Unser Sommerurlaub war, nun ja, ziemlich langweilig: Wir waren an der Nordsee, am gleichen Ort wie immer. Wir haben die Dinge gemacht, die wir immer machen, wenn wir dort sind: Die gleiche Fahrradtour, der gleiche Strand, der gleiche obligatorische Besuch in unserem Lieblingsrestaurant. Das Einzige, was mich dabei wirklich überrascht hat, war: Ich fand es genau so großartig…
Es war Langeweile im allerbesten Sinne: Alles war vertraut, unaufgeregt, entspannt. Dabei wollte ich genau das ursprünglich vermeiden. Wollte auf den Spuren meiner Kindheit durch Südfrankreich reisen (hier mein Post, warum alles anders kam), wollte neues Terrain, Abenteuer, Aufregung, Aperitif am Atlantik. Der ewig gleiche Sundowner am Südstrand schien mir weit weniger interessant. Und doch:
Wenn man nichts Neues entdecken muss, bleibt mehr Raum fürs Runterkommen.
Bleibt mehr Zeit für Entspannung von Anfang an. Denn wenn man weiß, wo es garantiert nett ist, wo überhaupt alles ist, wo das Essen gut ist, die Aussicht auch, wo die Kinder glücklich sind – dann fallen ehrlicherweise ziemlich viele Stress-Momente weg, die einem den Urlaub schnell verhageln können.
Dass wir alle Wege auf Föhr im Schlaf laufen können, dass unsere Tage dort wenig Überraschungsmomente haben, dass wir in einem zigfach einstudierten Urlaubstrott verfallen – war diesen Sommer genau richtig. Weil: Ich war einfach zu kaputt für Abenteuer. Zu erschöpft, Kindergeschrei auf tagelangen Autofahrten zu parieren, zu fertig, in meinem Hirn nach lange verschüttetem Schul-Französisch zu fahnden oder irgendwelche Unwägbarkeiten abzupuffern. Rentner-statt Rucksackreisen-Modus. Nicht fancy, aber ich war diesmal erstaunlich fein damit. Und der Rest meiner Familie sowieso.
Weil ich keinerlei Energien in kulturelle Verständigung, Location-Check oder Waldbrand-Warnungen stecken musste, hatte ich unglaublich viel Zeit, meinen Kindern einfach beim Sein zuzuschauen.
Und das war mit Abstand das Beglückendste an diesen Ferien: Zu sehen, wirklich zu sehen, zu welchen Persönlichkeiten meine Kinder gerade heranwachsen. Wie groß sie werden, was sie plötzlich alles können – wann haben sie das gelernt…?! Seit wann kann mein Jüngster auf dem Trampolin einen lässigen Salto in den Stand? Seit wann mein Zehnjähriger so super Tischtennis spielen, dass er mich locker abzieht? Und seit wann meine Mittlere so gut lesen, dass sie abends mir vorliest und nicht umgekehrt?
Im Alltag ist der Blick oft verstellt durch zu viel To-Dos, zu viel Orga, zu viel von allem. Aber in diesem Zustand angenehmer Langeweile, dem ich mich im Urlaub komplett ergeben habe, traten wir Fünf mit all unseren Fähigkeiten und Eigenheiten plötzlich viel deutlicher hervor als sonst. Vielleicht, weil das Drumherum nicht viel Aufmerksamkeit brauchte – es ging einfach nur um uns, nicht ums Außen.
Irgendwie führte dieses nichts wollen, nichts müssen, nur sehen und sein auch dazu, dass wir alle viel friedlicher miteinander waren.
Wir mussten nichts erleben, nichts erledigen. Wir konnten stundenlang am Strand bleiben – oder bei Oma auf der Terrasse. Es gab kein Sightseeing-Stress, keine Geheimtipps, die dem Urlaub erst das nötige Etwas verleihen würden. Es gab nur uns, den norddeutsch verhaltenen Sommer und das Meer. Ich war lange nicht so zufrieden – mit mir und unserer kleinen Welt.
Zugegeben: Ich habe Insta in den Ferien mehr oder minder ignoriert. Weil ich mich nicht aus der Ruhe, aus der schönen Stimmung bringen lassen wollte. Ich wollte nicht dabei zusehen, wie Familien an meinen Sehnsuchtsorten den vermeintlich besseren, sonnigeren, spannenderen Urlaub verbringen. Wollte nicht neidisch werden müssen, wie man immer ein wenig neidisch wird, wenn jemand am schönsten Strand Italiens steht oder das bezauberndste Bistro an der Côte d’Azur postet.
Ich wollte zu meiner Langeweile stehen können.
Ich habe nicht viel zu erzählen, wenn mich jetzt jemand nach meinem Urlaub fragt. “Es war wie immer”, ist die ehrliche Antwort. “Es war ganz schön langweilig.” Je nachdem, wie man den Satz betont, verändert sich die Bedeutung…
Wie ist es bei euch: Seid ihr dieses Jahr Abenteuer-Urlauber oder Langweiler wie ich…?
