in dem Alter auch einen imaginären Freund namens Mutz. Allein der Name schon! Mutz hat die wildesten Abenteuer erlebt, ist auf Feuerschnecken geritten, hat permanent gekämpft und ist mindestens so oft gestorben wie Kenny aus South Park. Ein krasser Typ. Wie real Mutz für meinen Sohn war, wurde mir bewusst, als mein Sohn eine Sonnenbrille geschenkt bekam, auf die er ganz stolz war. Da war er 3 Jahre alt. Er lief mit der Sonnenbrille auf der Nase los und schlug auf einmal in die Luft neben sich und sagte: „Nein Mutz! Das ist meine!“ Das war mir schon etwas unheimlich🙂😎
Hej liebe Franzi, ja, Beko ist hier auch nicht nur einmal gestorben… 😉 Krasse Typen, die imaginären freunde, keine Frage – und krasses Fantasievermögen, das unsere Kinder da haben! Ein absolutes Geschenk! Alles Liebe, schönes Wochenende, Katia
Danke für den Artikel!
Bei der Großen hatten wir zwischen zwei und drei öfter Besuch beim Essen, da musste dann für Micky Maus und die Ente mitgedeckt werden.
Der Bruder hat zumindest von niemandem erzählt, fand das aber total doof, als der kleine Bruder plötzlich ständig von Orange sprach. Immer, wenn wir mit dem Auto an Bergen oder auch nur Hügeln vorbeikamen, wurde uns von Oranges Burg erzählt. Mit fünf kamen die Schneeretter dazu – mit denen wurde über den Klett der Schalmütze als „Headset“ gesprochen, jede Nacht waren Einsätze.
Und die Kleinste hatte dann erst Mika ( undefiniertes Geschlecht) und dazu noch Mokas und Lokas und manchmal noch mehr. Die sind aber alle gleichzeitig mit dem Opa gestorben oder weggezogen. Oder beides. Und jetzt sind sie seit einem Jahr nicht mehr aufgetaucht.
Hej liebe Annie, ich finde all eure Geschichten so cool – den Klettie als Headset: großartig! Nur schade, dass dich die Kinder daran später vermutlich nicht mehr erinnern können… Alles Liebe, danke für dein Feedback, Katia
Hier hat der Jüngste Fantasietiere: mehrere kleine und große Action-Dinos, die alles lieben, was gefährlich ist. Kleine Babytiere, um die man sich kümmern muss. Raubtiere, die einen beschützen. Etc pp.
Ich war neulich sehr gerührt, als wir nachts ewig lange in sehr bedrückender Umgebung in der überfüllten Notaufnahme sitzen mussten und auf einmal ein kleines Babykaninchen da war, das mit ihm gekuschelt hat und das ich auch streicheln durfte und ein großer Tyrannosaurus, der draußen auf dem Gang nach dem Rechten gesehen hat. Ich war sehr froh über die Unterstützung der beiden.
Hej liebe Anni, o ja, das klingt nach einer typischen Heartbreaking-Situation – in der man einfach nicht fassen kann, wie schlau und wundervoll unsere Kinder so sind! Dank fürs teilen hier, das ist so schön. Alles Liebe, Katia