Alles Liebe,
Hallo Katia,es gehört eine Menge Mut dazu anderen zu erzählen, dass man Urlaub auch an schönen einsamen Orten wie Thüringen oder der Ostsee schon zum wiederholten Male macht. Das habe ich so empfunden. Es ist mir aber herrlich egal. Ich bin glücklich wenn ich mir gefalle. Liebe Grüße von Elke
Hej liebe Elke, und genau darum geht es doch: Dass es einem selbst gut tut – und nicht andere zu “Ooohs” und Ahhs” animiert. Ich könnte mich an Urlaub im Kleinformat gewöhnen, wenn ich hinterher immer so entsapnnt bin wie jetzt 😉 Alles Liebe, Katia
So ein schöner Satz “ich bin glücklich, wenn ich mir gefalle”!!!
Das fand ich auch! 🙂
Hallo Katia,
das waren ja mal entspannende und ehrliche Worte ! Du hast so recht, man muss nicht immer einen spektakulären Urlaub machen, wir fahren nächste Woche auch, wie im letzten Jahr, wieder
auf Amrum und es wird großartig. Nichts müssen, nur Sein ! Danke für Deinen Beitrag. Liebe Grüße, Antje !
Hej liebe Antje, kam direkt aus der Urlaubsentspannung so heraus. 😉 Vielleicht ist es ganz gut, zwischendurch mal zu spüren, dass man nicht immer alles toppen muss, schneller, höher weiter, auch im Urlaub. Einfach nur da und gut ist auch ganz schön toll. Alles Liebe, grüß mir die Nordsee, Katia
Guten Morgen, liebe Katia,
ich liebe Urlaub und ich möchte auch gerne etwas erleben, Neues sehen etc., aber auch ich erlebe das manchmal mit den Kindern als sehr anstrengend. Dieses Jahr hatten wir einen sehr interessanten Ferienstart, bei uns ging es erst vor zwei Wochen los. Der Kleinste bekam drei Tage vor Beginn Corona, womit unser erster Kurzurlaub im Kloster erstmal ausfiel, worüber ich zugegebenermaßen sehr traurig war, allerdings nur zwei Tage, denn dann bekam ich selbst Corona und wollte eigentlich nichts mehr, außer im Bett liegen und meine Ruhe haben;-) Da wir alle zu Hause geblieben sind, ging das auch einigermaßen. Einen Tag später hatte der 8-jährige seinen positiven Test. Spätestens ab diesem Zeitpunkt gaben wir alle Trennungsversuche innerhalb des Hauses auf und drei Tage später bekamen es dann auch noch mein Mann und der 14-jährige. Und darüber war ich zugegebenermaßen echt glücklich, denn wir fahren am Donnerstag noch für 4 Tage nach Heidelberg und so sind alle pünktlich durch die Infektion durch.
Wir waren uns einig, dass das ein zugegebenermaßen etwas frustrierender Ferienstart war, aber tatsächlich kamen wir alle extrem runter, konnten entspannen, schlafen, wann wir wollten, Essenspläne wurden erstellt, aber dann wurde einfach nach den vorhandenen Kräften schnell schnell gekocht, wir schauten Filme, drückten bei Medienzeiten die Augen zu und alle (bis auf das Pubertier) waren echt ausgeglichen.
In den letzten Tagen fiel bei mir tatsächlich auch häufiger der Satz ” Mir ist so langweilig, ich habe aber auch gar keine Motivation, etwas aus mir heraus zu tun…” Jetzt warte ich mal ab, ob Heidelberg mich aus dem Nichtstun heraus holt und mich wieder neu inspiriert.
Ich wünsche dir ein gutes Ankommen zu Hause und genieße noch ein bisschen die Langweile, bevor der Alltag wieder rein crasht, das geht schneller, als du gucken kannst und dann ist dir sicherlich nicht mehr langweilig 😉
Alles Liebe
Rabea
Hej liebe Rabea, “ein interessanter Ferienstart” ist aber ein dicker Euphemismus 😉 Freut mich dennoch für euch, dass ihr euch der Situation ganz gut ergeben konntet, wenn es auch notgedrungen war. Aber es ist eben auch spannend, was aus solchen Situationen erwächst: Zeit, Muße und eben auch Langeweile. Ganz ehrlich: Wann langweilen wir uns sonst in unserem Familienleben schon mal? Ist ein Gefühl, dass fast vergegssen ist, von daher konnte ich es tatsächlich auch genießen. Muss ja nicht für immer sein. Und ja, auch ich erlebe eigentlich gern Neues, entdecke Länder, Kulturen, Orte. Kommt bestimmt alles wieder. Euch wünsche ich von herzen, dass Heidelberg nichts in die Quere kommt und ihr noch richtig schöne Tage mit vertretbarer Aufregung verbringt. Alles Liebe, auf bald, Katia
Hallo Katia,
genau deswegen fahren wir 15 Jahren jeden Sommer für 2 Wochen nach Föhr.
Früher nach 2 Wochen Wohnmobil oder ähnlichem hat man zwar was gesehen, von der Welt, war aber mehr urlaubsreif als zuvor. Auf Föhr kommt man endlich zur Ruhe und kann runter fahren. Und auch die inzwischen erwachsenen Kinder und Ihre Freunde sind immer noch gerne mit am Start. Und es gibt feste Rituale wie Wattritt oder Minigolf und natürlich leckere Torte in Stellys Hüs – und wehe, wir haben etwas nicht abgearbeitet..
Es ist immer wieder diese Vertrautheit, wie nach Hause kommen. Man wird wieder erkannt, man hat Zeit für einen kleinen Schnack, in Wyk lässt es sich herrlich bummeln oder einfach nur gemütlich- ob mit Blick auf Bauerngärten oder auf“s Meer – eine Café trinken.
Also eigentlich fühlen sich die 2 Wochen jedes Jahr zu kurz an.
Mich langweilt dann eher das hundertste Urlaubsfoto auf Insta – sehen doch irgendwie alle gleich aus.
In diesem Sinne viele Grüße Ines
Hej liebe Ines, dann sind wir offenbar auf ähnlich vertrauten Wegen unterwegs: Stelly ist bei uns auch immer allerliebste Pflicht (die besten Waffeln der Insel und die üppigsten Torten sowieso 😉 Aber den wattritt – den habe ich mir dieses jahr das erste Mal seit jahren wieder gegönnt, aber der war so herrlich, dass er direkt in den Föhr-Aktivitäten-Kanon aufgenommen werden muss. Ganz große Glücksgefühle! Wie schön, dass du dieses Gefühl auch kennst. Dann bestimmt bis bald mal auf der Insel, alles Liebe, Katia
Hallo Katia, ‚….. wenn man nichts Neues entdecken muss, bleibt mehr Zeit für‘s Runterkommen….‘. Den Spruch werde ich mir merken, denn ich finde er trifft 💯 % zu. Wir sind als Kinder immer in denselben Skiort gefahren und ich habe es geliebt. Es war wie nach Hause zu kommen. Der Urlaub fing für alle direkt an, denn man kannte ja schon alles. Mit meiner eigenen Familie habe ich so einen Ort nie gefunden. Wir sind jedes Jahr woanders hingefahren und haben Europa erkundet. Das war toll, aber auch oft anstrengend. Da braucht man erstmal ein paar Tage um anzukommen und nach 10 Tagen war ich gedanklich schon wieder beim Packen für die Rückfahrt! Schrecklich. Inzwischen sind alle unsere Kinder erwachsen und wir fahren dieses Jahr das 1. mal nach 18 Jahren ohne Kinder und außerhalb der Ferien in den Urlaub. Witzigerweise in einen Ort in dem wir letztes Jahr schon mal mit den Kindern waren!😂
VG Kirsten
Hej liebe Kirsten, ja, es ist genau wie du schreibst: Wie nach Hause kommen, in ein anderes als das Alltags-Zuhause. Meine Kinder wollen es immer und unbedingt so, Föhr ist ihnen zur zweiten Heimat geworden – und das finde ich ebenfalls wunderschön. Die Sommer meiner Kindheit spielten sich in Frankreich ab, die meiner Kinder eben in Friesland. Wenn sie daran nur halb so schöne Erinnerungen haben wir ich an la France, dann muss niemand damit hadern 😉 Ach wie spannend, das erste Mal wieder ohne Kinder allein das wird ein Abenteuer 😉 Dann ists vielleicht gar nicht verkehrt, dass ihr das an einem halbwegs vertrauten Ort macht. Ganz viel Erholung dabei, alles Liebe, Katia
Hallo Katia, ich fühle genau, was du meinst!
Wir fliegen seit Jahren gerne nach Mallorca, immer in das gleiche Hotel. Freunde halten mich in dem Zusammenhang für recht spießig, aber es ist genau wie du beschreibst: Ich weiß, wo der schönste Strand ist, was am Buffet schmeckt, wo der Eroski ist und mit der Ankunft geht der Urlaub los, herrlich! Früher habe ich Leute dafür belächelt. Eltern meines früheren Freundes sind 18 Jahre immer nach Mallorca geflogen, allerdings waren die mutig genug, mal ein anderes Hotel am gleichen Ort auszuprobieren 😉 mal sehen, in wieviel Jahren ich diesen Mut haben werde 🙂
Alles Liebe!
Hej iebe Biene, ach, was ist schon spießig… 😉 Hauptsache, man fühlt sich wohl, macht das, was zu einem selbst passt. Ich kann beidrem etwas abgewinnen: dem Abenteuer und der langeweile – und zweiteres passte für uns dieses Jahr einfach besser. Und ehrlich gesagt: mallorca wird einem doch nie langweilig. 🙂 So eine wunderschöne Insel! Könnte ich auch gut mal wieder hin. Alles Liebe, gute Erholung, Katia